Neue Transparenzvorgaben Geschäftemacherei im Bundestag: Wie die Regeln für Abgeordnete verschärft werden sollen

Die Parteien wollen Lobbytätigkeit beschränken.
Berlin Es ist nur der jüngste Fall in einer Reihe von fragwürdigen Nebentätigkeiten von Abgeordneten: Am Donnerstagabend kündigte mit CSU-Politiker Tobias Zech der vierte Unionsabgeordnete an, sein Mandat niederzulegen.
Als Grund wurden mögliche „Interessenkollisionen“ genannt. Nach Medienberichten soll Zech mit seiner Beraterfirma vor einigen Jahren etwa im mazedonischen Wahlkampf für die konservative Regierungspartei tätig gewesen sein.
Es begann mit zwei Abgeordneten, die Honorare im Zusammenhang mit der Beschaffung von Corona-Masken kassierten, es folgten Lobby-Vorwürfe gegen einen Abgeordneten im Zusammenhang mit Aserbaidschan.
Die Mischung aus Unzufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement und den Korruptionsvorwürfen hat der Union in Umfragen schwer zugesetzt. Und so gehen CDU und CSU nun in eine Transparenzoffensive. Sie sind zu Regelverschärfungen bereit, was der Koalitionspartner SPD zufrieden zur Kenntnis nimmt und aufgreift. Man müsse unbedingt „dem fatalen Eindruck entgegenwirken, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages käuflich wären“, sagte der in der SPD-Fraktion federführende Abgeordnete Matthias Bartke.
Tatsächlich sind Union und SPD bereits einen Schritt vorangekommen. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe für das Lobbyregistergesetz. Der Anwendungsbereich des Gesetzes soll auf Mitglieder der Bundesregierung erweitert werden. Noch im März soll das Gesetz in den Bundestag eingebracht werden, die zweite und dritte Lesung soll noch im März stattfinden.
Was die neue Offensive bezwecken soll
Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, im parlamentarischen Verfahren noch zwei Ergänzungen zu berücksichtigen: Künftig sollen auch Kontaktaufnahmen von Lobbyisten mit Mitarbeitern im Bundestag registrierungspflichtig sein. Außerdem werden Bundestag und Bundesregierung Lobbyisten einen einheitlichen und verbindlichen Verhaltenskodex vorgeben. Man sei sich in dieser Hinsicht mit dem Koalitionspartner weitgehend einig, heißt es aus der SPD-Fraktion.
„Wir werden also klare Verhaltensregeln für Lobbyismus gegenüber Bundestag und Bundesregierung schaffen. Verstöße gegen diesen Verhaltenskodex werden künftig im Lobbyregister veröffentlicht“, sagte Bartke. Lobbyisten, die gegen diese Verhaltensregeln verstoßen, sollen der geplanten Regelung zufolge außerdem keinen Hausausweis erhalten und nicht an öffentlichen Anhörungen des Bundestages teilnehmen.
Nicht durchsetzen konnte sich die SPD beim Koalitionspartner mit ihrer Forderung, die Bundesregierung dazu zu verpflichten, bei Gesetzgebungsverfahren immer die Treffen von Lobbyisten in Bundesministerien samt ihren Stellungnahmen und Forderungspapieren zu veröffentlichen („exekutiver Fußabdruck“).
Sonntagsfrage zur Bundestagswahl • Kantar/BamS: CDU/CSU 27 % | GRÜNE 22 % | SPD 17 % | AfD 10 % | FDP 10 % | DIE LINKE 8 % | Sonstige 6 %
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Aus Sicht der „Allianz für Lobbytransparenz“ geht die Formulierungshilfe für das Lobbyregistergesetz nicht weit genug. Es sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. „Allerdings drohen die vielen Ausnahmen das gesamte Vorhaben zu verwässern. Die umfangreichen Ausnahmen schaffen Schlupflöcher, setzen falsche Anreize und fördern Intransparenz“, heißt es bei der Allianz.
Die Allianz ist ein 2019 gegründetes Bündnis von sechs sehr unterschiedlichen Organisationen: Einerseits gehören die Wirtschaftsverbände BDI und VCI der Allianz an, andererseits aber auch der Naturschutzverband Nabu sowie Transparency International.
Echte Nachvollziehbarkeit sei nur möglich, wenn das Lobbyregister für alle gelte und es keine Ausnahmen gebe. Daher setze sich die Allianz für ein Transparenzregister ein, das alle Interessenvertreter erfasse, die hauptberuflich der Tätigkeit der Interessenvertretung nachgingen, teilte das Bündnis mit. Das Bündnis spricht sich auch für den „exekutiven Fußabdruck“ aus, den die SPD-Fraktion fordert.
