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Lockdown-Folgen Juristen geben Klagen des Handels wegen Benachteiligung bei Corona-Hilfen gute Chancen

Viele Einzelhändler sehen sich bei den staatlichen Corona-Hilfen gegenüber der Gastronomie im Nachteil. Der Handelsverband rechnet mit einer großen Zahl an Klagen.
11.03.2021 - 05:00 Uhr Kommentieren
Viele Händler bangen um ihre Existenz. Quelle: Caro / Oberhaeuser
Geschlossene Geschäfte

Viele Händler bangen um ihre Existenz.

(Foto: Caro / Oberhaeuser)

Berlin Rechtsexperten räumen möglichen Klagen von Einzelhandelsunternehmen gegen die Art der staatlichen Corona-Entschädigung gute Chancen ein. Das geht aus einem vom Handelsverband Deutschland (HDE) in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

Die Expertise der Berliner Kanzlei Noerr wertet es als verfassungswidrig, dass der Handel im Gegensatz zur Gastronomie keine Dezemberhilfe nach der Schließung der Geschäfte am 16. Dezember erhalten habe.

Die Juristen sehen in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Hilfsprogramme für die vom Lockdown betroffenen Unternehmen, konkret in der fehlenden Einbeziehung des Einzelhandels in die Corona-Hilfsprogramme der November- und Dezemberhilfe, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes.

Das Problem: Der Handel erhält für seine seit Mitte Dezember geschlossenen Geschäfte keinerlei Umsatzausgleich, sondern wird auf die Überbrückungshilfe III und die dort geregelte Teilerstattung der Fixkosten verwiesen. Diese ist aber viel geringer als die Dezemberhilfe, nach der die Gastronomie für November und Dezember einen Ausgleich von bis zu 75 Prozent des Vorjahresumsatzes erhält.

Es handele sich um eine „Ungleichbehandlung der Einzelhändler im Vergleich zu den Begünstigten der außerordentlichen Wirtschaftshilfen, die nicht gerechtfertigt ist“, heißt es in dem Gutachten. Die Betriebsschließungen stellten „schwerste Grundrechtseingriffe“ dar, die die Corona-Hilfen teilweise kompensieren sollen.

„Das vergangene Jahr bleibt als Katastrophe in Erinnerung“

Der Umfang der Überbrückungshilfe III sei aber „nicht geeignet, einen großen Teil der stationären Einzelhändler vor den existenzvernichtenden Wirkungen der Betriebsschließungen zu bewahren“. Infolge der Corona-bedingten „behördlichen Berufsverbote“ hätten die betroffenen Unternehmen daher einen Anspruch auf Gleichbehandlung und somit auf Einbeziehung in die Wirtschaftshilfen ab Beginn der Geschäftsschließungen.

„Die Entschädigungsregelungen sind für uns unbefriedigend, da wir trotz extremer Umsatzeinbußen seit Mitte Dezember, wenn überhaupt, nur eine im Verhältnis extrem geringe Entschädigung bekommen können“, hatte kürzlich bereits Bernhard Düttmann, der Vorstandschef der Media-Markt-Saturn-Mutter Ceconomy, kritisiert.

Laut Statistischem Bundesamt hat der Lockdown im Weihnachtsgeschäft den deutschen Einzelhändlern Ende 2020 das größte Umsatzminus seit mehr als einem Vierteljahrhundert eingebrockt. Die Einnahmen sanken im Dezember um 9,3 Prozent zum Vormonat. Dies war der stärkste Rückgang seit Beginn der Statistik 1994. Im Gesamtjahr hatte die Branche allerdings nominal 5,1 (real: 3,9) Prozent mehr in den Kassen. Dies war wiederum das größte Wachstum seit 1994.

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„2020 war für viele Unternehmen aus den Bereichen Onlinehandel und Lebensmittel ein gutes Jahr, bei Möbeln und Baumärkten lief es besser als erwartet“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Für die meisten Modehändler dagegen bleibt das vergangene Jahr als Katastrophe in Erinnerung.“

Klagewelle gegen die Entschädigungsregeln möglich

Etliche Unternehmen sehen sich durch die geringen staatlichen Hilfen in ihrer Existenz bedroht. „Viele Händler stehen schon jetzt mit dem Rücken zur Wand“, sagte Alexander Otto, Vorstandschef des Shoppingcenterbetreibers ECE, dem Handelsblatt. „Es drohen zahlreiche Insolvenzen und Pleiten, das Verschwinden Hunderter Handelsunternehmen, die Schließung Tausender Geschäfte und der Verlust Zigtausender Arbeitsplätze“, warnte er.

Viele Händler haben deshalb bereits geklagt – in der Regel allerdings auf Wiederöffnung ihrer Geschäfte. Diese Klagen wurden bisher alle von Verwaltungsgerichten mit dem Verweis auf den Vorrang des Gesundheitsschutzes abgelehnt.

So hatte beispielsweise das Modehaus Breuninger in mehreren Bundesländern geklagt. „Wir haben die Beschränkungen als tiefen Einschnitt in das Eigentumsrecht und in die Berufsfreiheit empfunden“, hatte Breuninger-Chef Holger Blecker gesagt. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim jedoch hatte in seiner Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Verfügung geschrieben, das Gericht halte die Einschränkung für „zumutbar und verhältnismäßig“, selbst wenn der Händler keine staatliche Entschädigung bekomme.

Doch nach den Klagen zur Wiederöffnung könnte es nun zu einer Klagewelle gegen die Entschädigungsregeln des Staates kommen. Der Handelsverband sieht in dem neuen Rechtsgutachten dafür eine „fundierte Grundlage“. „Da die Lage bei vielen Händlern nach wie vor sehr schwierig ist, rechnen wir mit einer großen Zahl an Klagen“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Genth.

Mehrere Anwaltskanzleien sammeln schon Klienten für Klagen auf Schadensersatz für die massiven wirtschaftlichen Einbußen, die die Händler durch die zwei Shutdowns im Frühjahr 2020 und ab November 2020 erlitten haben und noch erleiden. „Für unsere Pilotklagen auf Entschädigung liegen uns Zusagen von Prozessfinanzierern vor“, sagt Klaus Nieding von Nieding+Barth. Mehrere Hundert Unternehmen hätten sich dieser Aktion bereits angeschlossen.

Mehr: Schnelltests, „Notbremse“, Inzidenzberechnung: Wie die Politik ihre eigenen Corona-Beschlüsse unterläuft

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