Mobilitätsdienste „Mut zu umfassender Reform hat gefehlt“: Neue Regeln für den Taximarkt frustrieren die Branche

Die Reform sorgt für Unruhe in der Branche.
Berlin Die Große Koalition hat den Weg für digitale Fahrangebote auf dem Taxi- und Mietwagenmarkt frei gemacht: Union und SPD verständigten sich auf einen Kompromiss zur Reform des Personenbeförderungsrechts, den offenkundig auch die Grünen im Bundestag mittragen.
„Damit schaffen wir eine eigene Rechtsgrundlage für digitale Mobilitätsangebote“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). SPD-Fraktionsvize Sören Bartol erklärte: „Wir öffnen neuen Mobilitätsformen die Tür, erweitern das Mobilitätsangebot und verhindern zugleich Dumpingangebote.“
Künftig können Plattformbetreiber wie Uber oder Free Now Transporte vermitteln und Pooling-Anbieter wie Clevershuttle oder Moia per App Fahrten in Sammeltaxis anbieten. Auch die mit Nahverkehrsunternehmen verbundenen Anbieter erhalten Planungssicherheit. „Wir ermöglichen im Regelbetrieb kleinere, flexiblere Fahrzeuge statt Linienbusse, ohne feste Routen und mit Bestellung per Smartphone-App“, sagte Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU). Er lobte, dass mit dem Gesetz die Kommunen vor Ort Details festlegen können, um die neuen Angebote „passend für die Bedürfnisse der Bürger auszugestalten“.
Die Koalition erhofft sich von den neuen Diensten, dass weniger Autos in den Städten fahren und der ländliche Raum besser an die Oberzentren angebunden wird. Proteste kommen indes aus der Branche. „Es ist ein Unding, dass Plattformbetreiber nicht reguliert werden“, sagte Herwig Kollar, Vizepräsident beim Bundesverband Taxi und Mietwagen.
Entgegen früheren Plänen sieht der Kompromiss vor, Beförderungsunternehmen zu regulieren, aber nicht reine Vermittler wie Uber, Free Now oder Taxizentralen. Die Plattform muss nur eine Genehmigung beantragen, wenn sie maßgeblich das Geschäft des Beförderers beeinflusst.
Zum Schutz des Taxigewerbes bleibt indes die Rückkehrpflicht von Mietwagen bestehen. In größeren Städten dürfen die Anbieter allerdings mehrere Betriebsstätten aufbauen, um zu lange Leerfahrten zu vermeiden.
Kommunen entscheiden über Uber
Eine Vorbestellfrist, wie sie zuletzt diskutiert wurde, ist vom Tisch. Stattdessen sollen Behörden eingreifen können, „wenn per App vermittelter Verkehr mit Mietwagen einen Marktanteil von 25 Prozent am Fahrtaufkommen“ bei Taxis, Mietwagen und bei Gelegenheitsverkehren überschreitet. Doch dies zu belegen hält Taxi-Vertreter Kollar für realitätsfremd. „Die Behörden werden den Nachweis nicht führen können.“
Nach Aussagen des SPD-Fachpolitikers Detlef Müller sollen die Behörden Sozialstandards wie Arbeitszeiten, Mindestentlohnung und Pausenzeiten festlegen können, wenn die 25-Prozent-Marke überschritten wird. „Im Endeffekt entscheidet die Kommune, ob sie Uber in ihrem Bereich möglich machen möchte“, sagte er.
Die Frage, ob Sozialstandards durch die neuen Anbieter unterlaufen werden und damit der Markt verzehrt wird, klammert der Kompromiss weitgehend aus. Das Arbeits- sowie das Verkehrsministerium sollen gemeinsam per Rechtsgutachten prüfen, ob die geplanten Regelungen und Kontrollen durch die Genehmigungsbehörden vor Ort in der Praxis ausreichen.
Kollar lobte hingegen, dass Mietwagenfahrer künftig wie Taxifahrer einen Fachkundenachweis erbringen müssen. Der bisherige Ortskundenachweis für Taxifahrer entfällt.
Free Now und Uber beklagen Bürokratie
„Der Mut zu einer umfassenden Reform hat gefehlt“, kritisierte Free-Now-Deutschlandchef Alexander Mönch. Jede Kommune entscheide, „wie modern und flexibel die neuen Regelungen umgesetzt werden“. Er befürchtet, dass „die vielen Restriktionen neue Mobilitätsangebote eher ausbremsen als fördern“. Als Beispiel nannte er die Option der Kommunen, dem Taxigewerbe ein Exklusivrecht auf begehrte Innenstadtlagen einzuräumen, während der Mietwagen mit Fahrer außen vor bleibt.

Der Unternehmer kritisiert die Reform.
Uber-Deutschlandchef Christoph Weigler bezeichnete die Reform als „eine verpasste Chance“. Vieles in dem Gesetzentwurf sei noch unklar, etwa, was genau eine Fachkundeprüfung bedeute und welche Mobilitätsdaten freigegeben werden müssen. „Statt der versprochenen Entlastung für die Mietwagenunternehmen bringt zusätzliche Bürokratie nun eine ganze Branche und damit Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr.“
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen zeigte sich zumindest erleichtert, dass sich die seit zwei Jahren währende Debatte dem Ende nähert. Es gehe darum, dass „alle Marktteilnehmer Planungs- und Rechtssicherheit haben“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.
Der Kompromiss habe auch positive Aspekte für die Nahverkehrsunternehmen. So hätten die in den Nahverkehr integrierten Versuchsprojekte – wie Sammeltaxis von der Haltestellte bis nach Hause – nun „eine langfristige Perspektive“.
Anbieter müssen Mobilitätsdaten freigeben
Plattformen wie Uber und Free Now sowie alle anderen Anbieter im Markt sollen künftig umfangreich Mobilitätsdaten zur Verfügung stellen. Dazu gehören Namen und Daten des Anbieters, Fahrpläne, Routen bis hin zu Preisen und die tatsächliche und prognostizierte Auslastung des Verkehrsmittels.
Free-Now-Chef Mönch sagte, dies sei „ein erster Schritt, um Verkehrsmanagement anhand von Daten smarter zu gestalten“. Er freut sich vor allem auf die Daten der Nahverkehrsbetriebe. „Wir befürworten das und sind gespannt, welche neuen Möglichkeiten sich für unser Angebot eröffnen. Unser Ziel ist es, ein umfassendes Multiservice-Angebot für unsere Fahrgäste zu schaffen.“
VDV-Präsident Wortmann sieht hingegen noch Klarstellungsbedarf, zum Beispiel bei der Weitergabe von Daten. „Alle weiteren offenen Punkte, die wir im Bereich der Mobilitätsdaten noch sehen, müssen in der entsprechenden Verordnung geregelt werden.“ Diese liege aber noch nicht vor.
Nach der Reform ist vor der Reform
Den Kompromiss tragen auch die Grünen mit, sodass das Gesetz am Freitag sowohl im Bundestag als auch später im Bundesrat beschlossen werden kann. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, sagte, der Kompromiss stelle sicher, dass die Kommunen eine „Kannibalisierung von ÖPNV und Taxi“ verhindern können. „Ihnen steht es nun frei, Mindestpreise für plattformbasierte Mietwagendienste wie Uber und Co. festzulegen, um unfairen Wettbewerb auf dem Rücken der Fahrer zu unterbinden.“
Doch Özdemir wie auch die Branchenvertreter sehen es indes als nötig an, in der nächsten Wahlperiode einen neuen Anlauf für eine weitere Reform zu nehmen.
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