Manuela Schwesig und Franziska Giffey Zwei neue Power-Genossinnen mit Kurs auf die SPD-Spitze

Am Tag nach der Bundestagswahl, den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, stehen auf der Bühne im Willy Brandt Haus und winken mit Blumen: Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der Berliner SPD für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.
Berlin Für Manuela Schwesig war es nach eigenem Bekunden ein „bewegender Moment“, als sie am Montagmorgen in der Berliner SPD-Parteizentrale den obligatorischen Blumenstrauß nach der Wahl in Empfang nahm. Mit tränenerstickter Stimme erinnerte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern daran, dass sie vor zwei Jahren zum letzten Mal im Willy-Brandt-Haus gewesen sei, als sie ihren kommissarischen Parteivorsitz wegen ihrer Krebserkrankung habe niederlegen müssen. „Das war ein schwerer Gang“, erklärte die Sozialdemokratin und fügte hinzu: „Ich bin sehr froh, dass ich heute wieder hier sein darf und dass ich den Wahlsieg aus dem Nordosten mitgebracht habe.“
Tatsächlich errang die 47-Jährige bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern einen sehr deutlichen Sieg. Ihre SPD kam auf 39,6 Prozent der Stimmen und hat damit fast so viele Mandate errungen wie AfD und CDU zusammen. Schwesig kann sich nun unter den im Landtag vertretenen Parteien den Partner für eine künftige Koalition aussuchen.
Ebenfalls auf der Bühne im Willy-Brandt-Haus stand die andere starke Frau der SPD: Franziska Giffey, die nun Berlins erste Regierende Bürgermeisterin wird. Die 43-Jährige hatte am Wahlabend starke Nerven beweisen müssen, nachdem die Sozialdemokraten in der ersten ARD-Prognose noch hinter den Grünen gelegen hatten. Doch am Ende erreichte die SPD 21,4 Prozent der Stimmen.
Damit fuhr sie zwar ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 ein, lag aber doch vor den Grünen mit 18,9 Prozent. „Wir wollen gerne so viel SPD-Programm wie möglich hinbekommen in den Koalitionsverhandlungen“, sagte Giffey, die im Mai als Bundesfamilienministerin wegen anhaltender Plagiatsvorwürfe gegen ihre Doktorarbeit zurückgetreten war.
Mittlerweile hat die Freie Universität Berlin ihr den Doktorgrad wegen „Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung“ entzogen. Die Berliner Wähler interessierte das aber offenbar kaum.
Und so stehen Giffey und Schwesig nun als die Power-Genossinnen im Fokus. Schwesig ist nach ihrer Krebserkrankung wieder fit. In ihrer Rolle als Landesmutter fühlt sie sichtlich wohl. Mit ihrem Wahlkampf-Slogan „Die Frau für MV“ hat sie die Wähler an der Küste für sich eingenommen.
Vor allem beim Corona-Krisenmanagement erlangte die Diplom-Finanzwirtin zuletzt auch wieder bundesweit Aufmerksamkeit. Einige Vorstöße waren zwar umstritten, etwa ihre Idee, Mecklenburg-Vorpommern für Familien abzuriegeln, die in dem Bundesland Urlaub machen wollten. Aber insgesamt konnte sie den Eindruck vermitteln, in Schwerin sitze jemand, der der Kanzlerin in der Pandemie Paroli bot.
Schwesig drehte ihr Image um 180 Grad
Damit gelang Schwesig das in der Politik fast unmögliche Kunststück, ihr Image um 180 Grad zu drehen. Vor zehn Jahren verspottete CDU-Politiker Lorenz Caffier sie noch als „Küstenbarbie“. Ähnliche Andeutungen musste sie sich sogar von ihrer eigenen Partei gefallen lassen. Caffier war später ihr Innenminister und musste 2020 sein Amt abgeben, nachdem er eine Waffe von einem Händler gekauft hatte, der Mitglied der rechtsextremen Gruppe Nordkreuz war.

