Marktzugang Scholz macht sich in China für deutsche Banken und Versicherer stark
Peking Das Hauptquartier der Kommunistischen Partei Chinas empfängt seine Gäste im weitläufigen Eingangsbereich mit goldenen Schriftzeichen: „Frieden, Entwicklung, Kooperation, Win-win“ steht in geschwungenen Lettern an der Marmorwand geschrieben.
Gute Grundsätze, die in Zeiten des Neo-Protektionismus von immer weniger Ländern gelebt werden. Besonders die USA, einst Mutterland des Freihandels, überziehen Deutschland und China mit immer neuen Zolldrohungen. An die Stelle des „Win-win“ ist „America first“ getreten.
Das hat dazu geführt, dass die Bundesrepublik, aber auch die Volksrepublik China, in den Augen vieler zu den letzten Bastionen des Freihandels und des Multilateralismus geworden sind.
Beim deutsch-chinesischen Finanzdialog am Donnerstag und Freitag in Peking trifft Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) deshalb auf einen Partner, der ähnlich denkt wie er, und der ihn deshalb mit offenen Armen empfängt.
„Unsere Beziehungen sind robust“, sagte der Minister für internationale Angelegenheiten und Zentralkomitee-Mitglied Song Tao bei seinem Treffen mit Scholz. Und beide Seiten wollen diese Beziehungen nun noch vertiefen.
Auf Scholz‘ Agenda stehen drei Abkommen
Scholz will an diesem Freitag drei Abkommen mit China unterzeichnen, durch die deutsche Banken und Versicherer besseren Zugang auf den chinesischen Finanzmarkt erhalten sollen.
Ein Abkommen zwischen der chinesischen Banken- und Versicherungsaufsicht und der deutschen Aufsichtsbehörde Bafin dreht sich um Aufsichts- und Regulierungsfragen. So sollen etwa Eigenkapitalanforderungen keine Hürde mehr für die Gründung von Niederlassungen darstellen.
Ein weiteres Abkommen soll deutschen Konzernen den Handel mit chinesischen Wertpapieren erleichtern. Darüber hinaus soll auch die Bundesbank einen Kooperationsvertrag mit der chinesischen Seite unterzeichnen.
Stück für Stück soll so der bislang stark abgeschottete chinesische Finanzmarkt geöffnet werden. „Die Abkommen sollen es ermöglichen, dass deutsche Finanzunternehmen in China wettbewerbsfähig sind und umgekehrt chinesische Institute in Deutschland“, sagte Scholz.
Bislang dürfen nur gut ein Dutzend ausländische Finanzunternehmen in der Volksrepublik Tochterunternehmen gründen. China hatte zuletzt jedoch bekräftigt, die Wirtschaft für ausländische Investoren weiter zu öffnen.
Der Zeitpunkt des Besuchs ist günstig
Deutschland will dabei sein, und die Chancen stehen gut: Der Handelsstreit zwischen China und den USA öffne Deutschland neue Türen, hieß es in Delegationskreisen. Hinzu komme der Brexit, durch den sich die Chance biete, den Finanzplatz Frankfurt global aufzuwerten. Der Zeitpunkt des Besuchs sei deshalb gut gewählt.
Bereits im Vorfeld des Finanzdialogs hatte das Bundesfinanzministerium erreicht, dass der deutsche Versicherungskonzern Allianz von den chinesischen Behörden mehr Handlungsspielraum erhält. Als erster ausländischer Versicherer darf der Münchener Branchenriese in China eine Holding gründen, an der kein einheimisches Unternehmen beteiligt ist, wie der Konzern im vergangenen November bekanntgegeben hatte.
Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte sprach von einem „signifikanten Meilenstein“. Er gehe davon aus, dass Europas größter Versicherer den China-Ableger im Laufe des Jahres 2019 aufbauen werde. Die Allianz werde von der Liberalisierung und der Entwicklung des Marktes profitieren, der in den nächsten zehn Jahren um rund 14 Prozent pro Jahr wachsen soll.
Fortschritte wie dieser sollen aus Sicht von Scholz Signalwirkung über das deutsch-chinesische Verhältnis hinaus haben: Auch in Zeiten wie diesen macht es Sinn, dass Staaten ihre Zusammenarbeit ausbauten.
Scholz spricht Chinas Kreditgeber-Rolle an
Scholz will auf seiner Reise aber nicht nur den Türöffner für deutsche Banken und Versicherungen spielen, sondern spricht auch andere Themen wie die fragwürdige Rolle Chinas als internationaler Kreditgeber an. Die Volksrepublik hat Entwicklungs- und Schwellenländern in den vergangenen Jahren immense Summen geliehen. Wie viel genau, ist jedoch unklar. So unklar wie oftmals die Bedingungen, zu denen China die Kredite vergibt.
Experten fürchten, einige Entwicklungsländer könnten unter der Schuldenlast chinesischer Kredite zusammenbrechen und eine neue Finanzkrise auslösen – oder gezwungen sein, kritische Infrastruktur an Peking abzutreten, um ihre Verbindlichkeiten begleichen zu können. Unbestätigten Berichten zufolge soll etwa Sambia in Kreditverträgen mit China den staatlichen Stromversorger Zesco als Sicherheit eingesetzt haben.
Als weiteres warnendes Beispiel gilt Sri Lanka. Das Land hat gerade für einen Schuldenausgleich einen neuen Hafen für 99 Jahre komplett an China übertragen. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sagte, dieses Beispiel zeige die Gefahren auf, die eine zu enge Abhängigkeit von China berge.
Auch den Bundesfinanzminister treibt das Thema um. Auf einer Podiumsdiskussion an der Renmin-Universität unterstrich Scholz, wie wichtig Transparenz bei der Kreditvergabe sei. Scholz hält deshalb einen stärkeren Austausch zwischen China und dem Pariser Club für sinnvoll. Der Pariser Club ist ein informelles Gremium, das über Umschuldungen oder Schuldenerlässe für pleitebedrohte Länder berät.
China ist bislang nicht Mitglied des Clubs und fühlt sich nicht an dessen Schulden- und Kreditregeln gebunden. Scholz wünscht sich, dass China dem Club beitritt.
Doch auch wenn Scholz damit ein kritisches Thema anspricht, für Missstimmung sorgt er damit auf seiner Reise nicht. Dafür sind Deutschland und China aktuell zu sehr auf Harmonie bedacht. Ganze Autobahnen werden für Scholz abgesperrt, damit er reibungslos durch das Pekinger Verkehrschaos kommt.
Und als Scholz am Donnerstagnachmittag auf dem Campus der Renmin-Universität vorfährt, ist quer über dem Eingang eine mehrere Meter lange rote Banderole angebracht: „Ein warmes Willkommen für den deutschen Vizekanzler an der Renmin-Universität“ steht darauf. So freundlich wird Scholz in der Heimat von Juso-Hochschulgruppen eher nicht empfangen.
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