
Das Haus von Peter Altmaier will ein neues Konzept zu den Steuererleichterungen für die Wirtschaft vorlegen.
BerlinDie letzte große Unternehmensteuerreform in Deutschland liegt zehn Jahre zurück und trat Anfang 2008 in Kraft. Peer Steinbrück (SPD), Finanzminister der ersten Großen Koalition von Kanzlerin Angela Merkel, und Roland Koch (CDU), damals Hessens Ministerpräsident, hatten drei Jahre lang an ihr gearbeitet. Deutschland hatte damals die fast höchste Unternehmensteuerlast. Nur die USA, Frankreich, Belgien und Japan verlangten ihren Unternehmen noch mehr ab.
Eine Finanzkrise später ist der Steuerwettbewerb um Firmen erneut in Gang gekommen. Nun will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Unternehmen jährlich um 20 Milliarden Euro entlasten. Das geht aus einem „steuerpolitischen 10-Punkte-Aktionsprogramm“ seines Hauses hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.
„Das System der Unternehmensbesteuerung ist in die Jahre gekommen. Es ist Zeit für neue Impulse. Mehr private Beschäftigung und mehr Wachstum. Angesichts des internationalen Steuerwettbewerbs ist es wichtig, den Unternehmensstandort Deutschland zu stärken. Dazu brauchen wir ein umfassendes Aktionsprogramm“, heißt es in der Präambel.
Kernelement der Vorstellungen Altmaiers ist die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Hintergrund für diese Überlegung ist, dass die nach den Koalitionsbeschlüssen noch verbleibenden Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag in Höhe von jährlich zehn Milliarden Euro zu 60 Prozent von der Wirtschaft und davon zum Großteil von Personengesellschaften gezahlt werden.
Altmaier hat in seinen 10-Punkte-Plan zudem einige Vorschläge aufgenommen, die seit Langem in der Diskussion sind, aber nie umgesetzt wurden. Darunter findet sich eine „marktnähere Verzinsung im Steuerrecht“: Für Steuernachzahlungen soll der Zinssatz von sechs auf drei Prozent gesenkt werden.
Im Bundeswirtschaftsministerium wurde dieses „steuerpolitische 10-Punkte-Aktionsprogramm“ entwickelt.
Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, den Solidaritätszuschlag für untere und mittlere Einkommen abzubauen. Altmaier will ihn nun für alle abschaffen. Davon würden auch Unternehmen profitieren. Die SPD ist allerdings dagegen.
Über eine steuerfreie Zulage auf Basis der Personalkosten sollen alle Unternehmen profitieren. Die Große Koalition plant bisher die Steuerförderung nur für kleine und mittlere Firmen. Ifo-Chef Clemens Fuest befürchtet dann allerdings hohe Mitnahmeeffekte. Er schlägt vor, den Koalitionsplan erst einmal umzusetzen und nach einigen Jahren seine Wirkung zu prüfen.
Nach Auffassung des ZEW-Unternehmensteuerexperten Christoph Spengel dürfte dies der Punkt mit der größten Entlastungswirkung sein. Konkret will Altmaier, dass höhere Gewerbesteuerbeträge von Personengesellschaften auf die Einkommensteuer angerechnet werden (4,0- statt 3,8-facher Messbetrag). Auch soll sie auf die Körperschaftsteuer anrechenbar werden. Dies sei ein „pragmatischer Vorschlag“, jedenfalls solange es keinen Konsens für eine Gewerbesteuerreform gebe. Der aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer addierte Satz würde für AGs und GmbHs sinken. Wegen hoher Steuerausfälle dürfte die SPD dem skeptisch gegenüberstehen.
Diese will Altmaier nicht nur für digitale, sondern für alle Innovationsgüter verbessern.
