Mittelstand Familienunternehmen antworten mit Gegenpapier auf Altmaiers Industriestrategie

Die Industriestrategie des Wirtschaftsministers trifft beim Mittelstand für Widerstand.
Berlin Manchmal hilft ein guter Tropfen, die Wogen zu glätten. Dienstagabend hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Dutzend Präsidiumsmitglieder des Verbands Die Familienunternehmer zum Essen in sein Ministerium eingeladen, um über seine Industriestrategie zu sprechen. Es gab Riesling und ein Drei-Gänge-Menü, am Ende wurde auch über Bismarck geplaudert, ein Lieblingsthema Altmaiers.
Die gelöste Atmosphäre konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Familienunternehmern die Richtung nicht passt, in die der Minister die Wirtschaft und die Industrie steuern will. Darum haben sie nun Gegenvorschläge vorgelegt. Im April hatte sich Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit einem Frontalangriff auf Altmaier zitieren lassen.
Mit seiner Industriestrategie habe der CDU-Politiker, der sich gerne in der Tradition Ludwig Erhards sieht, „das Wirtschaftsministerium beschädigt“, kritisierte der Hamburger Unternehmer. Seither versucht Altmaier, Brücken zu bauen – etwa Anfang der Woche, als er führende Vertreter aus Wirtschaft und Gewerkschaften zum Dialog einlud.
Doch die Familienunternehmer hat er nicht überzeugt. Sie halten nichts von Altmaiers Fokus auf Großunternehmen, von seinen Plänen, europäische Champions zu zimmern und dafür notfalls das Wettbewerbsrecht zu ändern, von Schutzzäunen, die deutsche Unternehmen vor chinesischen Investoren schützen sollen.
„Anders als der Minister sind wir nicht der Meinung, dass wir eine wehrlose Wirtschaft sind“, sagte Eben-Worlée am Mittwoch bei der Vorstellung eines neun Punkte umfassenden Gegenkonzepts seines Verbandes.
„Nationales Fitnessprogramm“ haben die Familienunternehmer es genannt – und „sofort umsetzbar“ in den Untertitel geschrieben. Die Botschaft dahinter: Statt den wirtschaftspolitischen Weltstrategen zu geben, sollte Altmaier sich bei seinen Kabinettskollegen lieber für eine wirtschaftsfreundlichere Politik einsetzen.
So könnte die Bundesregierung aus Sicht des Verbands noch in diesem Jahr für Entlastungen bei Steuern, Energie- und Arbeitskosten sorgen. Genehmigungsverfahren dauerten viel zu lange und sollten durch den Ausbau des E-Governments beschleunigt werden, fordern die Familienunternehmer. Deutschland müsse zudem attraktiver für Risikokapital werden.
Wirtschaft ist nicht wehrlos
Auf lange Sicht fordert der Verband eine Revitalisierung der Welthandelsorganisation (WTO) als maßgebliche Plattform gegen unfaire Handelspraktiken und Protektionismus.
Die Angst vor einem Ausverkauf deutscher Firmen an China hält der Hauptgeschäftsführer des Familienunternehmerverbands, Albrecht von der Hagen, für übertrieben. Altmaiers Konzept zeige eine „defensiv-ängstliche Sichtweise auf die Welt“. Dabei könnten Deutschland und Europa den Systemwettbewerb mit China gewinnen, wenn nur die richtigen Weichen gestellt würden.
Ihr Selbstbewusstsein leiten die Familienunternehmer daraus ab, dass sie für zwei Drittel des deutschen Exportvolumens stehen. Er wisse um die Bedeutung des Mittelstands als Kern des wirtschaftlichen Wohlstands, auch wenn das in seiner Industriestrategie vielleicht etwas zu kurz komme, hatte Altmaier in der Dialogrunde am Montag die Gemüter zu beruhigen versucht.
Doch auch vom Industrieverband BDI und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gibt es Kritik an dem Konzept, beide haben Gegenvorschläge vorgelegt.
Altmaier will die Anregungen aufnehmen und bis zum Jahresende eine gemeinsame Position der Bundesregierung entwickeln. Der Fokus dürfe dabei aber nicht allein auf der Industrie liegen, auch die Plattformkonomie und die Dienstleister müssten in ein Wirtschaftskonzept einbezogen werden. „Da muss etwas größer gedacht werden“, sagte Eben-Worlée.
Was aus Sicht der Familienunternehmer auf keinen Fall in der Strategie stehen darf, ist eine Schwächung der Beihilfeaufsicht oder des Wettbewerbsrechts. Die Zugsparten von Siemens und Alstom hätten ja durchaus fusionieren können, wenn beide Unternehmen sich von Firmenteilen getrennt hätten, betonte Eben-Worlée.
Bayer und Monsanto hätten ja vorgemacht, dass das funktioniere. Wenn Unternehmen aber keine Zugeständnisse machen wollten, sei es nicht Aufgabe des Staates, Zusammenschlüsse herbeizuführen.
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach der von der EU-Kommission untersagten Siemens-Alstom-Fusion über eine Lockerung des Kartellrechts diskutierten, haben die Familienunternehmer als Affront verstanden.
Auch das Beispiel Airbus, das Altmaier gern als Beleg für erfolgreiche europäische Champions anführt, wollen sie nicht gelten lassen. Wer so argumentiere, vergesse schnell, dass mit dem Aus des Airbus A380 rund 600 Millionen Euro Steuergeld „im Feuer stehen“, sagte Eben-Worlée.
An diesem Donnerstag und Freitag feiert sein Verband mit großem Pomp sein 70-jähriges Bestehen. Wirtschaftsminister Altmaier ist nicht eingeladen – auch um ihm weitere Kritik auf offener Bühne zu ersparen. Reden wollen die Familienunternehmer aber trotzdem weiter mit ihm.
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