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Lockdown-Schäden Nobelpreisträger Stiglitz: „Das reicht bei Weitem nicht“ – Kommt ein zweites Konjunkturpaket?

Internationale Ökonomen üben Kritik an der Coronakrisenpolitik. Unter ihnen ist die Diskussion über einen weiteren Stimulus längst entbrannt. Berlin bremst – noch.
25.02.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Hamburger Hafen: Obwohl das Konjunkturpaket nur bedingt wirkt, zeigt sich die deutsche Wirtschaft bislang erstaunlich robust. Quelle: dpa
Container-Terminal Altenwerder

Hamburger Hafen: Obwohl das Konjunkturpaket nur bedingt wirkt, zeigt sich die deutsche Wirtschaft bislang erstaunlich robust.

(Foto: dpa)

Berlin Für die Statistiker war es nur eine kleine Korrektur, für Peter Altmaier (CDU) aber ein „wichtiges Signal der Zuversicht“. Die deutsche Wirtschaft ist im letzten Quartal des Jahres 2020 etwa stärker gewachsen als zunächst gedacht. Im Vergleich zum Vorquartal legte sie um 0,3 Prozent zu, teilte das Statistische Bundesamt mit. Bisher war es von 0,1 Prozent ausgegangen. Damit fällt der Konjunktureinbruch im vergangenen Jahr mit minus 4,9 Prozent etwas weniger schlimm aus.

Beunruhigender als der Blick zurück ist aber der in die Zukunft. Während sich die Wirtschaft 2020 besser entwickelte hat als befürchtet, könnte sie in diesem Jahr schlechter laufen als erhofft. Die Bundesregierung hat ihre Prognose bereits gesenkt. Der Grund: Der zweite Lockdown zieht sich länger als der erste.

Und ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der Unionsfraktion bereits davon gesprochen, Deutschland stecke in einer „dritten Welle“. Damit drängt sich eine Frage auf: Muss die Bundesregierung ein zweites Konjunkturpaket schnüren? Noch winkt man im Finanz- und Wirtschaftsministerium ab: Die Industrie etwa laufe doch „fast phänomenal gut“, daher erst einmal die Entwicklung abwarten, heißt es dort.

Unter Ökonomen ist die Diskussion über einen weiteren Stimulus aber längst entbrannt. Auch, weil das neue US-Konjunkturprogramm die Anstrengungen der EU im Kampf gegen die Krise zwergenhaft erscheinen lässt. Während US-Präsident Joe Biden 1,9 Billionen Dollar in die Hand nimmt, bekämpfen die EU-Mitgliedstaaten die Pandemie nur mit 420 Milliarden Euro – obwohl die Coronakrise die Wirtschaft in Europa deutlich härter trifft als in den USA.

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz sieht die europäische Rettungspolitik daher skeptisch: „Allein was die Dimension des Wiederaufbaufonds angeht, liegt Europa weit hinter den USA zurück. Das reicht bei Weitem nicht“, sagte Stiglitz dem Handelsblatt. Das werde sich auch in den Wachstumszahlen niederschlagen. „Europa und vor allem auch die starken Volkswirtschaften wie Deutschland müssen mehr tun.“

Zu einem ähnlichen Urteil kommt Oliver Rakau von Oxford Economics: „Setzt man die Defizite ins Verhältnis zur Tiefe des Einbruchs, dann stechen die Konjunkturprogramme nicht hervor, selbst wenn man den EU-Wiederaufbaufonds einrechnet.“ Nur: Europas Staaten sind hochverschuldet. Sollte sich Europa wirklich ein Beispiel an den USA nehmen und sich noch höher verschulden?

Und wie überhaupt, nachdem schon die Schaffung des EU-Wiederaufbaufonds so umstritten war? Diese Frage dürfte auch beim virtuellen Treffen der Finanzminister aus den größten Industrie- und Schwellenländern (G20) an diesem Wochenende diskutiert werden.

Olaf Scholz will keinen verfrühten Sparkurs

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) werde in der Runde deutlich machen, dass er von einem verfrühten Sparkurs wie nach der Finanzkrise nichts hält, heißt es in Berlin. Debatten um ein erneutes Konjunkturprogramm in Deutschland – dem Land mit der größten finanziellen Feuerkraft in Europa – hält Scholz aber ebenfalls für verfrüht.

In der Bundesregierung verweist man auf das erste Corona-Konjunkturpaket von Anfang Juni 2020. Damals brachte die Koalition ein Programm in Höhe von 160 Milliarden Euro auf den Weg. Doch es hat bis heute nicht seine ganze Wirkung entfaltet. Maßnahmen wie die befristete Senkung der Mehrwertsteuer sind zwar mittlerweile ausgelaufen.

Der zweite Lockdown zieht sich länger hin als der erste. Und ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht. Quelle: dpa
Schaufenster in Düsseldorf

Der zweite Lockdown zieht sich länger hin als der erste. Und ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht.

(Foto: dpa)

Aber gerade die Förderprogramme für die Wirtschaft und die Investitionen sind längst nicht alle angekommen. So hatte sich die Bundesregierung im Konjunkturprogramm vorgenommen, Investitionen von zehn Milliarden Euro in das Jahr 2020 vorzuziehen. Wirklich ausgegeben wurden nur 2,2 Milliarden Euro.

Obwohl das Konjunkturpaket nur bedingt wirkt, zeigt sich die deutsche Wirtschaft im zweiten Lockdown bislang erstaunlich robust. Das liegt vor allem an der Industrie. Deren Auftragsbücher haben sich gefüllt, die Produktion steigt ebenfalls wieder spürbar. Hinzu kommt die in der Krise auf fast 17 Prozent gestiegene Sparquote der Bundesbürger, die sich nach Ende der Pandemie in einem kleinen Konsumfeuerwerk entladen dürfte. Weil Deutschland in der Coronakrise dazu noch eines der größten Rettungspakete der Welt aufgelegt hat, sieht die Bundesregierung derzeit keine Notwendigkeit nachzuladen.

