Kritik an TTIP-Leseraum: „Meine Skepsis ist gestiegen“
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Kritik an TTIP-Leseraum„Meine Skepsis ist gestiegen“
Drei Bundestagsabgeordnete haben den TTIP-Leseraum besucht, um die Akten des geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen einzusehen. Die Regeln dafür sind streng, und über den Inhalt dürfen sie auch nicht reden.
Berlin Er soll für mehr Transparenz sorgen, der TTIP-Leseraum im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – nun aber sorgt er für Kritik. Drei Bundestagsabgeordnete haben das rund 35 Quadratmeter große Zimmer besucht, um sich die Dokumente zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU durchzulesen. Sie bemängeln einerseits die strengen Auflagen als auch das Verbot, über den Inhalt mit der Öffentlichkeit reden zu dürfen.
Klaus Ernst von der Linken war einer der Bundestagsabgeordneten und lässt seinem Unmut auf Facebook freien Lauf: „Handys und Taschen mussten abgegeben werden. Es durften keine Mitschriften gemacht werden. Obwohl die vorgelegten handelsrechtlichen Texte in Englisch vorlagen, standen für drei Abgeordnete nur eine Dolmetscherin des Wirtschaftsministeriums zur Verfügung“, schreibt er. „Aufgrund der Komplexität der Materie kann ein Abgeordneter seine Aufgabe nur wirklich erfüllen, wenn er die Themen mit sachkundigen, auf diesem Gebiet spezialisierten Mitarbeitern besprechen und analysieren kann. Dies ist ihm unter Androhung von Strafen untersagt.“
Heute morgen bin ich zum #TTIP #Leseraum ins Bundesministerium für Wirtschaft gefahren. Was als Transparenzoffensive...
Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hatte mit seiner Parteikollegin Katharina Dröge ebenfalls den Raum besucht. Durch die Einsicht in die Akten sei seine Skepsis gestiegen, erklärte er in einem Video auf seiner Facebook-Seite. „Das Hochproblematische ist allerdings, dass ich den Bürgern darüber nichts berichten darf und dass wir auch öffentlich nicht darüber diskutieren können.“ Das mache eine Kontrolle extrem schwierig.
Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik der Grünen, kritisierte zudem das Zeitfenster von zwei Stunden, in dem man „selbst als Fachfrau nicht jedes Problem finden“ könne. Sie erklärte, man müsse schon „Professor für Internationales Handelsrecht sein, um die Details wirklich bewerten zu können.“
Ich habe gerade das erste Mal in die TTIP-Verträge schauen dürfen. Leider verbietet mir die Bundesregierung Euch zu sagen, was ich gelesen habe. Ich kann nur sagen, dass meine Skepsis noch größer geworden ist.
In der Tat sind die Auflagen für den Leseraum sehr streng. In einem Video (siehe oben) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erklärt Referatsleiter Berend Diekmann, dass es sich bei den Akten um „konsolidierte Texte“ handele, aus denen die Vorschläge der USA zu bestimmten Themen hervorgehe. „Deswegen sind sie so geschützt“, sagt Diekmann. Man habe in Gesprächen mit den Vereinigten Staaten sich auf diese Vorsichtsmaßnahmen verständigt.
Das ist TTIP
USA und die Europäische Union mit ihren 28 Mitgliedsstaaten.
Handelsbarrieren abbauen heißt in diesem Fall Normen, Standards und Gesetze zu vereinheitlichen. Denn Zölle und Exportquoten gehören schon länger der Vergangenheit an. Politiker betonen immer wieder, es gehe nicht darum Standards zu senken, sondern beide anzuerkennen. Ein oft bemühtes Beispiel sind unterschiedliche Farben von Autoblinkern.
Durch das Verschmelzen der Märkte sollen neue Arbeitsplätze entstehen. Außerdem rechnet die EU-Kommission mit zusätzlichem Wirtschaftswachstum auf beiden Seiten des Atlantiks. Wie groß dieses sein wird, ist jedoch ungewiss. Die optimistischste Schätzung liegt bei 0,48 Prozent bis 2027. Politisch erhofft sich die EU wie auch die USA, so ihre Vormachtstellung gegenüber den Schwellenländern behaupten zu können.
Begonnen haben die Verhandlungen zu TTIP im Jahr 2013. Da es um ein komplexes Abkommen geht, werden die Handelskommissare vermutlich nicht vor Ende 2016 einen Vertragsentwurf vorlegen. Unklar ist, ob dieser nur von dem EU-Parlament, oder auch von den nationalen Parlamenten bewilligt werden muss. Vermutlich entscheidet hierüber am Ende der Europäische Gerichtshof.
Die Einrichtung eines Leseraums war eine Reaktion auf die Kritik, die Verhandlungen zwischen EU und USA liefen zu sehr im Verborgenen ab. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte: „Deutschland ist einer der ersten EU-Mitgliedstaaten, der einen solchen TTIP-Leseraum eröffnet.“ Der SPD-Parlamentarier Dirk Wiese sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“, der aber noch nicht ausreichend sei. Er wolle die Papiere auch im Bundestag einsehen können, sagte Wiese dem rbb-Sender Radioeins. „Es kann nicht alles transparent sein, aber soviel Transparenz wie möglich.“