Mehr Gründerinnen Die Start-up-Szene will kein Herrenklub mehr sein

Fünf von sechs Gründern in Deutschland sind Männer.
Berlin, Düsseldorf Deutschlands Start-up-Szene ist bislang ein Herrenklub. Fünf von sechs Gründern sind Männer, rein von Männern gegründete Unternehmen erhielten zuletzt mehr als 90 Prozent der gesamten Risikofinanzierung in Europa.
Der geringe Anteil von Frauen wird seit Langem in der Szene diskutiert – er mag nicht so recht zum modernen Selbstbild passen. Hinzu kommt, dass Studien wie jener der Boston Consulting Group vorrechnen, dass Start-ups mit Frauen im Gründerteam im Durchschnitt deutlich höhere Renditen für die Investoren erwirtschaften. Geändert hat sich in den vergangenen Jahren aber wenig.
Nun formiert sich ein Bündnis, das Gründerinnen das Leben erleichtern will. Der Bundesverband Deutsche Startups und der Digitalverband Bitkom stellen am Dienstag eine gemeinsame Diversity-Initiative vor, die zum Start etliche Gründer und Risikokapitalgeber mittragen. Das Ziel sei „eine langfristige Veränderung im Start-up-Ökosystem – hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität insgesamt“, sagt Christian Miele, Präsident des Startup-Verbands.
Zu den starken Treiberinnen des Themas zählt auch seine Stellvertreterin, die Investorin Gesa Miczaika. „Deutschland braucht mehr Gründerinnen. Die größten Herausforderungen für Gründerinnen in Deutschland sind heute der Zugang zu Kapital und zu Netzwerken“, sagt sie. Aufgrund einer kognitiven Voreingenommenheit wirke es sich negativ für sie aus, wenn nur fünf Prozent der Entscheiderinnen im europäischen Wagniskapitalgeschäft Frauen seien.
Miczaika gehört ebenso zu den Erstunterzeichnern wie die Gründerin und Digitalbildungsexpertin Verena Pausder und Christopher Kränzler, Gründer des Übersetzungs-Start-ups Lengoo und Mitglied im Bitkom-Hauptvorstand. „Wenn mehr Frauen zu Gründerinnen werden, gibt es noch mehr gute Geschäftsideen“, sagt er.
Er erhofft sich mehr Vielfalt in der Gründerszene, von der auch sein eigenes Machine-Learning-Unternehmen profitieren würde. „Als Techunternehmen ist es für uns von zentraler Bedeutung, alle Nutzer zu verstehen und ihre Interessen auch in strategischen Entscheidungen, wie Pricing oder der Entwicklung zusätzlicher Features, zu berücksichtigen.“
Diversity: Einige Fonds machen schon mit
Die Initiatoren setzen vor allem auf Freiwilligkeit. Die Venture-Capital-Fonds, die sich der Initiative anschließen, sollen sich aber selbst zu mehr Transparenz verpflichten: Sie sollen öffentlich berichten, wie hoch der Anteil von Frauen in ihrem eigenen Investmentteam ist und wie viel Prozent der Unternehmen in ihrem Portfolio Frauen im Gründerteam haben.
Dadurch, so die Hoffnung, würden die Fonds-Mitarbeiter stärker für das Problem sensibilisiert. „Ich hoffe, dass wir durch mehr Transparenz zumindest mal einen Schritt vorankommen“, sagt Lisa Gradow, die über ihre Beteiligungsgesellschaft Lioncorn Capital selbst in sechs Start-ups investiert ist, zwei davon wurden von Frauen gegründet und geführt. Wagniskapitalgeber gelobten zwar immer wieder Besserung, sollten jetzt aber auch bereit sein, sich den Spiegel vorzuhalten. Die Verbände wollen die Zahlen regelmäßig zusammentragen und veröffentlichen.
Einige Wagniskapitalgeber haben sich der Initiative bereits angeschlossen: Darunter IBB Ventures, eine Tochter der Investitionsbank Berlin, die gemessen an der Anzahl der Investitionen im vergangenen Jahr zu den wichtigsten Wagniskapitalgebern Deutschlands zählt und die ebenfalls sehr aktive Wagniskapitalfirma des Münchener Gründerzentrums UnternehmerTUM, UVC Partners.
Auch die Bahn-Tochter DB Ventures, der Berliner Frühphasen-Finanzierer Westtech und die Risikokapitalfirma e.ventures, bei der Start-up-Verbandspräsident Miele Partner ist, schließen sich dem Transparenzkodex an.
Einen Schritt weiter gehen sollen öffentliche Geldgeber: Institutionen wie KfW Capital, der European Investment Fund (EIF) oder der Hightech-Gründerfonds sollen mindestens 30 Prozent der leitenden Positionen mit Frauen besetzen.
Daneben schlagen sie einen neuen Fonds vor, der langfristig von Frauen gegründete Unternehmen finanziert. Andere Fördertöpfe wie das Exist-Gründerstipendium sollten eine Gründerinnenquote einführen, fordern die Initiatoren. Öffentliche Investoren sollten „mit gutem Beispiel vorangehen – ebenfalls bereits allein aus Renditeüberlegungen“, heißt es in dem Aufruf.
Bereits etablierte Start-ups wollen die Initiatoren ebenfalls stärker in die Pflicht nehmen. Besonders größere Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern sollen gezielt Mitarbeiterinnen coachen und fördern, damit mehr Frauen in Managementpositionen aufsteigen. Start-up-Verband und Bitkom wollen die Fortschritte künftig einmal im Jahr abfragen.
Wirtschaftsministerium erarbeitet Konzept
Daneben fordern die Unterzeichner, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. So sollten Informatik und Unternehmertum bereits in der Schule und an Hochschulen gelehrt werden.
Nötig sei auch eine Reform von Mutterschutz und Elterngeld, um besser die Bedürfnisse selbstständiger Frauen zu berücksichtigen. Schließlich fordern die Initiatoren eine groß angelegte Informationskampagne, für die erfolgreiche Gründerinnen als Vorbilder dienen sollen.
Die Förderung von Gründerinnen ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Die Grünen etwa haben bereits einen Maßnahmenkatalog erstellt. Auch der Beirat Junge Digitale Wirtschaft beim Bundeswirtschaftsministerium hatte unlängst in einem Positionspapier zusammengetragen, was sich aus seiner Sicht ändern muss.
Das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einem eigenen Konzept. Das Ministerium hatte im vergangenen Herbst über eine Social-Media-Kampagne Gründerinnen und Investorinnen gebeten, ihre Wünsche an die Politik zu formulieren. „Viele haben uns ihre Ideen geschickt, einige davon sind Anregung für uns als Regierung“, sagt Thomas Jarzombek, Beauftragter des Wirtschaftsministeriums für die Digitalwirtschaft und Start-ups.
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