Maskenaffäre SPD-Chef nimmt Merkel in die Pflicht – Baden-Württembergs CDU-Chefin fordert Kandidatur-Rückzug von Abgeordnetem

Der SPD-Chef nimmt die Kanzlerin und den Gesundheitsminister bei der Maskenaffäre in die Pflicht.
Berlin SPD-Chef Norbert Walter-Borjans nimmt bei der Aufklärung zu den Berichten über Unions-Abgeordnete, die an der Maskenbeschaffung mitverdient haben sollen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn in die Pflicht.
„Jeder Anschein von Vetternwirtschaft ist Gift für das so notwendige Vertrauen der großen Mehrheit in die politische Führung. Deshalb müssen die Ungereimtheiten bei der Maskenbeschaffung restlos aufgeklärt werden“, sagte Walter-Borjans dem Sender RTL am Samstag. „Da stehen der Bundesgesundheitsminister, aber auch die Bundeskanzlerin in der Verantwortung“, fügt der SPD-Co-Vorsitzende hinzu.
Auch die Grünen fordern von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet Konsequenzen aus den Geschäften der Unionspolitiker. „Die Korruptions- oder Bestechungsskandale in der CDU/CSU zeigen eine Selbstbedienungsmentalität“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der Nachrichtenagentur Reuters am Samstag.
„Raffgierige Unionspolitiker bedienen sich auf Kosten der Steuerzahler, missbrauchen ihr politisches Mandat, um sich in die eigene Tasche zu wirtschaften“, sagte Kellner. „Söder und Laschet müssen sich jetzt äußern, die Aufklärung vorantreiben und konsequent dafür sorgen, dass Abgeordnete, die ihr Amt missbraucht haben, nicht wieder in den Bundestag zurückkehren.“ Es reiche nicht, dass der CSU-Politiker Georg Nüßlein gehe: „Alle müssen Verantwortung übernehmen.“
Am Freitag hatten der Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ebenfalls scharfe Kritik an Unions-Bundestagsabgeordneten geäußert, die in diese Vorfälle verwickelt sein sollen. Solch ein Verhalten entspreche nicht den Standards der CDU/CSU, schade dem Ansehen der Politik insgesamt und sei nicht zu akzeptieren.
Eisenmann ruft Löbel zur Kandidatur-Rücknahme auf
Nikolas Löbel, seit 2017 im Bundestag, hatte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bestätigt, Provisionen in Höhe von 250.000 Euro bei Maskenbestellungen kassiert zu haben.
Die Spitzenkandidatin der CDU Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, rief Löbel nun dazu auf, seine Kandidatur für den nächsten Bundestag so schnell wie möglich zurückzuziehen. „Es ist inakzeptabel, wenn sich Parlamentarier in dieser schweren Krise mit der Maskenbeschaffung bereichern“, sagte Eisenmann dem „Spiegel“. Das erschüttere das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Sie erwarte, dass der Betroffene den Sachverhalt aufklärt und die nötigen Konsequenzen darauf zieht.
Löbel hatte in diesem Zusammenhang bereits Fehler eingeräumt. „Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen“, teilte er am Freitag auf Anfrage mit. „Diesen Fehler mache ich mir selbst zum Vorwurf.“ Am Freitag hatte Löbel angekündigt, seine Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuss niederzulegen.
Am Sonntagvormittag will sich nach Informationen des „Mannheimer Morgens“ der Vorstand des CDU-Kreisverbands Mannheim mit der Angelegenheit beschäftigen. Löbel als Vorsitzender werde daran teilnehmen, schreibt das Blatt. „Die aktuelle Situation erschüttert die CDU Mannheim sehr“, zitiert es den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, Claudius Kranz. Sie werde in den Gremien „offen und klar besprochen“. Anschließend würden die Entscheidungen bekannt gegeben.
Nach seiner eigenen Darstellung hatte die Firma des Mannheimer Parlamentariers Provisionen in Höhe von rund 250.000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Es habe sich hierbei um eine „nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung“ für die Projektmanagement-GmbH gehandelt, teilte Löbel mit. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines Mandates.
