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Merkel in Mecklenburg-Vorpommern Muttis Werbetour am Ostseestrand

Bevor sie in den Urlaub fährt, absolviert Angela Merkel noch zwei Termine in Urlaubsorten ihrer Heimat. Im Landtagswahlkampf Mecklenburg-Vorpommerns erklärt die Bundeskanzlerin ihre Politik – auf ihre eigene Art.
12.07.2016 - 06:31 Uhr
„Lernt gut, das wird gebraucht. Andere lernen auch.“ Quelle: imago/BildFunkMV
Rat der Bundeskanzlerin an Kinder

„Lernt gut, das wird gebraucht. Andere lernen auch.“

(Foto: imago/BildFunkMV)

Zingst Was für ein Bild: Die Kanzlerin steht auf der kleinen Holzbühne neben dem Kurhaus in Zingst. Die Sonne scheint. Die Menschen sind außer sich vor Freude. Deutschland ist seit wenigen Stunden Fußball-Europameister. Schwarz-Rot-Gold überall, am Ende skandieren sie sogar: „Angie! Angie!“

So hätte der erste Wahlkampfauftritt der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel am Ostseestrand von Zingst auf dem Darß aussehen können. Doch die Realität ist an diesem Montag eine andere: Weder ist Deutschland Europameister, noch sieht es nach Sommer aus, nachdem es in der Nacht ein heftiges Gewitter gegeben hat. Mühsam arbeitet sich die Sonne durch die Wolken. Zum Glück sorgen übergroße Lautsprecher dafür, dass auch jeder im Zentrum des Ostseeortes mitbekommt, dass die Kanzlerin da ist. Also bleiben viele stehen. Der angrenzende Deichweg, die zentrale Ader der Touristen, versinkt im Stau. Von 2.500 Zuhörern spricht die CDU.

Die Kanzlerin absolviert eine kurze Bädertour, einen Tag, zwei Termine, einen in Zingst, einen in Boltenhagen. Im September wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt, die CDU könnte die SPD nach 18 Jahren ablösen.

2013, im Bundestagswahlkampf, war sie zuletzt auf Bädertour, zwei Tage Nord- und Ostsee. Es war die Zeit mit Sätzen wie: „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht.“ Inzwischen weiß jeder, dass auch der BND und nicht nur die Amerikaner eifrig Daten sammeln und dabei keine Freunde kennen. In diesem Jahr steht die „Flüchtlingskanzlerin“ auf der Bühne von Zingst, ein Titel, gegen den sie sich verwahrt.

Wähler hören hier zwar nicht zu, die müssen nämlich arbeiten. Die Touristen stammen aus Thüringen, Sachsen und aus Niedersachsen. Mit Blick auf die Bundestagswahl kann es da nicht schaden, den eigenen Kurs zu erklären. „Urlaubszeiten sind Zeiten zum Nachdenken“, beginnt Merkel zu erzählen. „Es fällt sofort viel ein, was uns beschwert.“ Da sei der Terrorismus in Urlaubsländern, aber auch in Frankreich und Belgien. Es sind die Krisen der Welt, die nicht nur Merkel beschäftigen und die Menschen bei der Wahl des Urlaubsziels umdenken lassen. Krisen verändern die Politik.

Merkel aber redet lieber erst einmal darüber, dass sich alle anstrengen müssen, um im globalen Wettbewerb noch mithalten zu können. „Die Menschen woanders auf anderen Kontinenten schlafen auch nicht“, sagt sie. Bald würde das autonome Auto das Fahren übernehmen. Den Kindern rät sie: „Lernt gut, es wird gebraucht. Andere auf der Welt lernen auch.“ Vorher sollen sie aber ihre Ferien genießen.

Am Vorabend hat die Kanzlerin bereits ihr Sommerinterview im ZDF gegeben. 18 Minuten lang durfte sie erzählen, dass 2015 „ein intensives Jahr“ gewesen sei und dass sie „viel zu tun“ habe. Gut, dass wenige Tage zuvor Innenminister Thomas de Maizière berichtet hatte, dass kaum noch Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Allerdings kommt die Entspannung in den Kommunen noch nicht an. Sie müssen die 1,1 Millionen aus dem vergangenen Jahr unterbringen und vor allem integrieren. Und wer weiß, wie viele Menschen wirklich noch dieses Jahr ankommen werden. Der Innenminister will sich da jedenfalls nicht festlegen. Darüber will Merkel hier in Zingst aber nicht reden. Stattdessen dankt sie lieber den vielen Ehrenamtlichen, was ihr den Applaus sichert.

Hier an der Ostsee stranden keine Flüchtlinge, das ist schon einmal gut. Auf der Balkanroute gibt es aber wieder Probleme. Schnell könnten sich wieder Hunderttausende auf den Weg nach Deutschland machen. Und wer weiß, ob die Türkei das Tor nach Europa wie vereinbart verschlossen hält. Merkel verteidigt das Abkommen, auch wenn das Verhältnis nicht das beste ist, wenn nicht einmal Abgeordnete ihre deutschen Soldaten in der Türkei am Nato-Stützpunkt besuchen dürfen. Merkel fordert lieber die anderen EU-Staaten auf, auch Flüchtlinge wie die Türkei aufzunehmen.

„Ich befasse mich mit den Realitäten“, sagt Merkel, wenn sie auf Herausforderungen angesprochen wird. So sagte sie es auch im ZDF. Was so viel heißt wie: abwarten und schauen, was passiert – auch in der Krise Europas und der Frage, wie nun Großbritannien aus der Europäischen Union austritt. Das bedauert sie auf der Bühne und hofft auf weniger Bürokratie in der EU.

Doch es gibt noch ganz andere Baustellen: die wiederkehrende Bankenkrise in Italien oder das Verhältnis zu Russland. Alles Themen, die Ängste schüren und den Rechten in die Hände spielen. Hier im Nordosten kommt die AfD schon auf 19 Prozent, die NPD auf vier. Nach den desaströsen Wahlen in den ostdeutschen Ländern sowie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz droht den etablierten Parteien die nächste Niederlage. Ministerpräsident Erwin Sellering hat schon den Schuldigen ausgemacht: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik.

Die einfachen Antworten auf die komplizierten Probleme verfangen in Regionen, in denen sich viele als Verlierer fühlen; als Opfer der Einheit, als Opfer der Globalisierung. „Aus der Ferne sieht alles ganz einfach aus“, sagt Merkel in Zingst und verspricht, für Arbeitsplätze zu sorgen, für einen Haushalt ohne neue Schulden und auch für Hilfe für jene, die Hilfe brauchen.

Dann verabschiedet sich die Kanzlerin, genießt das Bad in der Menge mit Selfies und winkenden Händen. „Schönen Urlaub, tschüs“, sagt sie noch, dann fährt sie weg.

  • dhs
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