Nachhaltigkeit Regierung will einen sparsameren Umgang der Wirtschaft mit Rohstoffen
Berlin Die Menge der weltweit genutzten natürlichen Ressourcen wächst. Ob Mineralien, Erze, Natursteine oder fossile Brennstoffe: Der Primärmaterialeinsatz hat sich seit 1970 auf inzwischen mehr als 90 Milliarden Tonnen mehr als verdreifacht. Ein Trend, der weder nachhaltig ist noch mögliche Versorgungsengpässe berücksichtigt.
Um gegenzusteuern, beschließt das Kabinett an diesem Mittwoch das dritte Ressourceneffizienzprogramm, kurz ProgRess III genannt. Mit dem Programm will die Koalition einen sparsameren Umgang mit Rohstoffen erreichen. Vor allem Unternehmen sollen natürliche Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette effizienter nutzen.
ProgRess III ist kein Gesetzespaket, sondern ein Potpourri geplanter Maßnahmen der Bundesregierung in den nächsten Jahren. Der 87-seitige Bericht, der dem Handelsblatt vorliegt, sieht insgesamt 119 Maßnahmen vor, die von ökologischen Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten über die Reparierbarkeit von Produkten, Beratungsangebote für Unternehmen und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft bis zu Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und Umweltzeichen für ressourceneffiziente Software reicht.
Vorgesehen ist ein Wechselspiel aus Marktanreizen, freiwilligen Initiativen und Druck. Mit Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung jedenfalls sollen Unternehmen künftig nur noch unterstützt werden, wenn sie Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards einhalten, heißt es in dem Dokument.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Subventionen sollen schrittweise so umgestaltet werden, dass sie Anreize zur Steigerung der Ressourceneffizienz geben. Durch die so gewonnenen Finanzierungsspielräume könnten umweltfreundliche Produktions- und Konsumweisen gefördert, Steuern und Sozialabgaben gesenkt und nachhaltige, ressourcensparende Infrastrukturen aufgebaut werden. Auch Förderprogramme sollen mit Blick auf Ressourceneffizienz neu strukturiert werden.
Bessere Grundlage für Kaufentscheidungen
Geprüft werden sollen eine Garantieaussagepflicht der Hersteller und eine Verlängerung der Verjährungspflicht für Gewährleistungsansprüche. Die Bundesregierung prüft auch, ein Bewertungssystem für die Reparierbarkeit als verpflichtende Information zu entwickeln. Zudem wird auch eine standardisierte Kennzeichnung rezyklathaltiger Kunststoffprodukte geprüft, also von Produkten, in denen recyceltes Material enthalten ist. Verbraucher sollen für ihre Kaufentscheidungen transparente, verlässliche, vergleichbare, überprüfbare und leicht verständliche Informationen erhalten, heißt es. Doch bis auf wenige Ausnahmen seien derartige Informationen bislang nicht verfügbar oder nur unter großem Aufwand zu bekommen.
Als Gängelei will die Bundesregierung ProgRess III nicht verstanden wissen. „Bei vielen Zukunftstechnologien, die ein Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft sind, wird die Nachfrage nach derzeit kaum substituierbaren wirtschaftsstrategischen Rohstoffen, deren Fördermenge aufgrund technischer Herausforderungen kurzfristig zum Teil kaum zu steigern ist, stark zunehmen“, so der Bericht. Zukünftige Preis- und Lieferrisiken seien vor allem bei strategischen Rohstoffen von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung.
Wie bei Energierohstoffen gebe es auch bei wichtigen Rohstoffen für die stoffliche Nutzung „ausgeprägte geografische Konzentrationen“. Teilweise befänden sich die Abbaugebiete in Konfliktregionen. Einige Länder hätten bereits begonnen, Reserven strategisch wichtiger Metalle zu bilden, ihren Export zu drosseln oder durch Partnerschaften oder Firmenübernahmen ihren Zugriff auf Rohstoffe in anderen Regionen zu stärken.
„Eine sichere Versorgung mit Rohstoffen ist für die deutsche Wirtschaft unerlässlich“, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). „Das hat uns die Coronakrise mit ihren Auswirkungen auf Lieferketten und Rohstoffmärkte vor Augen geführt.“
Das erste Ressourcenschutzprogramm hatte die Bundesregierung 2012 verabschiedet. Seitdem berichtet sie dem Parlament alle vier Jahre über Fortschritte und künftige Strategien.
Der Fokus bei ProgRess III liegt auf Digitalisierung. Und das vor allem aus zwei Gründen. Einerseits treibt Digitalisierung den Verbrauch von Rohstoffen erheblich an: mehr Smartphones, mehr Tablets, mehr Technik im Immobilien- und Verkehrssektor, ein wachsender Bedarf an Rechenzentren. Andererseits hilft Digitalisierung dabei, Produktion und Rohstoffeinsatz besser zu steuern.
Riesige Sparpotenziale
Ein Beispiel ist die Blechwarenfabrik Limburg, die im Zuge einer Standortverlagerung ihren Material- und Energieeinsatz optimiert hat. Das Unternehmen ist nicht nur vom ökologischen, sondern auch vom wirtschaftlichen Nutzen der vorgenommenen Effizienzmaßnahmen überzeugt. Das Familienunternehmen, das seine Produktion vor dem Umzug auf vier Stockwerken managen musste, kann durch die vernetzte Produktion und das optimierte Warenmanagement nicht nur jährlich 100 Tonnen Weißblech einsparen.
„Wir haben zudem keine Heizung verbaut, sondern heizen und kühlen ausschließlich mit Prozesswärme – damit sind wir in Deutschland Vorreiter“, berichtet Annika Trappmann, die zur Unternehmerfamilie gehört und für Ressourcenoptimierung zuständig ist. Statt zwei Lackieranlagen gibt es künftig nur noch eine, das reduziert den Gasverbrauch. Insgesamt, so die Rechnung, werden 2.600 Tonnen Treibhausgase pro Jahr eingespart.
Wie bei der Limburger Blechwarenfabrik stecken auch in anderen Unternehmen riesige Potenziale, die noch längst nicht ausgeschöpft werden. Doch nicht nur die Bundesregierung steht vor einem Dilemma: Der Umbau weltweit hin zu zunehmend treibhausgasneutralen Volkswirtschaften erfordert zusätzliche Rohstoffe, ebenso die steigende Weltbevölkerung und die wirtschaftliche Aufholjagd von Entwicklungs- und Schwellenländern.
Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie stark der weltweite Ressourcenbedarf die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens beeinflusst. Ungefähr fünfzig Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen nach Schätzungen der Vereinten Nationen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Brennstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralien zurück.
Mehr: Mit diesem System will SAP Firmen dabei helfen, den CO2-Ausstoß zu senken
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.