Regierung hält sich Optionen offen

Ausschließen wollen Regierungsvertreter jedoch nichts. „Solange es die Coronakrise erforderlich macht, setzt die Bundesregierung auch im Jahr 2021 die Finanzpolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft fort“, schreibt Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn (SPD) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion, die dem Handelsblatt vorliegt. „Im Moment ist alles immer nur eine Momentaufnahme“, sagt ein anderer Regierungsvertreter. „Da wären wir schön blöd, irgendwas auszuschließen.“

Schon in Kürze dürfte zumindest ein Nachtragshaushalt für dieses Jahr mit zusätzlichen Ausgaben auf den Weg gebracht werden. Und 2022 wird die Bundesregierung ein weiteres Mal die Notfalloption der Schuldenbremse ziehen, um sich höher verschulden zu können, wie am Dienstag auch CDU-Chef Armin Laschet in einem Interview einräumte.

Etliche Ökonomen fordern die Bundesregierung aber auf, noch mehr zu tun. „Es sollten zusätzliche Maßnahmen für die Konjunkturerholung aufgelegt werden“, sagt etwa der Wirtschaftsweise Achim Truger. „Mehr finanzielle Unterstützung für die Kommunen, gezielte Transfers zur Konsumstimulierung und deutlicher Ausbau der sozial-ökologischen Investitionskomponente des letzten Konjunkturpakets.“

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Der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger fordert die Bundesregierung auf, sich ein Beispiel an den USA zu nehmen. Dort sind in dem neuen Konjunkturpaket unter anderem Direktzahlungen an Bürger in Höhe von 1400 Dollar (rund 1150 Euro) pro Kopf vorgesehen. Bofingers Idee: Er will steuerfinanzierte Einkaufsgutscheine für jeden Bürger auflegen, sogenannte „Lockup-Voucher“. Diese sollten nur in Betrieben eingelöst werden können, die wegen Corona-Shutdowns schließen mussten, also Restaurants, Fitnessstudios oder Kultureinrichtungen.

Noch drängender als in Deutschland stellt sich die Frage nach weiteren Hilfen jedoch in anderen EU-Staaten. Während Deutschland bislang halbwegs glimpflich durch die Krise kommt, ist in anderen EU-Ländern die Wirtschaft teils doppelt so stark eingebrochen. Genau aus diesem Grund drängen internationale Ökonomen Europa dazu, noch mehr Mittel zur Krisenbekämpfung in die Hand zu nehmen. Die finanzpolitische Reaktion in Europa bleibe „katastrophal hinter den Anforderungen zurück“, sagt etwa Erik Nielsen, Chefökonom von Unicredit.

Doch Länder wie Griechenland und Portugal, aber auch Spanien und Italien haben aufgrund ihrer hohen Verschuldung kaum noch finanziellen Spielraum. Ein gemeinsames europäisches Vorgehen wiederum, etwa eine Aufstockung des EU-Wiederaufbaufonds, ist politisch so gut wie ausgeschlossen, da nicht mehrheitsfähig.

Die Bundesregierung hat ihre Prognose für das laufende Jahr bereits gesenkt. Quelle: dpa
Baukräne in Hamburg

Die Bundesregierung hat ihre Prognose für das laufende Jahr bereits gesenkt.

(Foto: dpa)

In Berliner Regierungskreisen sieht man zudem auch keine Notwendigkeit dafür. Mit dem EU-Wiederaufbaufonds, dem EU-Kurzarbeiterprogramm und mehr Mitteln für die Europäische Investitionsbank stünden erst einmal genug Gelder auf europäischer Ebene zur Krisenbekämpfung bereit. „Das Problem wird eher der geordnete Mittelabfluss sein“, sagt ein Regierungsvertreter.

Doch dass die Mittel sinnvoll eingesetzt werden, daran haben nicht nur Vertreter in Union und FDP, sondern auch Ökonomen Zweifel. Entscheidend sei, dass die gigantischen Summen wenigstens zum Großteil in Infrastruktur und Bildung investiert werden, sagt Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. „Das sehe ich aber leider nicht.“

Mehr: Händler hoffen nach Gespräch mit Laschet auf Öffnungsperspektive in NRW

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  • Diese wenig differenzierte makroökonomische Brille ist nicht hiflreich. Es sollte gesehen werden, dass der Rückgang an produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen verschiedene Ursachen hat. Manche Dienstleistungen werden nach wie vor erbracht, nur nicht mehr im BIP erfasst: wir kochen zu Hause anstatt uns im Restaurant bedienen zu lassen, wir machen Urlaub im Garten anstatt im Hotel, wir schneiden uns gegenseitig zu Hause die Haare. Die Heimarbeit ist aber nicht Bestandteil des BIP. Andere Dienstleistungen werden durch billigere Alternativen ersetzt: Videocall anstatt Präsenzmeeting mit Hotelübernachtung und Anreise. Das sind keine Verschiebungen, die an sich mit einem Konjunkturprogramm bekämpft werden müssen. Sie werden nach Ende des Lockdowns von selbst auf Normalwerte zurückkehren. Es genügt die Anbieter mit Hilfen über Wasser zu halten, damit diese nicht ihre Existenz verlieren und ihre Leistung nach dem Ende des Lockdowns auch wieder anbieten können. Fokus ist hier gefragt, nicht die große Gießkanne.

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