Merkels Türkei-Reise Grünen-Politiker Özdemir: EU darf sich beim Thema Flüchtlinge nicht von Erdogan erpressen lassen

„Wir dürfen uns nichts vormachen: Erdogan benutzt die Flüchtlingsfrage als Hebel, um liberale Demokratien zu destabilisieren.“
Istanbul/Berlin Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat die EU aufgefordert, sich beim Thema Syrien-Flüchtlinge nicht vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip erpressen zu lassen. Özdemir sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir müssen uns gemeinsam mit unseren EU-Partnern darauf vorbereiten, dass Erdogan im Laufe des Jahres ganz berechnend mehr Flüchtlinge nach Europa schicken wird. Wir dürfen uns nichts vormachen: Erdogan benutzt die Flüchtlingsfrage als Hebel, um liberale Demokratien zu destabilisieren.“
Für den türkischen Präsidenten sei „ein schwaches Europa eine gute Nachricht“. Özdemir fügte aber auch hinzu: „Selbstverständlich muss die EU allen Nachbarstaaten Syriens bei der Versorgung der Flüchtlinge helfen.“
Özdemir kritisierte Kanzlerin Angela Merkel, weil sie ihn nicht auf ihre Reise in die Türkei mitgenommen hat. „Seit ich mich als Abgeordneter 2016 maßgeblich für die Armenien-Resolution eingesetzt habe, war ich aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr in der Türkei“, sagte Özdemir der „WELT“ und dem Morning Briefing des Journalisten Gabor Steingart.
„Es wäre ein starkes Zeichen gewesen, wenn die Kanzlerin mich mitgenommen hätte, ich so ein Teil der Delegation gewesen wäre. Man hätte so Ankara signalisieren können: Wir gehören zwar unterschiedlichen Parteien an, aber lassen uns nicht auseinanderdividieren. Rechtsstaatlichkeit und freie Meinungsäußerung sind für uns als Demokraten nicht verhandelbar.“
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff die Kanzlerin zum Klartext aufgefordert: Lambsdorff sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Innenpolitisch tritt Präsident Erdogan die Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen. Das Parlament ist entmachtet, die Justiz steht unter Kontrolle der Regierung, die Medien sind gleichgeschaltet.“
„Außenpolitisch geht die Türkei in militärische Alleingänge in Syrien und Libyen und setzt dabei auf islamistische Milizen. All das widerspricht den Verpflichtungen eines Mitglieds der NATO und eines EU-Beitrittskandidaten“, kritisierte der FDP-Fraktionsvize weiter.
Deutsch-Türkisches Treffen in Istanbul
Angela Merkel beginnt am Freitag in Istanbul Gespräche mit Erdogan. Thema dürfte dabei auch die Flüchtlingspolitik sein. Erdogan hat wiederholt gedroht, die Grenzen zu öffnen und mehr Flüchtlinge aus Syrien nach Europa zu lassen, sollte er nicht mehr Hilfe bekommen für die Millionen syrischen Flüchtlinge, die die Türkei beherbergt.
Özdemir warnte davor zu glauben, dass „mit einem besonders zuvorkommenden Umgang“ Erdogan besänftigt werden könne. „Das genaue Gegenteil ist der Fall.“ So eskaliere Erdogan den Streit mit dem NATO-Partner Griechenland um Gasvorkommen im Mittelmeer. Auch sei es „skandalös, dass Erdogan – selbst an seiner eigenen Justiz vorbei – willkürlich Leute verhaften und festhalten lässt, ob Deutsche oder Türken. Dies muss Merkel natürlich unmissverständlich zur Sprache bringen.“
Nach Auffassung des Bundestagsabgeordneten haben „deutsche Waffen ... unter Erdogan nichts in der Türkei verloren. Und wir müssen die Gefährdung ernstnehmen, die von Erdogan aufgebauten Söldnertruppen in Libyen ausgeht. Das sind dem kriminellen und dschihadistischen Milieu zuzurechnende Söldner, die auf keinen Fall in die EU oder gar nach Deutschland einreisen dürfen sollten.“
Mehr: Der türkische Außenminister sieht Zusagen der EU und Deutschlands an sein Land nicht erfüllt. Die Türkei warte noch auf Geld und neue EU-Beitrittsverhandlungen.
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