Neues Sicherheitskonzept: Erneuter Streit über Einsatz der Bundeswehr im Inneren
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Neues SicherheitskonzeptErneuter Streit über Einsatz der Bundeswehr im Inneren
Auch die Bundeswehr spielt ihre Rolle im neuen sicherheitspolitischen Konzept von Innenminister de Maizière. Der Streit über den Einsatz der Streitkräfte im Inneren nimmt vor einer Übung nun erneut Fahrt auf.
Berlin Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat in seinem sicherheitspolitischen Konzept auch den Einsatz der Bundeswehr im Inland ins Spiel gebracht – und damit deutliche Kritik auf sich gezogen. „Ich verstehe seine Aussage überhaupt nicht“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, der Deutschen Presse-Agentur. „Alle Lagen, die wir bisher hatten, sind mit polizeilichen Maßnahmen gelöst worden.“
Der Streit um den Einsatz der Truppe im Inneren – etwa zur Terror-Abwehr – schwelt seit Jahren. Union und SPD hatten sich im Juli 2016 im Weißbuch zur Sicherheitspolitik auf den Kompromiss verständigt, dass die Bundeswehr bei größeren Anschlägen auch ohne Grundgesetzänderung eingesetzt werden kann. In wenigen Wochen, vom 7. bis 9. März, wollen die Bundeswehr und Polizeikräfte gemeinsam in mehreren Bundesländern einen Anti-Terror-Einsatz üben.
Bundeswehreinsatz im Inneren: Was erlaubt das Grundgesetz?
Politiker streiten seit Jahren um Bundeswehreinsätze im Inland. Das Grundgesetz erlaubt ein solches Engagement nur in Ausnahmefällen. Artikel 35 erlaubt etwa die sogenannte Amtshilfe – etwa halfen Tausende Soldaten bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen.
Quelle: dpa
Auch bei Katastrophenfällen dürfen Soldaten ausrücken. Während der Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe bauten sie Dämme und halfen bei Evakuierungen. Ein „besonders schwerer Unglücksfall“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber auch ein katastrophaler Terroranschlag sein.
Artikel 87a regelt den Einsatz während eines inneren Notstands. Zur Abwehr einer „drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ kann die Bundeswehr ebenfalls eingesetzt werden. Sie darf „Aufständische“ bekämpfen und zivile Einrichtungen wie Bahnhöfe und Schulen schützen – aber nur dann, wenn die Polizei dazu nicht mehr in der Lage ist. Einen solchen Einsatz der Bundeswehr hat es aber noch nicht gegeben.
De Maizière setzt das Thema mit seinem zu Jahresbeginn veröffentlichten Beitrag nun wieder auf die Tagesordnung. Die Bundeswehr sei seit Jahrzehnten anerkannter Partner im Katastrophenschutz. „Kommt die Polizei mit ihrer Kapazität an Grenzen, sollte die Bundeswehr auch dort ihren Platz finden - etwa beim bewaffneten Objektschutz“, schrieb er in seinem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Die Debatten dazu mögen früher verständlich gewesen sein. Jetzt sind sie es nicht mehr.“ Also bewaffnete Soldaten vor deutschen Bahnhöfen und Fußballstadien?
Die strenge Trennung von Armee und Polizei in Deutschland hat historische Gründe, die auf die Ereignisse in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zurückgehen.
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Es müsse eine deutliche Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit geben, fordert GdP-Chef Malchow. „Objektschutz hört sich immer so niedlich an – aber was ist, wenn Bürger sich dem Objekt nähern und sich nicht von der Bundeswehr aufhalten lassen?“
Die deutschen Elitepolizisten
Anti-Terror-Übung von Bundeswehr und Polizei
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Bund und Länder haben sich auf gemeinsame Übungen von Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutz für den Fall von Terrorangriffen verständigt. Die Vorbereitungen dafür könnten bis Februar abgeschlossen sein, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwoch nach einem Treffen in Berlin.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die geplante Anti-Terror-Übung von Polizei und Bundeswehr. Der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow wandte sich gegen den Versuch, rein polizeiliche Aufgaben in militärische Hand zu geben. Für das, was bei der Übung Bundeswehr-Feldjägern zugedacht sei, hätten ausschließlich Polizisten die notwendige „hochqualifizierte“ Ausbildung.
Nach dem Amoklauf in München sowie den Anschlägen von Würzburg und Ansbach fordern einige Politiker, dass die Polizei in Zukunft durch die Bundeswehr unterstützt werden soll. Anders als in anderen Ländern, ist die Bundeswehr bisher nicht für Einsätze im Inneren zuständig. Diese Aufgabe obliegt bisher allein der Polizei. Tatsächlich verfügt die Polizei schon über Spezialkräfte für Antiterroreinsätze.
Jedes Bundesland verfügt über ein eigenes Sondereinsatzkommando (SEK). Zu den Einsatzfeldern des SEK gehören neben dem Antiterrorkampf und Geiselnahmen auch die Vollstreckung von Haftbefehlen, die Verhinderung von Suizidversuchen oder die Begleitung von Gefangenentransporten.
Zur Ausrüstung eines jeden SEK-Beamten gehört ein ballistischer Helm, eine 15 kg schwere Schussweste mit Stichschutz, eine Sturmhaube, ein Funkgerät, eine Atemschutzmaske, ein Maschinengewehr und eine Pistole.
Um Mitglied der GSG9 zu werden, müssen Beamte der Bundespolizei ein schwieriges und langes Ausnahmeverfahren durchlaufen. Nach dem Aufnahmetest, in dem die sportliche und psychologische Fitness der Bewerber geprüft wird, beginnt die neunmonatige Ausbildung: Schießtraining, Nahkampf, von Gebäuden abseilen - hier lernen die die GSG9-Auzubis das Handwerk des Elitepolizisten.
Auch SPD und Opposition sind strikt gegen einen Militäreinsatz im Inneren und fürchten eine schleichende Ausweitung der Bundeswehr-Kompetenzen im Land. „Wir wollen nicht, dass die Bundeswehr zur Hilfspolizei wird“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Außerdem schütze die Bundeswehr ihre eigenen Objekte gar nicht mehr selbst, sondern nehme private Wachdienste in Anspruch. Die Bundeswehr leide zudem an personellen Engpässen.
„Mich ärgert, dass der Minister immer wieder alte Kamellen rauszieht“, sagte Arnold. Im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri hätte die Bundeswehr nichts machen können. „Das ist ein Versuch der CDU-Politiker, ihre Klientel an der Stelle immer wieder zu bedienen“, so Arnold. Der Minister solle lieber für moderne IT-Technik und besseren Datenaustausch sorgen. Die Polizei brauche mehr Personal.
„Es erschließt sich mir überhaupt nicht, wieso man diese alte Debatte an diesem schrecklichen Ereignis aufhängt“, sagte Agnieszka Brugger (Grüne). Es sei höchst widersprüchlich, über die Überlastung der Bundeswehr zu klagen und gleichzeitig ihre Aufgaben im Inneren erweitern zu wollen.
„Die Verfassungsfragen sind geklärt“, sagte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD). Die bestehenden Regelungen im Grundgesetz seien „letztlich weitreichend“. Würden die 300.000 Beamten nicht mehr reichen, hätte man eine enorme Krisenlage. Das sei aber bislang nie vorgekommen. Zudem würden die Aufgaben der Bundeswehr im Ausland wachsen. „Man soll nicht glauben, dass die Bundeswehr eine unerschöpfliche Personalreserve für die Polizei wäre.“
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