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ÖPNV-Rettungsschirm Streit über neue Milliarde für den Nahverkehr: Bund macht strenge Auflagen zur Bedingung

Ein Bericht des Rechnungshofs zeigt: Die Länder haben ihre Zusage nicht eingehalten, sich zur Hälfte an der Rettung notleidender Nahverkehrsbetriebe zu beteiligen.
01.06.2021 - 13:24 Uhr Kommentieren
Der Bund will nicht mehr beim Nahverkehr für die Länder einspringen, wenn die nicht in gleichem Maße Milliardenhilfen leisten. Quelle: dpa
S-Bahn in Niedersachsen

Der Bund will nicht mehr beim Nahverkehr für die Länder einspringen, wenn die nicht in gleichem Maße Milliardenhilfen leisten.

(Foto: dpa)

Berlin Die schwarz-rote Koalition im Bund will die Corona-bedingten Milliardenhilfen für die Nahverkehrsbetriebe der Kommunen und Länder nur unter strengen Auflagen verlängern. Wie das Handelsblatt aus Koalitionskreisen erfuhr, soll eine entsprechende Regelung in das Gesetz eingefügt werden, mit dem der Bund ohnehin bereits jedes Jahr 9,3 Milliarden Euro an die Bundesländer überweist, um den Nahverkehr zu finanzieren. Andernfalls soll es keine neuen Hilfen geben.

Angesichts der Coronakrise müssen die Nahverkehrsbetriebe auf Fahrgeldeinnahmen verzichten. So entfallen etliche der sogenannten Gelegenheitsfahrten, wenn etwa Touristen in einer Stadt Bus und Bahn nutzen. Aber auch die Zahl der Abonnenten sinkt: Nach Angaben des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen kündigten sieben Prozent der Kunden 2020, in diesem Jahren seien es weiter zehn bis 15 Prozent.

2020 hatten sich Bund und Länder deshalb erstmals auf ein Hilfspaket von zusätzlichen fünf Milliarden Euro verständigt, an dem sich beide Seiten zur Hälfte beteiligen wollten. Originär zuständig für den öffentlichen Nahverkehr sind allein die Länder, die dazu Regionalisierungsmittel vom Bund erhalten. Sie bestellen mit dem Geld Verkehr.

Trotz ihrer Verantwortung haben die Länder bis heute noch nicht annähernd ihren Anteil am Rettungspaket aufgebracht. Auch fiel der Schaden 2020 weit geringer aus als befürchtet. Dennoch reden die Länder längst von einem Gesamtschaden bis Ende 2021 von nun sieben Milliarden Euro und haben dem Bund deshalb eine weitere Milliarde an Hilfen abgerungen. Das Bundeskabinett hatte die Zusatzmilliarde beschlossen.

Doch dann schlug der Bundesrechnungshof im Mai in einem Bericht an die Haushaltspolitiker des Bundestags Alarm. Seither geht es bei den zusätzlichen Hilfen nicht weiter. „Die Länder haben ihre Zusagen nicht eingehalten“, begründet der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, das Veto der Parlamentarier auf Nachfrage. Der Chefhaushälter sieht ohnehin mit Sorge, wie die Verschuldung des Bundes weiter steigt, und fordert daher klare Regeln wie die Rechnungsprüfer.

In dem Bericht kritisierten die Prüfer, dass die Länder vorwiegend das Geld des Bundes ausgegeben haben anstatt selbst den Nahverkehrsbetrieben unter die zu Arme greifen. Darüber hinaus beliefen sich die Schäden 2020 nur auf 3,1 Milliarden und nicht auf fünf Milliarden Euro. Der Bund habe daher mit seinen 2,5 Milliarden Euro viel zu früh viel zu viel Geld überwiesen.

Die Prüfer verzichteten darauf, Länder namentlich zu nennen. Doch zeigt der Bericht eine Grafik, wonach es Länder gab, die nicht einen Cent eigenes Geld ausgaben.

