Ministerpräsidenten-Konferenz Vorteile für Geimpfte, kostenpflichtige Tests: Was Kanzlerin Merkel mit den Länderchefs klären muss

Der Nachweis über die Immunisierung könnte demnächst auch in Deutschland mehr wert sein als ein negatives Testergebnis.
Berlin Vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder zeigt sich: Es dürfte ein aufreibender Termin werden. Dieses Mal liegt das weniger an unterschiedlichen Meinungen zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens als an unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich der Öffnungen.
Vor allem die Frage, ob gegen Covid-19 Geimpfte bessergestellt werden sollen als Nichtgeimpfte, sorgt für Streit in der Union. Schon im Vorfeld haben der Parteichef und der Fraktionsvorsitzende ihre konträren Auffassungen deutlich gemacht.
Welche Freiheiten müssen Geimpften gewährt werden?
45 Millionen Deutsche sind inzwischen vollständig geimpft, doch die Nachfrage hat enorm nachgelassen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ wollen 54 Prozent der Bürger, die das Impfangebot bisher noch nicht wahrgenommen haben, sich grundsätzlich nicht impfen lassen.
Das Bundesgesundheitsministerium von Ressortchef Jens Spahn (CDU) hat bereits klargemacht, dass es eine Besserstellung der Immunisierten befürwortet. Bei den meisten Angeboten ist der Zutritt zwar im Moment ohne jedweden Nachweis möglich.
Das Ministerium will aber von Anfang oder Mitte September an wieder die 3G-Regeln einführen, also die Nachweispflicht darüber, getestet, geimpft oder genesen zu sein, hieß es in einem Strategiepapier im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz.
Spahn möchte bei anziehendem Infektionsgeschehen aber noch weiter gehen: Sollten größere Einschränkungen aufgrund der Infektionslage notwendig werden, sollen Nichtgeimpfte schlechtergestellt werden. Neben Kontaktbeschränkungen könne das bedeuten, dass sie keinen Zugang mehr zur Gastronomie oder zu Veranstaltungen erhalten.
Unterstützung kommt jetzt von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. „Es wird zu viel über den angeblichen indirekten Impfzwang geredet und zu wenig über die Rechte von Geimpften“, sagte Brinkhaus der „Welt am Sonntag“.
Er gehe davon aus, dass Hoteliers, Klubs, Veranstalter künftig nur noch Geimpfte in ihre Häuser lassen. „Ich gehöre zwar zum Team Vorsicht, aber wir können nicht die nächsten 30 Jahre unser Leben Covid unterordnen“, erklärte Brinkhaus.

Verweigern Restaurantbesitzer bei steigenden Infektionszahlen Nichtgeimpften bald den Zutritt?
Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge unterstützt das. „Klar ist: Geimpfte müssen jetzt in vollem Umfang zur Normalität zurückkehren dürfen“, sagte er dem Handelsblatt. Von Geimpften gehe keine relevante Gefahr mehr aus. „Geimpfte müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen der Staat wieder alle Freiheiten lässt. Ein solches Versprechen würde auch viele Unentschlossene motivieren“, erklärte Sorge.
Doch Brinkhaus hat weder seinen Parteichef Armin Laschet noch seine gesamte Fraktion hinter sich geeint. Laschet lehnt eine Benachteiligung von Ungeimpften ab, sofern diese einen negativen Corona-Test vorweisen können.
„Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen“, sagte der CDU/CSU-Kanzlerkandidat der „Bild am Sonntag“.
Ebenso erklärte Michael Hennrich, Obmann der Union im Gesundheitsausschuss, dass er „keinen Impfzwang und auch keinen kalten Impfzwang“ wolle. Mit den bestehenden Regeln, die gleichermaßen für Geimpfte, Getestete und Genesene gelten, „sollten wir durch Herbst und Winter kommen“, sagte Hennrich dem Handelsblatt.