Eine neue EU-Richtlinie schreibt vor, dass Firmen steuersparende Gestaltungen über ausländische Töchter dem Finanzamt melden müssen. Altmaier will verhindern, dass diese Pflicht bei der Umsetzung in nationales Recht auf nationale Gestaltungen ausgedehnt wird. Fuest und Spengel sind sich einig, dass die nationale Ausdehnung wenig zusätzliche Einnahmen bringe, dafür aber ein Bürokratiemonster würde.
Die Grenze für Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter will Altmaier von 800 auf 1000 Euro erhöhen. Es wäre eine Steuervereinfachung, die auch SPD-Finanzpolitiker grundsätzlich gut finden.
Die sogenannte Mantelkaufregel in Paragraf 8c Absatz 1 Körperschaftsteuergesetz will Altmaier streichen. Spengel und Fuest finden das sinnvoll; es würde riskantere Investments erleichtern.
Einbehaltene Gewinne von Mittelständlern will Altmaier steuerlich entlasten. Er will den Steuersatz für im Betrieb verwendete Gewinne reduzieren, um Investitionen zu steigern und die steuerlichen Belastungen der Personengesellschaften an die der Kapitalgesellschaften anzugleichen. Die Thesaurierungsbegünstigung wurde 2008 eingeführt, sie wird wegen der Bürokratie bisher aber wenig genutzt.
Bisher droht Doppelbesteuerung, weil in vielen anderen Ländern die Steuersätze niedriger sind als die im deutschen Gesetz vorgesehenen 25 Prozent. Diesen Satz will Altmaier auf 15 Prozent, die Höhe des Körperschaftsteuersatzes, senken. Fuest lobt diesen Vorstoß: Die Hinzurechnungsbesteuerung sei nie als Steueraufschlag für alle Unternehmen gedacht gewesen.
Bisher müssen Steuerzahler sechs Prozent Zinsen zahlen, wenn sie ihre Steuern zu spät ans Finanzamt abführen. Altmaier will den Zinssatz auf drei Prozent senken, für Nachzahlungen und Erstattungen gleichermaßen. „Überfällig“ ist das laut Fuest. Denn die hohen Zinsen seien ein Anreiz für die Finanzämter, das Besteuerungsverfahren zu verzögern.
Die hohe Verzinsung ist seit Beginn der Niedrigzinsphase bei den Steuerzahlern auf Unverständnis gestoßen. Auch der Vorschlag, die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter von 800 auf 1.000 Euro zu erhöhen, wird seit Langem von Wirtschaftsverbänden gefordert, aber verhallte bei der Bundesregierung bisher ungehört.
Lob von Ökonomen
Ökonomen halten die Vorschläge Altmaiers angesichts des zunehmenden internationalen Steuerwettbewerbs für richtig. US-Präsident Donald Trump hat die Unternehmensteuerlast auf 26 Prozent gedrückt. In Deutschland bewegt sie sich – wegen höherer Gewerbesteuern in vielen Kommunen – von den damals erreichten 28 Prozent wieder in Richtung 30 Prozent.
Frankreich plant, seine Steuersätze zu senken, Großbritannien will nach dem Brexit das steuergünstigste Land für Firmen werden, sogar Belgien plant Steuersenkungen. „Für den Standort ist es wichtig, die Unternehmensteuerlast zu senken. Sonst sind wir spätestens 2020 das OECD-Industrieland mit der höchsten Steuerbelastung“, sagte Christoph Spengel, Experte für Unternehmensteuern des ZEW, dem Handelsblatt.
DIW-Steuerexperte Stephan Bach sieht dies ähnlich: „Auf Dauer muss man auf den Steuersenkungswettlauf reagieren, den die US-Steuerreform neu angefacht hat“, sagte er. Und wenn man die Sätze nicht senken wolle, sei es sinnvoll, einige Härten der letzten Unternehmensteuerreform von 2008 abzubauen, sagte er.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat auf Forderungen nach Entlastungen für die Wirtschaft bisher jedoch sehr zurückhaltend reagiert. Im Handelsblatt-Interview sagte er am Donnerstag, dass jede Steuerstrategie sich an den Vorgaben der Schuldenbremse messen lassen müsse. „Steuern zu senken, gleichzeitig mehr für Rüstung oder Soziales auszugeben und sich das Geld dafür dann über Schulden zu holen, das geht nicht mehr“, so Scholz.