Laut „Spiegel“ könnten sich fast zwei Dutzend Abgeordnete in das Geschäft mit Masken eingeschaltet haben, sei es durch das Werben für Lieferanten beim Bund oder durch den Einsatz dafür, dass die Unternehmen ihr Geld bekommen. Mit Ausnahme von Löbel haben demnach aber alle Politiker bestritten, Provisionen oder andere Gegenleistungen erhalten zu haben.
Nüßlein legt Amt als Vize-Fraktionsvorsitzender nieder
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein hatte am Freitag, rund eine Woche nach Beginn der Korruptionsermittlungen gegen ihn, von seinem Anwalt verkünden lassen, dass er bei der Bundestagswahl im September nicht erneut kandidieren werde.
Außerdem legt Nüßlein sein Amt als Vize-Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag endgültig nieder. Bereits vor einer Woche hatte er das Amt zunächst ruhen lassen. Trotz dieser Schritte wies der Rechtsanwalt des Abgeordneten erneut alle Vorwürfe zurück. CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte Nüßleins Schritt eine „absolut notwendige und folgerichtige Entscheidung“.
Nüßlein sagte, dass die Untersuchung der Münchner Generalstaatsanwaltschaft für seine Familie und die Christsozialen „eine ganz erhebliche Belastung“ darstelle. „Aufgrund des komplexen Sachverhalts mit Auslandsbezug rechne ich nicht damit, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen abgeschlossen sind“, begründete er den Verzicht auf eine erneute Kandidatur.

Der Bundestag hatte die Immunität des CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein aufgehoben.
Gegen den Parlamentarier wird unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern im Zusammenhang mit dem Ankauf von Corona-Atemschutzmasken ermittelt. Die Ermittler hatten deswegen in der vergangenen Woche 13 Objekte in Deutschland und in Liechtenstein durchsuchen lassen.
Auch Nüßleins Büro im Bundestag sowie sein Wahlkreisbüro im schwäbischen Günzburg wurden durchsucht. Neben Nüßlein gibt es einen zweiten Beschuldigten. Um wen es dabei geht, wurde von der Generalstaatsanwaltschaft bislang aber nicht gesagt.
Nüßlein war laut seinem Anwalt an der Bestellung von FFP2-Masken durch öffentliche Stellen beteiligt
Mittlerweile wurde bekannt, dass es um Bestellungen unter anderem des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin und des bayerischen Gesundheitsministeriums geht. Der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter hat erklärt, dass er in diesem Zusammenhang als Rechtsanwalt einen Vertrag für ein Maskengeschäft mit dem Ministerium in München erstellt habe. Sauter sitzt im bayerischen Landtag und ist CSU-Kreisvorsitzender in Nüßleins Heimatlandkreis Günzburg.
Nach Angaben von Nüßleins Anwalt war der Politiker über ein eigenes Beratungsunternehmen vor knapp einem Jahr an der Bestellung von FFP2-Masken durch öffentliche Stellen beteiligt. Nüßlein habe „mehrfach Kontakte zwischen den Beschaffungsstellen des Bundes und potenziellen Auftragnehmern“ hergestellt.
„Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten“, sagte Rechtsanwalt Gero Himmelsbach. Hierfür habe das Beratungsunternehmen von Nüßlein eine Vergütung erhalten.
Der Abgeordnete sei aber nicht an Entscheidungen zur Beauftragung von Lieferungen oder an Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen. Ebenso wenig hätten die Vorgänge die parlamentarische Tätigkeit berührt. „Die Vorwürfe der Bestechung werden deshalb entschieden zurückgewiesen“, betonte Himmelsbach.
Auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung wies der Anwalt zurück. Berichte, wonach die Einnahmen nicht als Einkommen versteuert worden seien, seien falsch. „Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht vielmehr dahin, dass keine Umsatzsteuer deklariert worden sei“, erläuterte der Anwalt. Eine Umsatzsteuer, auch als Mehrwertsteuer bekannt, sei aber nicht berechnet oder eingenommen worden. Der Steuerberater Nüßleins habe bestätigt, dass die Vermittlungstätigkeit umsatzsteuerfrei gewesen sei.
Mehr: Razzia bei CSU-Vizefraktionschef: Gegen Nüßlein wird wegen Bestechlichkeit ermittelt.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.