Es scheint daher fraglich, ob Spahn mit seinen Vorschlägen eine Mehrheit finden wird. Denn auch manche Länderchefs sprechen sich gegen seine Vorschläge aus. Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) etwa hält es für „wenig zielführend“, Ungeimpften pauschal Zugang zu Restaurants oder Veranstaltungen zu verweigern.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte gesagt, es sei wichtig, dass sich mehr Menschen in Deutschland impfen ließen: „Drohungen bringen uns da nicht weiter. Wir müssen überzeugen.“
Derweil schaffen die ersten Veranstalter Fakten. Der Fußball-Bundesligist 1. FC Köln etwa lässt ab Ende August nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion.
Müssen Ungeimpfte für Tests bald selbst zahlen?
Spahn will den Druck auf Impfverweigerer auch mit finanziellen Mitteln verstärken. Sein Ministerium hat vorgeschlagen, dass das Angebot der bislang kostenlosen Schnelltests ab Mitte Oktober entfällt.
Selbst wenn Ungeimpfte weiter mit Tests überall Zutritt erhielten, werde sie das extra kosten – sofern sie sich nicht aus gesundheitlichen Gründen keiner Impfung unterziehen könnten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte vor wenigen Tagen bereits gesagt, dass daran kein Weg vorbeiführen werde.
Unionspolitiker Hennrich allerdings hält diesen Plan in mehrerer Hinsicht für nicht zielführend. „Ich bin gegen eine Pflicht zur Selbstzahlung von Tests“, sagte er. Auch Geimpfte könnten das Virus weitertragen. Außerdem würden Politik und Behörden den Überblick über das Infektionsgeschehen verlieren, weil sich auch viele Geimpfte testen ließen.
„Wenn wegen des Wegfalls der kostenfreien Angebote weniger Tests stattfinden, dann schadet das allen und nicht nur den Ungeimpften“, meint auch Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen.
Hennrich hält den Vorschlag zudem für sozial fraglich. „Familien mit Kindern und Menschen mit geringerem Einkommen würden benachteiligt. Das vertieft die Spaltung in der Gesellschaft“, kritisiert er.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck hält kostenpflichtige Tests für die falsche Maßnahme. „Die bessere Maßnahme ist diese: dem inneren Schweinehund mal einen kräftigen Tritt in den Hintern zu geben. Also diese Trägheit, die wahrscheinlich ein Gutteil der Menschen noch in sich hat, zu überwinden, indem man einfach sagt: ‚Komm, hier ist das. Du kannst einfach da hingehen, du kriegst den Impfausweis und eine Spritze in den Arm und fertig‘“, sagte Habeck am Sonntag dem ZDF.
Wann kommen die Auffrischungsimpfungen – und für wen?
Einfachere Einigungen könnte es bei der Frage nach einer dritten Impfung geben. Länder wie Israel haben bereits damit gestartet, den Schutz der Bürger mit einer weiteren Impfstoffdosis zu erhöhen.
Vor rund einer Woche hatte die Gesundheitsministerkonferenz beschlossen, dass auch in Deutschland Auffrischungsimpfungen angeboten werden. Erste Studienergebnisse wiesen darauf hin, „dass es bei bestimmten Personengruppen vermehrt zu einer reduzierten oder schnell nachlassenden Immunantwort nach einer vollständigen Covid-19-Impfung kommen kann“, heißt es im Beschluss.
Deshalb sollen ab September mobile Teams und Hausärzte pflegebedürftigen und anderen besonders gefährdeten Personen in Heimen oder zu Hause eine Auffrischungsimpfung anbieten, in der Regel mindestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie.
Die Auffrischung soll mit einem der beiden Impfstoffe auf mRNA-Basis erfolgen, also Biontech/Pfizer oder Moderna – unabhängig davon, mit welchem Vakzin die Personen vorher geimpft worden sind.

Test-, Lüftungs- und Hygienekonzepte sollen im Herbst den Präsenzunterricht sichern.
Möglicherweise werden die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin diesen Beschluss noch präzisieren mit Blick darauf, in welcher Reihenfolge Bürger die Auffrischungen erhalten können und inwieweit der Start ab September umsetzbar ist.
Der Essener Virologe Ulf Dittmer befürwortet den Plan, weist aber darauf hin, dass noch nicht klar sei, wann der richtige Zeitpunkt für die Auffrischung sei. CDU-Politiker Sorge schlägt zudem vor, die Auffrischungen nicht nur besonders gefährdeten Gruppen, sondern der breiten Bevölkerung anzubieten.
