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Max-Weber-Preis Was Grünen-Chef Robert Habeck am Kapitalismus auszusetzen hat

Der Grünen-Politiker setzt auf Marktwirtschaft, aber sozial-ökologisch müsste sie sein. Seine Vorstellungen skizziert er beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
03.03.2021 - 19:32 Uhr Kommentieren
Für den Grünen-Chef ist es jetzt an der Zeit, die Soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu entwickeln. Quelle: dpa
Robert Habeck

Für den Grünen-Chef ist es jetzt an der Zeit, die Soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu entwickeln.

(Foto: dpa)

Berlin Den Grünen wird gern ein angespanntes Verhältnis zur Marktwirtschaft vorgeworfen. Auch deswegen nutzt Parteichef Robert Habeck jede Möglichkeit, sich zur Marktwirtschaft zu bekennen – auch wenn diese starke staatliche Leitplanken haben sollte.

Jetzt ergriff er beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln die Gelegenheit, seine Vorstellungen einer geeigneten Wirtschaftsordnung zu skizzieren. Das IW vergibt jährlich den Max-Weber-Preis zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Arbeiten; Habeck hielt an diesem Mittwoch die Festrede.

Ein ganzes Wochenende lang habe er sich mit dem Vordenker und seiner Bedeutung heute beschäftigt, erzählt der 51-Jährige in seiner zuvor aufgezeichneten Rede, vor einer mächtigen Bücherwand stehend, die allerdings nicht die eigene ist.

Natürlich hat Habeck, der nicht nur Grünen-Vorsitzender und möglicher Kanzlerkandidat der Ökopartei ist, sondern auch studierter Philosoph, zumindest ein Werk Max Webers im heimischen Bücherregal stehen, eines, in dem sich der Soziologe und Ökonom mit den Grundlagen und Voraussetzungen des modernen Kapitalismus auseinandersetzt: „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, „ein Reclam-Band, zerlesen und zerknickt“, wie Habeck es ausdrückt.

Er berichtet von seiner eigenen Auseinandersetzung mit Max Weber – und der Notwendigkeit eines Weiterdenkens: „Sosehr uns der Kapitalismus unfassbare Erfolge beschert hat, Wohlstand, Bildung, Gesundheit, Nahrung in Mengen, so sehr drohen uns gerade die Bedingungen für seinen Erfolg über den Kopf zu wachsen“, sagt der Grünen-Parteichef.

Sie ist zu hören, die grüne Skepsis, obwohl die Partei ja längst ihren Frieden mit der Wirtschaft gemacht hat – und mehr: die Wirtschaft überwiegend Frieden mit den Grünen.

Das Gute und das Schlechte im Kapitalismus

Kern des Kapitalismus sei die permanente Notwendigkeit zu wachsen, und daran hat Habeck einiges auszusetzen. Ein Wirtschaftssystem, das auf Wachstum ausgerichtet ist, befriedige nicht nur Bedürfnisse, es schaffe stets neue.

„Wir wussten nicht, dass wir Handys brauchten, bis sie da waren“, sagt Habeck. „Kaum jemand wollte Urlaub in Thailand oder Australien machen, bis es möglich war. Niemand dachte daran, für 30 Euro nach Lissabon zu fliegen, bis das Angebot geschaffen war. Und die meisten Menschen essen nicht so viel Fleisch, weil sie es brauchen, um ihren Eiweißbedarf zu decken, sondern weil es da ist und billig angeboten wird.“

Habeck sieht im Kapitalismus Gutes wie Schlechtes: Die Arbeitsbedingungen hätten sich verbessert, es entstanden Freiheiten und Wohlstand – aber auch Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Märkte tendierten zu Monopolen und damit zur Zerstörung der Marktmechanismen, die sie hervorgebracht hätten.

Konkurrenzdruck führe zu Lohndruck und damit immer wieder zu einer Entkoppelung von Produktivität und Kaufkraft, was wiederum zu künstlicher Stimulation und zu Spekulation führe, die dann in Börsencrashs endeten. „Und schließlich führt immerwährendes Wachstum zur rücksichtslosen Ausbeutung der Erde, denn es braucht immer mehr Rohstoffe, um den Energiebedarf zu befriedigen.“

Habeck wendet sich ausdrücklich nicht gegen einen „Geist des Kapitalismus“. Es sei aber jetzt an der Zeit, die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu entwickeln. „Wir, die heutige Generation und vor allem wir in den reichen Ländern der nordwestlichen Hemisphäre, verbrauchen mehr, als wir haben“, so Habeck.

Die ökologischen Kosten unserer Wirtschaftsweise seien längst nicht mehr tragbar. „Sie funktioniert nur noch, weil wir uns über die Konsequenzen selbst täuschen, weil wir nicht hinsehen und verdrängen.“

Ruf nach einer vorausschauenderen Politik

Dabei könnten Entwicklungen, neue Produktionsverfahren und neue Technik sehr wohl Teil der Rettung des Planeten sein. „Seit 1990 sind die CO2-Emissionen der EU um 23 Prozent gesunken – nicht genug, ja, aber sie sind gesunken, während das Bruttoinlandsprodukt um satte 61 Prozent gestiegen ist. Insofern ist es möglich, Wachstum und Energieverbrauch zu entkoppeln.“

Die Politik der vergangenen Jahre kritisiert Habeck dennoch. Eine Politik, die ihre Aufgabe darin sehe, nur Fehlentwicklungen des Marktes zu reparieren, reiche nicht aus. „Wenn man darüber nachdenkt, war das nie der schlaueste Gedanke. Müssen wir wirklich immer warten, bis uns die Probleme über den Kopf wachsen und die Dinge zusammenbrechen?“, fragt Habeck, der zusammen mit Co-Chefin Annalena Baerbock seit Monaten ein „vorausschauenderes Handeln“ einfordert. „Märkte sind nicht einfach da und der Staat steht ihnen gegenüber. Märkte sind das Resultat von Regeln. Und nichts spricht dagegen, dass die Regeln anders gesetzt werden können.“

Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf will die ehemalige Protestpartei gegen die Union um Platz eins kämpfen – und sie hat hehre Pläne für danach. „Dass staatliches Handeln sich auf die großen Ziele konzentriert – eine klimaneutrale Wirtschaft, plastikfreie Meere, Überwindung von Hunger, Sieg über die Pandemie – und ausgehend von solchen Zielen die Märkte, die Forschung und Entwicklung, Technologie und Erfindungsgeist zeigen, was sie können: Das wäre großes Regieren.“

Mehr: Wie die Grünen zur Wirtschaftspartei werden wollen

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