Mobilitätsdatenverordnung Auslastung, Verspätungen, Geodaten: Verkehrsanbieter behalten ihre sensiblen Informationen

Aus Sicht der Verkehrsunternehmen stellen Daten ein „Wirtschaftsgut“ dar.
Berlin Eigentlich lässt das Gesetz keinen Zweifel: Wer Menschen gewerblich befördert, ob nun als Busunternehmer, als Nahverkehrsbetrieb, als Taxi- oder Mietwagenbetreiber, App-basiertes Sammeltaxi oder als Poolingdienst und Plattform, der muss in Zukunft umfangreich Daten teilen. So steht es im neuen Personenbeförderungsgesetz, mit dem Anbieter wie Uber, Moia oder Free Now auf dem Milliardenmarkt der Mobilität mitmischen dürfen.
Das wird nun aber doch anders sein, wie aus der Mobilitätsdatenverordnung hervorgeht, die das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschlossen hat und in der die Details der gesetzlichen Vorgaben geregelt werden. „Zunächst“ sollen nur „statische Daten im Linienverkehr“ erfasst werden. Zu diesen zählen Fahrpläne, Routen oder Tarife.
Die weit spannenderen Echtzeitdaten wie Geodaten von eingesetzten Taxis oder auch die Zahl der im Einsatz befindlichen Fahrzeuge, deren Verspätungen oder etwa die genaue Auslastung eines Busses müssen die Unternehmen demnach nicht teilen.
In einem ersten Verordnungsentwurf war dies vorgesehen. Offenkundig aber waren die Bedenken der betroffenen Unternehmen bis hin zur Automobilindustrie zu groß.
Viele Daten werden von Unternehmen nicht erhoben
Aus Sicht der Verkehrsunternehmen stellen Daten ein „Wirtschaftsgut“ dar. Sie verweisen darauf, schon heute etliche Daten bereitzustellen, etwa für Kunden über Apps. Daher wollen sie wissen, wozu ihre Daten konkret verwendet werden.
Zudem erheben die Unternehmen etliche Daten noch gar nicht, etwa die aktuelle Auslastung eines Busses oder die Zahl aller Fahrzeuge, die gerade unterwegs sind. Entsprechend lehnte etwa der Verband der Verkehrsunternehmen Vorgaben ab, mit denen Daten neu erhoben werden müssten.
Auch der Taxiverband lehnt es angesichts der vielen Einzelunternehmen ab, dynamische Daten zu erheben. Die Initiative Mietwagen-Services schloss sich der Kritik an und warnte vor zu viel Bürokratie und einer Überforderung.
Die Sorge bei allen Unternehmen ist groß, dass Plattformbetreiber im Vorteil sein könnten und sich mit den Daten Dritter Wettbewerbsvorteile verschaffen. Auch neue Konkurrenten wie Uber klagten bereits im Gesetzgebungsverfahren über neue Bürokratie angesichts des Ziels, Mobilitätsdaten teils in Echtzeit teilen zu müssen.
Deutschland gehe damit deutlich über die europäischen Vorgaben hinaus und wolle kleine und mittelständische Unternehmen verpflichten, Geschäftsinterna preiszugeben, kritisierte Uber bereits im vergangenen Jahr.
Damals wollte das Ministerium die Verordnung gleich mit dem Personenbeförderungsgesetz beschließen, zog den Plan aber angesichts der Proteste bereits zum ersten Mal zurück. Nun begründet das Ministerium den neuerlichen Rückzug damit, dass das Gesetz stufenweise die Pflicht ausweitet, Daten zur Verfügung zu stellen. „Es ist geplant, die Mobilitätsdatenverordnung jeweils zum 1. Januar 2022 und 1. Juli 2022 um die für die Bereitstellung der weiteren Datenkategorien erforderlichen Regelungen zu ergänzen“, schreibt Verkehrsminister Andreas Scheuer als Begründung an seine Kabinettskollegen.
Rückschlüsse auf Algorithmen wären möglich
Grundsätzlich ist bei Fahrdienstanbietern die Bereitschaft hoch, Daten zu teilen. Die Volkswagen-Tochter Moia etwa teilt nach eigener Auskunft bereits umfangreich Daten mit Behörden zu Kontrollzwecken und für Forschungszwecke, etwa um Verkehrsszenarien zu modellieren.

