Ladeinfrastruktur Eine Million geplant, erst 44.000 gebaut: Zu viele Hürden für den Bau von E-Auto-Ladesäulen

Der Aufbau einer Tank- und Ladeinfrastruktur für Brennstoffzellen- und E-Autos gestaltet sich schwierig.
Berlin Es scheint, als sei das goldene Zeitalter des Elektroautos eingeläutet: Wer ein Auto kauft, erhält 3000 Euro vom Hersteller, 6000 Euro vom Bund, Zuschüsse von Ländern, Kommunen und der Kreditanstalt KfW und sogar Rabatte bei der Kfz-Steuer.
Und doch: Die öffentlichen Ladepunkte lassen auf sich warten. Eine Million hat sich die Bundesregierung bis 2030 zum Ziel gesetzt, rund 44.000 sind es erst. Zum einen sind natürlich Flächen nötig. Auch steht noch nicht fest, wo die optimalen Standorte sind. Vor allem aber bremst das Energierecht, das den Markt detailliert mit Regeln und Vorgaben bestimmt.
„Das gesamte System ist auf kleine Ladesäulenbetreiber nicht eingestellt“, sagt Florian Wesche, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dentons und Sachverständiger beim Bundesverband Elektromobilität.
Dabei verlangt das EU-Recht Wettbewerb. Es soll verhindern, dass sich einfach die Stromnetzbetreiber den Markt sichern. Die Vision: Anstatt der klassischen Tankstellen soll es überall Ladesäulen geben, etwa von Unternehmen für ihre Mitarbeiter und im öffentlichen Raum wie Parkhäusern und vor dem Supermarkt.
Wesche berät Unternehmen, ob es sich lohnt, Ladesäulen etwa für die Mitarbeiter und den neuen Fuhrpark aufzubauen. Rund ein Drittel nimmt schnell wieder Abstand, wenn sie neben den steuerrechtlichen vor allem die energierechtlichen Fallstricke erahnen. „Die Unternehmer werden mit einer Komplexität konfrontiert, die sie nicht beherrschen. Sie wollen nicht extra Mitarbeiter einstellen, um Ladesäulen aufstellen zu können“, sagt Wesche.
Viele offene Fragen für Unternehmer
Wer eine Ladesäule aufstellt, wird schnell zum Stromanbieter. Will der Unternehmer aber selbst Betreiber auf dem eigenen Grundstück sein? Betreibt er dann gar ein eigenes, wenn auch kleines Netz? Genügt die Ladesäule dem Mess- und Eichrecht? Wie wird der Strom genutzt? Verliert etwa ein Industrieunternehmen plötzlich seine Vergünstigungen bei anderen Regeln wie der EEG-Umlage? Wo kommt der Strom überhaupt her? Und: Wie wird er abgerechnet?
Vor allem aber: Rechnet sich die Säule überhaupt, wenn Umsatzsteuer fällig wird, der lokale Netzbetreiber für den Anschluss ans Hauptnetz einen Baukostenzuschuss verlangt und Investitionskosten in Rechnung stellt? „Ein Strompreis von 50 Cent je Kilowattstunde ist nicht überraschend“, sagt Wesche. „Die Komplexität verursacht an vielen Stellen Kosten.“
Die Probleme haben ebenso Vermieter, die per Gesetz Ladesäulen aufstellen müssen. Bei ihnen kommen weitere Fragen hinzu, wenn sie etwa auch eine Photovoltaikanlage montieren wollen und so zum Stromproduzenten werden.
Intransparente Kosten bei Netzbetreibern
Wer sich in die heimische Garage eine Ladestation baut, hat ähnliche Fragen wie ein Unternehmer. So fordert Marion Jungbluth von der Bundeszentrale der Verbraucherverbände „Preistransparenz für die Gesamtkosten für die Installation“. Und: „Auch eventuelle Bau- beziehungsweise Anschlusskosten vom Netzbetreiber müssen transparent gemacht werden.“ Erst dann weiß auch jeder, ob sich eine Ladesäule für Mitarbeiter oder als heimische Wallbox lohnt.
Eigentlich, sagt Wesche, müsse das gesamte Energiewirtschaftsrecht überarbeitet, ja, entrümpelt werden nach dem Motto: weniger Regulierung, mehr Markt. Doch seien mit der Klimaschutzgesetzgebung eher noch mehr Vorgaben zu erwarten. Start-ups und andere neue Anbieter hätten es so schwer, in den Markt einzusteigen.
Stattdessen wird alles komplizierter, durch Sonderregeln für Ladesäulen oder Vorgaben wie der der Bundesregierung, an Ladesäulen künftig auch das Bezahlen mit EC- und Kreditkarte anbieten zu müssen. Kosten laut Verordnung: 165 Euro je Ladesäule plus Betriebskosten. Entscheiden muss im September noch der Bundesrat über das Vorhaben. Einem anderen hat er schon zugestimmt: dem Schnellladegesetz, mit dem nun der Bund regionale Ladesäulennetze ausschreibt. Dies zeige vor allem, „dass dem Bund nicht mehr viel einfällt, um den langsamen Netzausbau voranzubringen“, sagt Wesche.
Die etablierten Anbieter profitieren vom Regeldschungel
Von der Komplexität könnten zum Schluss womöglich die Netzbetreiber profitieren: Sie sollen eigentlich nicht vom neuen Markt profitieren – dürfen aber bei Marktversagen einspringen. Vielleicht sieht der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deshalb keine Probleme im Energiewirtschaftsrecht, sondern nennt allgemein die Genehmigungsverfahren und fehlende Flächen als Gründe für den Mangel an Ladesäulen. Ebenso fordert Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae „stabile regulatorische Anforderungen“, was eine Ladesäule alles leisten muss.
Den Markt dominieren laut Ökostromanbieter Lichtblick vor allem regionale Energieanbieter. Sie würden Preise und Ladebedingungen diktieren.
Mehr: Große Koalition korrigiert Ausbaupläne für öffentliches Ladenetz.
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.... und wer tankt schon gerne für über 1 Euro die kWh????