Nach Bundestags-Abstimmung: Nachbarländer rebellieren gegen PKW-Maut
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Nach Bundestags-AbstimmungNachbarländer rebellieren gegen PKW-Maut
Die geplante Pkw-Maut in Deutschland zielt auf Fahrer aus dem Ausland. Vor allem Österreich und die Niederlande kritisieren das scharf. Ob sie gegen eine Einführung klagen werden lassen beide Länder noch offen.
Berlin Die umstrittene deutsche Pkw-Maut wird im benachbarten Ausland kritisch gesehen - mit Entscheidungen über Klagen wollen sich die Länder aber bis zur Einschätzung der EU-Kommission zurückhalten. Und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc will das am Freitag im Bundestag verabschiedete Gesetz erst prüfen, wenn es formal in Kraft tritt. Es werden aber weiter massive Zweifel an dieser Maut geäußert.
Bulcs Sprecher sagte: „Wir werden das Gesetz untersuchen, sobald es angenommen ist, der Bundespräsident unterzeichnet hat, es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen in Kraft tritt.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), sagte dem „Focus“: „Die EU-Kommission wird über die Rechtmäßigkeit der Maut eine Entscheidung treffen, und nach deren bisherigen Signalen gehe ich davon aus, dass das Konzept in Schwierigkeiten kommt.“
Die Kritik der EU-Kommission an der Maut
Die Pkw-Maut für Ausländer war ein wichtiges Wahlkampfthema für die CSU. Die Idee hat aber einen Haken: Sie könnte gegen EU-Recht verstoßen. Über dessen Einhaltung wacht die EU-Kommission. Aus Kreisen der Brüsseler Behörde ist zu hören, worum sich die Bedenken konkret drehen.
Entlastungen für Inländer über die Pkw-Steuer laufen nach Einschätzung der EU-Kommission auf eine Erstattung der Gebühr hinaus. Da nur Halter in Deutschland registrierter Wagen davon profitieren würden, sieht die Behörde eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
Zwar dürfen kurzfristige Vignetten im Verhältnis zu Jahresvignetten teurer sein, meint die EU-Kommission. Schließlich sei der Verwaltungsaufwand höher. Doch allzu groß solle die Schere nicht werden - denn vor allem Ausländer nutzten solche Kurzzeittarife. Als Leitfaden gilt ein EU-Gesetz für Lkw-Gebühren. Demnach sollte etwa der Wochentarif nicht mehr als 5 Prozent des Jahrestarifs ausmachen.
Die Maut soll auf Autobahnen und Bundesstraßen anfallen, für Ausländer nur auf Autobahnen. Das soll das Konzept verträglicher mit EU-Recht machen. Die EU-Kommission sieht darin derzeit indes keinen mildernden Faktor - im besten Fall sei dies unerheblich für die rechtliche Bewertung.
Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich (SPD) hält das Maut-Gesetz nicht für EU-konform. Seine grün-rote Landesregierung prüfe, ob noch Änderungen durch Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat erreicht werden könnten. Mehrere Länder dringen auf Ausnahmen für Autobahn-Abschnitte in Grenzregionen, weil sie wirtschaftliche Einbußen befürchten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nannte die Pkw-Maut in der „Welt“ eine Gesetz gewordene Schnapsidee, die mehr kosten als einbringen werde. Er würde lieber die Mineralölsteuer sowie die Lkw-Maut zur Finanzierung der Infrastruktur erhöhen.
Pkw-Fahrer sollen ab 2016 - der genaue Termin ist noch offen - für die Nutzung von Autobahnen und Bundesstraßen zahlen. Autobesitzer im Inland sollen aber im Gegenzug über eine Reduzierung der Kfz-Steuer wieder voll entlastet werden. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) rechnet mit Netto-Einnahmen von jährlich 500 Millionen Euro. Nach EU-Recht ist eine Benachteiligung wegen der Nationalität jedoch untersagt. Die Opposition nennt das CSU-Wunschprojekt antieuropäisch. Sie rechnet mit einem Stopp vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
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Wichtige Fragen und Antworten zur Pkw-Maut
Ist die PKW-Maut gut fürs deutsche Straßennetz?