Da der Staat allerdings aktuell Überschüsse macht, geht nun der Bundeswirtschaftsminister auf Konfrontationskurs zu Scholz.
Daneben verlangt Altmaier weitere Erleichterungen für den Mittelstand. Eine Senkung der Körperschaft- und Einkommensteuersätze ist allerdings nicht geplant. Die Entlastung soll bei der Steuerbasis ansetzen und Abschreibungsmöglichkeiten sowie die steuerliche Forschungsförderung erweitern. Und für Gewinne, die das Unternehmen nicht ausschüttet und reinvestiert, soll ein niedrigerer Steuersatz gelten.
Zudem will Altmaier die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer attraktiver machen. In diesem Punkt steckt nach Auffassung von ZEW-Experte Christoph Spengel je nach Ausgestaltung das größte Entlastungspotenzial. Alle Maßnahmen zusammen sollen „bei vollständiger Umsetzung die Unternehmen um 20 Milliarden Euro entlasten“, heißt es in dem Papier.
Zu dem Konzept wurden im Wirtschaftsministerium bereits Stellungnahmen von Verbänden eingeholt. Der Industrieverband BDI zeigte sich erfreut darüber, dass etliche seiner Vorschläge Eingang in das Papier gefunden haben. „Wir finden es toll, dass Altmaier diesen Vorstoß unternimmt“, sagte BDI-Steuerabteilungsleiterin Monika Wünnemann dem Handelsblatt.
Kritik am Umfang des Pakets
Ifo-Chef Clemens Fuest lobt Altmaiers Vorschläge vor allem, weil sie gleichzeitig dem Bürokratieabbau dienten. Um im Steuerwettbewerb zu bestehen, reichen sie ihm aber nicht. „Zu schwach ist das Paket, um die Position Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb entscheidend zu stärken. Hier geht es vor allem um die Besteuerung von Kapitalgesellschaften“, sagte Fuest und verlangte, den Steuersatz auf einbehaltene Gewinne stärker zu senken: etwa auf 25 Prozent, um Anreize abzubauen, Gewinne ins Ausland zu verlagern. „Gleichzeitig hätte man mit diesem Paket anregen sollen, durch Änderungen von EU-Besteuerungsregeln mehr Raum für Quellensteuern auf Zinsen und Lizenzen zu schaffen, um internationale Gewinnverlagerung zu bekämpfen“, sagte Fuest. Spengel hält das Paket ebenfalls für zu klein. „Ich fände es sinnvoll, auch den Körperschaftsteuersatz zu senken: Das hat die größte Signalwirkung“, sagte er.
Kritisch sehen es Ökonomen, dass Altmaier den kompletten Abbau des Solidaritätszuschlags in diesen Zusammenhang gebracht hat. „Die Abschaffung des Solis hat mit einer Unternehmensteuerreform nichts zu tun“, sagte Spengel. „Der Soli muss aus Verfassungsgründen mit dem Ende des Solidarpakts 2020 vollständig abgeschafft werden.“ Nach Berechnungen des DIW würde der Abbau des Solis für Unternehmen eine Entlastung von gut zwei Milliarden Euro bringen.
Der Familienunternehmer-Verband begrüßte demgegenüber den vollständigen Plan ausdrücklich. „Deutschland braucht dringend eine Unternehmensteuerreform, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben“, so Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée. Insbesondere die von Altmaier geplante komplette Abschaffung des Solis, auch für Personengesellschaften, sowie die steuerliche Entlastung für thesaurierte Gewinne begrüßt der Wirtschaftsverband.
