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Meldeportal Steuerbetrug Was Baden-Württemberg mit dem Meldeportal für Steuerbetrug erreichen kann – und was nicht

Die Online-Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern sorgt für Streit. Der Nutzen, die Grenzen und Risiken des Meldeportals im Überblick.
02.09.2021 - 17:45 Uhr 1 Kommentar
Baden-Württembergs Finanzminister hat sich als Aufklärer im Wirecard-Skandal einen Namen gemacht. Quelle: imago images/Jürgen Heinrich
Danyal Bayaz

Baden-Württembergs Finanzminister hat sich als Aufklärer im Wirecard-Skandal einen Namen gemacht.

(Foto: imago images/Jürgen Heinrich)

Berlin Mit deutlicher Kritik hat der frühere Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), Rudolf Mellinghoff, auf den Vorstoß einer Online-Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern reagiert. „Ich halte ein solches Meldeportal für Steuerbetrug für rechtsstaatlich bedenklich, sei es auf Länder- oder auf Bundesebene“, sagte Mellinghoff dem Handelsblatt.

„Natürlich muss der Staat aufpassen, dass er nicht über das Ohr gehauen wird.“ Es sei auch richtig, dass es den automatischen Informationsaustausch über Kapitalkonten gebe. „Es ist aber deutlich etwas anderes, wenn ein solches Portal dazu einlädt zu denunzieren.“

Laut Mellinghoff wird hierzulande „ein Klima des Misstrauens“ hervorgerufen: „Das ist dem gedeihlichen Miteinander von Staat und Gesellschaft fremd.“

Baden-Württemberg hat bundesweit die erste Online-Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern gestartet. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock lobte das Angebot und erklärte, sie könne es sich auch bundesweit vorstellen: „Die nächste Bundesregierung sollte das auch einführen.“

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick

Wie viel Geld entgeht dem Fiskus durch Steuerhinterziehung?
In Deutschland werden schätzungsweise jährlich Steuern im Umfang von rund 50 Milliarden Euro hinterzogen. In Baden-Württemberg nahm der Fiskus durch die Arbeit der Steuerfahnder 2020 knapp 251 Millionen Euro zusätzlich ein. Bundesweit waren es 3,2 Milliarden Euro.

Warum wurde die Meldeplattform eingerichtet?
Das Portal ist eine zusätzliche Möglichkeit, um Steuervergehen zu melden. Denn anonyme Hinweise können auch heute schon mitgeteilt werden – jedoch nur persönlich, per Brief, E-Mail oder telefonisch. Die digitale Meldeplattform soll Steuerfahndern zudem die Möglichkeit eröffnen, bei den Hinweisgebern weitere Details nachzufragen. Die Anonymität sei dabei „vollständig gesichert“, verspricht das Stuttgarter Finanzministerium.

Besteht bei der Plattform die Gefahr des Missbrauchs?
Der baden-württembergische Datenschützer Stefan Brink hat das Portal bisher nicht prüfen können: „Wir führen jetzt Gespräche mit dem Finanzministerium, um uns ein Bild zu machen.“ Seine Behörde sei in die Planung und Errichtung der Plattform nicht einbezogen gewesen.

Das Portal stößt teilweise auf harsche Kritik – warum?
Die CSU wirft dem grünen Landesfinanzminister Danyal Bayaz vor, „Denunziantentum“ zu fördern. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) nennt das Portal einen „Steuerpranger“. FDP-Landeschef Michael Theurer spricht von „Blockwart-Mentalität“. Die „Bild“-Zeitung titelte: „Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein“. Grünen-Chef Robert Habeck sagte daraufhin, solche Vergleiche verharmlosten die „Diktatur der DDR“. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält die deutschen Finanzämter für ausreichend gerüstet, um Steuerbetrug aufzudecken.

Kann das Portal wirklich „Denunziantentum“ befördern?
Der frühere BFH-Chef Mellinghoff stößt sich vor allem daran, dass mit dem Portal „organisatorisch ausdrücklich dazu aufgefordert“ werde, Steuerbetrug anzuzeigen. Dabei lägen in den Finanzämtern ja auch keine Flyer oder Formulare aus, die dafür werben, Steuerstraftäter zu melden.