Rückkehr ins Willy-Brandt-Haus als triumphale Siegerin.
Heute spricht man in der CDU in Mecklenburg-Vorpommern ehrfurchtsvoll von der „Eiskönigin“. Und in ihrer eigenen Partei wird Schwesig inzwischen als „letzter Kerl der SPD“ bezeichnet.
Letztlich legte Schwesig einen raschen parteiinternen Aufstieg hin. Sie war jüngste Landesministerin Deutschlands, was sie sogleich als Signal an die junge Generation vermarktete. Schließlich wurde sie 2013 Bundesfamilienministerin. Der Partnerschaftsbonus beim Elterngeld, das Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten und das Entgelttransparenzgesetz stammen aus dieser Zeit.
2017 kehrte Schwesig nach Mecklenburg-Vorpommern zurück, um von Ministerpräsident Sellering das Amt zu übernehmen, der sich krankheitsbedingt zurückzog. Zuletzt geriet die in Frankfurt an der Oder geborene Ministerpräsidentin wegen der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 unter Druck. Das Vorhaben wird als „klimapolitischer Sündenfall“ und Milliardengrab harsch kritisiert.
Schwesig gab sich indes unbeirrt und betonte stets, hinter dem Gasprojekt zu stehen, das für die Energieversorgung Deutschlands und auch für Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern wichtig sei. Doch nicht alle sehen ihre Dominanz nur positiv. Schwesig dulde niemandem neben sich, halte andere in der Partei klein, so ist zu hören.
Giffey verpasst ihren Vorhaben eingängige Titel
Franziska Giffey kann nun ins Rote Rathaus einziehen. In der Hauptstadt profitierte sie von ihrer Bekanntheit als frühere Bundesministerin und Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln. Viele verbinden mit ihr eine direkte und unkomplizierte Art. So bestand sie stets darauf, ihren Vorhaben eingängige Titel zu verpassen, etwa „Gute-Kita-Gesetz“ oder „Starke-Familien-Gesetz“.

Im Wahlkampf grenzte sich die Verwaltungswirtin klar vom bisherigen rot-rot-grünen Senat ab.
Im Wahlkampf grenzte sich die Diplom-Verwaltungswirtin klar vom bisherigen rot-rot-grünen Senat ab – und damit auch von ihrem Parteifreund, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Der politische Gegner bezeichnete ihr Gebaren gar als „CDU pur“. Sie bekräftigte stets, wie wichtig ihr die Wirtschaft sei, den Ausbau von Stadtautobahnen will sie vorantreiben und Enteignungen erklärte sie zur „roten Linie“.
Daran hielt Giffey auch am Montag nach der Wahl fest. Denn die Berliner hatten bei einem Volksentscheid am Sonntag zu 56 Prozent dafür gestimmt, den Senat aufzufordern, alle Maßnahmen einzuleiten, die für die Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind. Giffey zeigte sich zurückhaltend: Der Volksentscheid sei zwar zu respektieren, doch „wenn das nicht verfassungskonform ist, dann können wir das auch nicht machen”.
Schon 2019 logische Kandidatinnen für den Parteivorsitz
Mit ihren Wahlsiegen dürften sich Schwesig und Giffey nun auch für höhere Aufgaben ins Gespräch gebracht haben. Beide waren schon 2019 die eigentlich logischen Kandidatinnen für den Parteivorsitz der Bundes-SPD. Doch bei Schwesig kam die Krebserkrankung dazwischen. Giffey machte die Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit zu schaffen. Das könnte sie als erste Berliner Bürgermeisterin nun versuchen, vergessen zu machen.
In der SPD wird deshalb längst orakelt, eine der beiden könnte den Parteivorsitz übernehmen, sollte Parteichefin Saskia Esken Bundesministerin werden, was nicht wenige in der Partei hoffen. Das erste Zugriffsrecht hätte in diesem Fall wohl Schwesig. Doch auch Giffey zählt nach dem Wahlsieg zur ersten Führungsreserve der SPD hinter Scholz.
Mehr: Manuela Schwesig hat gleich mehrere Koalitionsmöglichkeiten für ihre nächste Regierung.
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