Das Bundesfinanzministerium wollte Altmaiers Vorstoß auf Anfrage nicht kommentieren. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, das Papier sei noch nicht vom Minister freigegeben. Im Ministerium hieß es auf der Leitungsebene allerdings, dass eine Unternehmensteuerreform längst überfällig sei.
7 Kommentare zu "Neues Steuerpaket: Altmaier will Soli kippen – und Unternehmen um Milliarden entlasten"
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Deutschland den Reichen, das war und ist schon seit Adenauer so gewesen, und setzt sich bis heute fort. Spätestens seit Schröders Unternehmenssteuer Reform, wurden die Reichen noch reicher, und die Mehrheit noch ärmer. Was nützt eine Arbeit, wenn ich davon nicht überleben kann?
Aber die Ungleichverteilung war von Anfang an CDU-gewollt. Angefangen von der Reichen freundlichen Steuer und Rentengesetzgebung. In keinem anderen Land wie in Deutschland gibt es so viele Steuerausnahme Tatbestände im Steuerrecht wie in Deutschland.
Wenn das zutreffen würde, müssten ja die Firmen aus Skandinavien schon lange Skandinavien verlassen haben, das Gegenteil ist der Fall. Also muss es andere Gründe dafür geben, denn die Geschenke, welche damals der "Kanzler der Bosse" seines Namens Schröder den Unternehmen gemacht hat, führte in die heutige Katastrophe.
Die Infrastruktur wird auf Verschleiß gefahren. Schulen sehen in Teilen der Republik so schlimm aus, dass sich Schüler verweigern, die Toiletten zu benutzen. Wenn die Zukunft unsere Kinder sind, so wie land auf und land ab von verantwortlichen behauptet, dann sieht diese für unsere Kinder und Enkel düster aus.
Endlich!
Was sind die Gründe?
Hat die Regierung die Zahlen der Firmenverlagerungen von Deutschland in das steuerfreundlichere Ausland und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten erhalten?
Hat die Regierung die Zahlen des Milliardärsexodus erhalten und die Erkenntnis, dass kein vermögender Deutscher, der Deutschland erst einmal verlassen hat freiwillig wieder zurückkehrt?
Deutschland hat die zweithöchste Steuer- und Abgabenquote und rangiert im Vermögensranking im letzten Drittel. Daß das nicht lange gutgeht ist offensichtlich! Immer weniger Menschen müssen immer mehr Leistungen finanzieren. Deutschland hat kein Einnahmeproblem, das Problem sind die Ausgaben!
schade, steuerrückzahlungen würden ja dann auch nicht mehr mit 6% verzinst
Steuergeschenke werden in Aussicht gestellt. Sind wohl bald wieder Wahlen?
Die Reduzierung der Verspätungszinsen von 6 auf 3 % ist überfällig, wobei man sich über die Höhe des Zinssatzes von 3 % noch streiten kann. Als langfristiger Kapitalmarktzins kann dieser zur Zeit in Europa nicht betrachtet werden. Für die USA sicher passender. Jetzt sollte der Wirtschaftsminister konsequent sein und den Zinssatz von 3 % auch für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen zulassen, die realitätsfremd immer noch steuermaximierend noch mit 6 % (Steuerbilanz) abgezinst werden.
Ach, nun wird wieder der Soli einmal mehr aus der Schublade geholt. Purer Populismus. Die (vorzeitige) Abschaffung wäre ein Meilenstein. Aber das ist nun auch nicht erst seit September 2018 bekannt. Trump rennt vor und entlastet die us-amerikanischen Unternehmen, indem der Satz von 36% auf 21% gesenkt wurde und wir Deutschen sprechen von 5,5% auf die KSt bzw. ESt. Das ist wirklich phänomenal viel Entlastung für die deutschen mittelständischen Unternehmen. Google und Co. zahlen ja sowieso kaum Ertragsteuern in der BRD. Und selbst das werden die deutschen Politiker nicht umsetzen können.
Wann?