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Deutsche sollen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. PKW-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen. Ein Teil der Maut-Einnahmen soll im Steuertopf für Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen reserviert werden. Doch ein Blick in die Vergangenheit ist ernüchternd. Seit dem Start der LKW-Maut im Januar 2005 hat Toll Collect bis Ende 2013 rund 35 Milliarden Euro Mauteinnahmen an den Bund überwiesen. Der Einnahmenzuwachs ging dennoch komplett am Verkehrsetat vorbei. 2005 lag er bei 10,2 Milliarden Euro, 2014 waren es 10,5 Milliarden Euro. Die Maut-Einnahmen haben der Verkehrsinfrastruktur also nichts gebracht.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut ergänzend eine Zehn-Tages-Maut (10 Euro) und eine Zwei-Monats-Maut (22 Euro). Im Schnitt wird die Gebühr für ein Jahr dem aktuellen Gesetzesentwurf zufolge bei 74 Euro liegen.
Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) ist es möglich, für Maut und Steuer künftig etwas weniger zu zahlen als jetzt für die Steuer.
Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei. Da aber Besitzer von Elektrofahrzeugen gar keine KFZ-Steuer zahlen, müsste für sie eine andere Mauterfassung erfolgen. Details sind bislang noch unklar, auch in puncto Erstattung der Maut oder Rabattierung für ausländische E-Autos auf deutschen Autobahnen.
Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Eine genaue Höhe nennt der Gesetzentwurf vorerst nicht (Stand: 26.02.2015). Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Die Regierung in Österreich hat von Anfang an klar gemacht, dass die deutschen Pläne aus ihrer Sicht gegen EU-Recht verstoßen. Bei einer Einführung der Maut wäre die EU-Kommission nach Ansicht von Wien in der Pflicht, dies zu überprüfen. Sollte sie nicht tätig werden, will Wien selbst alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.
Die Regierung der Niederlande bedauerte die Entscheidung zur Maut in Deutschland und beklagte sich bei der Bundesregierung. Ob sie vor den EuGH zieht, ist noch unklar. Ein Sprecher sagte: „Wir warten ein Urteil der EU-Kommission ab.“ Auch Luxemburg wartet noch mit einer Entscheidung. Premierminister Xavier Bettel sieht die Belastung nur für Ausländer aber im Widerspruch zum europäischen Gedanken. Ebenso gibt es in Frankreich und Polen vorerst keine Entscheidung über mögliche rechtliche Schritte gegen die deutsche Pkw-Maut.
Belgien und Dänemark planen bisher keine Klage. Ob die Maut-Pläne gegen EU-Recht verstießen, solle eine Untersuchung auf europäischer Ebene klären, erklärte das dänische Verkehrsressort. Minister Magnus Heunicke hält die deutschen Pläne für eine „rein nationale Frage“.
In Tschechien bedauerten Politiker die Pläne als Rückschritt im vereinten Europa. Dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz sind EU-rechtliche Fragen relativ egal. Ohnehin dürften sich nur wenige Eidgenossen von Einkaufstouren ins vergleichsweise „billige“ Deutschland abhalten lassen. Schweizer können im Grenzland auch auf mautfreie Landstraßen ausweichen.
1 Kommentar zu "Nach Bundestags-Abstimmung: Nachbarländer rebellieren gegen PKW-Maut"
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Herr Wolfgang Trantow
Wieso rebellieren unsere Nachbarländer? Sie haben doch absichtlich die Deutschen bisher abgezockt, unsere Autobahnen vernichtet und sich damit bereichert!
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Wieso rebellieren unsere Nachbarländer? Sie haben doch absichtlich die Deutschen bisher abgezockt, unsere Autobahnen vernichtet und sich damit bereichert!