Die Allianz fordert zudem eine strenge Trennung zwischen Mandat und Interessenvertretung. Sie möchte daher die Verhaltensregeln für Abgeordnete grundlegend reformieren. „Jede Lobbytätigkeit eines Abgeordneten, die ihm unmittelbare finanzielle Vorteile bringt, muss in Zukunft unterbunden werden“, fordert das Bündnis.
Strengere Regeln für Nebentätigkeiten
Auch Union und SPD wollen die Regeln für Abgeordnete verschärfen. Unabhängig von der geplanten Änderung des Lobbyregistergesetzes verhandeln die Koalitionspartner über verschiedene Maßnahmen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte in Reaktion auf die jüngsten Skandale eine „Zehn-Punkte-Transparenzoffensive“ vorgelegt. „Unser Ziel ist es, diese Transparenzoffensive umgehend gesetzlich umzusetzen“, heißt es darin. Dazu laufen Gespräche mit der SPD.
Weitgehende Einigkeit habe man darüber erzielt, entgeltliche Lobbytätigkeiten neben dem Mandat, also beispielsweise die Politikberatung in Lobbyagenturen oder Unternehmen, künftig zu verbieten, heißt es in der SPD-Fraktion. Überdies soll für Mandatsträger ein Annahmeverbot für Spenden gelten.
„Bundestagsabgeordnete sind Vertreter des gesamten deutschen Volkes – keine Vertreter von Einzelinteressen“, heißt es in dem Papier der Unionsfraktion. Deshalb wolle man künftig „die entgeltliche Tätigkeit als Interessenvertreter für einen Dritten gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag gesetzlich verbieten und Verstöße mit einem Ordnungsgeld belegen“.
Allerdings sind noch längst nicht alle Streitfragen vom Tisch. So will die SPD erreichen, dass Nebeneinkünfte von Abgeordneten ab dem ersten Euro exakt veröffentlicht werden müssen. Die Union will eine solche Veröffentlichung erst ab 100.000 Euro. „Zukünftig sollen Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihre Nebenverdienste ab 100.000 Euro auf Euro und Cent genau angeben“, fordert die Unionsfraktion in dem Papier. Zudem soll das Delikt der Bestechung oder Bestechlichkeit von Abgeordneten als Verbrechen geahndet und entsprechend im Strafgesetzbuch abgebildet werden.
Die SPD will zudem erreichen, dass Beteiligungen an Unternehmen bereits ab fünf Prozent der Stimmrechte anzeige- und veröffentlichungspflichtig werden. Die Union setzt die Grenzwerte höher. Einkünfte aus Firmenbeteiligungen wie Dividenden sollen künftig angezeigt werden müssen, wenn der Abgeordnete mehr als 25 Prozent an dem Unternehmen hält und damit wesentlichen Einfluss ausübt.
„Die Ankündigungen des Koalitionspartners sind nach jedem Korruptionsskandal groß. Daraus sollen aber offensichtlich keine Taten folgen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese. „Wir haben einen weitgehenden Gesetzentwurf vorgelegt, der eine breit angelegte Reform vorsieht. Unsere wichtigsten Forderungen lehnt aber die Unionsfraktion ab“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese.
Die Grünen machen Druck
Auch die Grünen dringen auf weiterreichende Konsequenzen aus der Maskenaffäre. „Bei CDU/CSU sind keine einzelnen schwarzen Schafe unterwegs, sondern eine ganze Herde von schwarzen Schafen“, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
Konkret schlagen die Grünen ebenfalls einen „legislativen Fußabdruck“ vor, der deutlich macht, welche Interessenvertreter bei der Formulierung von Gesetzentwürfen in Bundesregierung und Parlament beteiligt waren.
Einig sind sich die Grünen mit der SPD bei der Forderung, dass Abgeordnete Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf Euro und Cent veröffentlichen müssen. „Auch für Unternehmensbeteiligungen, geldwerte Vorteile und Aktienoptionen von Abgeordneten fordern wir striktere Regeln“, heißt es in einem Brief von Kellner und Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann an CDU, CSU, SPD, FDP und Linke.
Entgeltliche Lobbytätigkeit solle Volksvertretern untersagt und Abgeordnetenbestechung klarer gefasst werden. Die Karenzzeit für Regierungsmitglieder für den Wechsel in die Wirtschaft müsse auf zwei Jahre ausgeweitet werden.
Auch die Regeln für die Parteienfinanzierung wollen die Grünen schärfer fassen. Spenden müssten schon ab 5000 Euro in Rechenschaftsberichten genannt werden, ab 25.000 Euro müsse es eine Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung geben. „Parteispenden sollen auf natürliche Personen beschränkt und gedeckelt werden.“
Mehr: Ramsauer, Gysi, Lindner & Co: Das sind die Top-Nebenverdiener unter den Bundestagsabgeordneten
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