Die Volkswagen-Tochter Moia etwa teilt nach eigener Auskunft bereits umfangreich Daten mit Behörden zu Kontrollzwecken und für Forschungszwecke.
Ein Sprecher erklärte: „Eine Datentransparenz hat einen hohen gesellschaftlichen Wert, weil sie eine wesentliche Grundlage dafür ist, die Verkehrseffizienz im Sinne der Klima- und Verkehrswende zu verbessern.“
Außerdem sei die Mobilitätsdatenverordnung ein wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung einer marktwirtschaftlichen Innovationsdynamik intermodaler Buchungssysteme, also der Systeme, die verschiedene Verkehrsträger kombinieren, und Reiseinformationsdienste.
Und doch sieht auch Moia Grenzen: „Bei der Bereitstellung von Echtzeitdaten handelt es sich jedoch größtenteils um sensible Daten, die wettbewerbsrelevante Rückschlüsse auf Geschäftsmodelle ermöglichen.“
So ließen sich etwa durch dynamische Echtzeit-Preisinformationen „Business-relevante Preisberechnungsmodelle nachvollziehen“. Auch Geodaten der einzelnen Fahrzeuge in Echtzeit würden „Rückschlüsse auf die zum Einsatz kommenden Algorithmen“ zulassen. Grundsätzlich müsse daher gelten: „Business-sensible Daten müssen besonders geschützt werden.“
Auch der Verband der Automobilindustrie kritisierte, dass „sensible“ Betriebsdaten „nicht hinreichend geschützt“ seien. „Es handelt sich dabei zum Teil um Daten, die marktrelevante Rückschlüsse auf Geschäftsmodelle erlauben“, kritisierte der Verband.
Es gab aber auch etliche Bedenken, dass personenbezogene Daten von Chauffeuren wie auch Kunden nicht geschützt werden, die Datensicherheit beim nationalen Zugangspunkt nicht gewahrt sei und intransparent sei, an wen die Daten genau weitergegeben werden. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte daher interveniert und Korrekturen erzwungen.
Einwände des Bundesdatenschutzbeauftragten
Zwar könnten Mobilitätsdaten durchaus einen Nutzen bringen. Eine Sprecherin erklärte: „Die individuellen Rechte jedes Einzelnen, insbesondere dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dürfen dabei jedoch nicht aus dem Blick geraten.“
Soweit sich die Datenverarbeitung in diesem Zusammenhang nicht auf statistische und in der Regel nicht mehr auf Personen beziehbare Daten beschränke, sollte eine Verarbeitung personenbeziehbarer Daten durch technische und organisatorische Maßnahmen grundsätzlich verhindert werden, so die Sprecherin. Sie solle nur „über eine ausdrückliche und freiwillige Aktion im Sinne eines aktiven Tätigwerdens des Betroffenen zugelassen werden.“
Auch Bundesverbraucherministerin Christine Lambrecht (SPD) fordert eine solche Festlegung in einem Mobilitätsdatengesetz. Bisher gibt es indes nur die Verordnung und darüber hinaus einen „Datenraum Mobilität“, den die Akademie für Technikwissenschaften (Acatech) aufbaut. Auf ihn setzen auch die Autobauer und andere, da er dem Prinzip der „digitalen Souveränität“ folgt, also jeder die volle Kontrolle über seine bereitgestellten Daten behält.
Anfang August will Acatech bekanntgeben, welche Unternehmen sich konkret als Gesellschafter am Datenraum Mobilität beteiligen. Mit dabei dürfte unter den Privatunternehmen neben der Versicherung HUK-Coburg auch der Diensteanbieter Freenow sein, der bereits Daten des Deutschen Wetterdienstes nutzt.
„Der Wetter-Use-Case ist der erste Anwendungsfall des Datenraums Mobilität, den wir gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren vorangetrieben haben“, erklärte ein Sprecher. „Wir sind stolz darauf, hier einen ersten Akzent gesetzt zu haben, werden grundsätzlich das Thema Data-Sharing unterstützen und uns auch weiter im Datenraum Mobilität engagieren.“
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