Mellinghoff bezweifelt überdies den Nutzen eines Meldeportals. „Aus meiner Erfahrung haben anonyme Anzeigen selten die Qualität, dass dadurch große Steuerbetrugsfälle aufgedeckt werden“, sagte er. Die wirklich großen Steuerfälle seien über ein Portal auch kaum anzuzeigen, weil diese viel zu umfangreich wären. „Im Grunde würde es also doch auf Denunziantentum hinauslaufen“, fügte er hinzu. „Wir haben doch auch kein Internetportal eingerichtet, um Verkehrssünder anzuzeigen oder Umweltsünder anzuschwärzen.“

Wie stehen Steuerfahnder zu den Vorwürfen?
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, spricht von Wahlkampfgetöse. Außerdem seien Begriffe wie „Stasimethoden“ und „DDR-Mentalität“ für die Steuerverwaltung „ehrabschneidend“. Anonyme Anzeigen gebe es, seit es Finanzämter gebe. Das Portal in Baden-Württemberg sei eher eine Verbesserung, denn die Steuerverwaltung könne durch gezielte Rückfragen den „Anzeigenschrott“ von „werthaltigen Hinweisen“ trennen.

Was passiert mit den Hinweisen auf dem Portal?
Die Steuerverwaltung wird dann aktiv, wenn es ausreichende Anhaltspunkte für eine Steuerverfehlung gibt. Dies setzt voraus, dass die Hinweise „schlüssig formuliert, wahre Angaben und konkrete Informationen enthalten“ müssten, wie das Ministerium in Baden-Württemberg erklärt. Deshalb seien Details wichtig, die sich nachprüfen lassen. „Die bloße Behauptung, jemand habe Steuern hinterzogen, reicht nicht aus.“

Braucht es für das Portal zusätzliches Personal?
Davon ist bislang nicht die Rede. Die Hinweise gehen bei der Sondereinheit für Steueraufsicht (SES) ein und werden von dieser an die zuständige Steuerfahndungsstelle verteilt. Wie viele Steuerfahnder die Meldung im Anschluss bearbeiten, soll dann individuell bei der jeweils zuständigen Stelle entschieden werden.

Die Bremer Finanzstaatsrätin Silke Krebs (Grüne) teilte dem Handelsblatt auf Anfrage mit: „Die quantitativen und qualitativen Auswirkungen eines solchen Portals sind nur schwer abzuschätzen.“ Ob mehr werthaltige oder viele wertlose Hinweise eingingen, müsse erst im Zeitverlauf evaluiert werden.

Wie sieht es in Europa aus, gibt es EU-Regeln für das Melden von Steuerbetrug?
Es gibt die sogenannte Whistleblower-Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2019, die die EU-Mitgliedstaaten bis Dezember in nationales Recht umgesetzt haben müssen.

Die Meldeplattform soll Hinweisgebern einen sicheren und anonymen Kommunikationsweg bieten, um Verstöße anzuzeigen. Quelle: dpa
Meldeplattform gegen Steuerbetrug

Die Meldeplattform soll Hinweisgebern einen sicheren und anonymen Kommunikationsweg bieten, um Verstöße anzuzeigen.

(Foto: dpa)

Die Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen das EU-Recht in bestimmten Bereichen melden – etwa bei Steuerbetrug, Geldwäsche und Missständen in Unternehmen. Sie gilt sowohl für den öffentlichen Bereich wie auch für Firmen. Sie sieht vor, dass Behörden und Unternehmen interne Meldestellen schaffen müssen.

Hat Deutschland die Richtlinie umgesetzt?
Nein, bei dem Gesetzesprojekt gibt es noch nicht einmal eine grundsätzliche Verständigung auf Regierungsebene. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte im Dezember des Jahres 2020 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Sie will allerdings, dass der Schutz für Hinweisgeber nicht nur gilt, wenn man Verstöße gegen EU-Recht meldet, sondern auch bei Verstößen gegen deutsches Recht.

CDU und CSU kritisieren, dass die Ministerin „ohne Not“ über die Vorgaben aus Brüssel hinausgehe, und verweisen auf die Mehrbelastung für die Unternehmen in der Corona-Pandemie. Nach der Bundestagswahl müssen die Beratungen über das Gesetz von Neuem beginnen.

Mehr: Ein Meldeportal klingt modern, blendet aber innovativere Wege aus – ein Kommentar

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1 Kommentar zu "Meldeportal Steuerbetrug: Was Baden-Württemberg mit dem Meldeportal für Steuerbetrug erreichen kann – und was nicht"

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  • Das Finanzamt bzw. der Staat hat in einer vernetzten Gesellschaft bereits heute erhebliche Kontrollmöglichkeiten und darf auf keinen Fall auf Spitzel angewiesen sein. Die Personen die den Staat heute bereits den Staat um Millionen prellen, werden das auch weiterhin können, weil die Behörden einfach ihre Aufgaben nicht erfüllen bzw. erfüllen können. Die von Herrn Scholz zu vertretenden Betrügereien wären doch nicht durch Spitzel zu verhindern gewesen, eher durch einen anderen Minister.

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