Welche Indikatoren sind für die Lagebeurteilung künftig maßgeblich?
Einigkeit herrscht bei der künftigen Rolle der Sieben-Tage-Inzidenz. Sie gibt an, wie viele Neuinfizierte es je 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage gegeben hat. Das Robert Koch-Institut (RKI) will die Inzidenz als maßgeblichen Indikator beibehalten.
Kürzlich hatte das RKI in einem Papier mit Blick auf den Herbst begründet, dass bei hohen Inzidenzen auch die Zahl schwerer Verläufe und der Bedarf an Behandlungen im Krankenhaus weiter steige. Eine steigende Sieben-Tage-Inzidenz gehe dieser Entwicklung voraus, sie „ist und bleibt der früheste aller Indikatoren“. Mit dieser Auffassung steht die Behörde ziemlich allein da.
Die Bundesregierung und die Länder sowie der Bundestag über die Parteigrenzen hinweg wollen einen Mix an Indikatoren durchsetzen. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) fordert eine Corona-Ampel: „Sie muss neben den aktuellen Corona-Zahlen auch die Auslastung der Krankenhäuser und Intensivbetten und den Impffortschritt berücksichtigen.“
Wie gelingt der Schulstart?
In den ersten Bundesländern sind die Sommerferien inzwischen beendet. Um den Schulbetrieb im Herbst aufrechtzuerhalten, hat das Bundesgesundheitsministerium Test-, Lüftungs- und Hygienekonzepte vorgeschlagen.
Corona-Tests ab Herbst wohl kostenpflichtig
Insbesondere Lolli-Pool-PCR-Testungen sollen in den Bildungseinrichtungen Anwendung finden. Bei dieser Testmethode werden mehrere Proben einer Kohorte, zum Beispiel einer Klasse, im Labor gemeinsam ausgewertet. Fällt die Pooltestung negativ aus, werden alle Getesteten als nicht infiziert eingestuft.
Grünen-Fraktionsvizin Klein-Schmeink befürchtet jedoch, dass die Reaktion der Regierenden mit Blick auf die Schulen zu spät kommt. „Das hätte viel früher passieren müssen und nicht erst dann, wenn in einigen Bundesländern die Schule schon wieder begonnen hat“, sagte sie.
Die FDP fordert von der Runde am Dienstag den Beschluss eines „bundesweiten Aktionsplans für pandemiefesten Präsenzunterricht“. „Es darf keine bürokratischen Antragsverfahren für Luftfilter mehr geben, und der Digitalpakt Schule ist dringend zu beschleunigen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus.
Mehr: Laschet und Brinkhaus streiten über Umgang mit Nicht-Geimpften
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"Das Ministerium will aber von Anfang oder Mitte September an wieder die 3G-Regeln einführen"
- die 3G-Regeln waren nie außer Kraft gesetzt.
Ich verstehe die ganze Debatte nicht.
Die sog. Vulnerablen sind inzwischen geschützt, daher sollten alle bisher versagten Freiheitsrechte Allen wieder zustehen. Der Gruppe der Geimpften sowieso und für die Ungeimpften ist es eine Frage der persönlichen Risikoentscheidung, ob sie sich noch impfen lassen oder das Risiko einer Infektion eingehen wollen. Im Zweifel gefährden sie sich selbst oder andere aus der Gruppe der Nichtgeimpften. Für Geimpfte/ Genesene geht keine Gefahr mehr aus.
Das einzige gesellschaftliche Risiko ist nur noch eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems. Allerdings zeigen die Zahlen aus UK und DK, dass dies nicht passiert, da sich im Wesentliche nur Personen unter 50 infizieren, bei denen der Krankheitsverlauf in fast allen Fällen harmlos ist. Zudem führt die höhere Ansteckungsrate der Delta-Variante zu einem schnelleren Erreichen der Herdenimmunität durch Genesung in der Gruppe der Ungeimpften und damit auch der gesamten Gesellschaft.
Also Schluss mit dem vormundschaftlichen Staat und Eigenverantwortung und Freiheit für alle Bürger.