Dem Handelsblatt liegt eine Übersicht der Bundesländer vor. So hat ausgerechnet Bremen, das mit seiner grünen Verkehrssenatorin Maike Schaefer derzeit den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz innehat, Stand Februar noch keinen Cent aus der Landeskasse an seine Verkehrsbetriebe gezahlt. Auch das grün regierte Baden-Württemberg hat sich Stand Mai mit 15 Millionen Euro bei einem ermittelten Schaden von 320 Millionen Euro zurückgehalten. Nur wenige Länder wie Berlin oder Brandenburg haben ihre Zusage eingehalten.

Grafik

„Der Bund hat gezeigt, dass er in der Coronakrise seine Verantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr vor Ort übernommen hat“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dem Handelsblatt. „Ohne eine paritätische Beteiligung der Bundesländer geht es nicht“, stellte er angesichts der laufenden Verhandlungen klar. Er verwies auf „einen klaren Auftrag der Haushaltspolitiker und des Bundesrechnungshofs“.

Den Auftrag der Haushälter hat CDU-Politiker Rehberg formuliert. Nach Informationen des Handelsblatts sieht seine Formulierungshilfe für die Gesetzesnovelle vor, dass der Bund den Ländern zwar eine weitere Milliarde Euro überweist. Das Geld soll allerdings nicht sofort vollständig fließen, sondern nur in Tranchen – sofern die Länder nachweisen, dass sie auch ihren Anteil leisten. Dies soll unmissverständlich Grundlage für Bundeshilfen sein.

Bundesrechnungshof: Nahverkehr ist „Kernaufgabe der Länder“

Der Streit um die Finanzierung des Nahverkehrs schwelt ohnehin seit vielen Jahren, und zwar seit der Bund Mitte der 1990er-Jahre die Aufgabe des Nahverkehrs auf die Länder übertragen hat. Bereits mehrfach haben die Rechnungsprüfer festgestellt, dass Bundesmittel zweckentfremdet wurden. Sie weisen darauf hin, dass der Bund einen „Finanzierungsbeitrag“ leistet, nicht aber zur „Vollfinanzierung“ verpflichtet ist und betonen: Nahverkehr sei „Kernaufgabe der Länder“.

Rehberg hat mit einer Formulierungshilfe den Druck auf die Länder erhöht. Gemeinsam mit der SPD will er dieser Tage darüber beraten. „Die Frage ist: Überweisen wir einfach wieder eine Milliarde Euro, ohne dass wir die Länder auffordern, ihre Zusage auch einzuhalten?“ Bei den Sozialdemokraten, so hieß es, gebe es Zustimmung für eine härtere Gangart gegenüber den Ländern.

Der CDU-Politiker hat den Auftrag der Haushälter formuliert. Quelle: dpa
Eckhardt Rehberg

Der CDU-Politiker hat den Auftrag der Haushälter formuliert.

(Foto: dpa)

Bislang sieht das Gesetz nur vor, dass der Bund seinen Anteil sofort und komplett auszahlt – ohne darauf zu warten, dass sich die Länder ebenso beteiligen und dies auch nachweisen. Die Rechnungsprüfer empfehlen dringend, „die mindestens hälftige Finanzierung aus Landesmitteln gesetzlich“ zu verankern. „Die Länder sollten verpflichtet werden, regelmäßig Rechenschaft über die aus ihren eigenen Haushalten beigesteuerten Haushaltsmittel abzulegen“, raten die Prüfer weiter. „Auf diesem Wege könnte der Bund sicherstellen, dass die Länder ihren Finanzierungsanteil leisten. Eine mögliche Überfinanzierung durch den Bund, wie im Jahr 2020, wäre vermeidbar.“

Da die Zeit drängt, stehen die Chancen für den Bund gut: Der Bundestag hat nur noch diesen Monat Zeit, danach beginnt die parlamentarische Sommerpause. „Seit Februar war klar, dass die Pandemie auch in diesem Jahr die Branche finanziell weiterbelasten wird“, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar, den Druck der Regierungskoalition. „Wenn die Koalition sich nun nicht schnellstens auf unbürokratische Maßnahmen einigt, gefährdet sie Klimaschutz und Arbeitsplätze bei den Verkehrsbetrieben“, warnte er.

Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen räumte ein, dass die Länder sich noch nicht wie verabredet an der hälftigen Finanzierung der Corona-Schäden im Nahverkehr beteiligt haben. „Mit der Fortführung des Rettungsschirms im Jahr 2021 wird sich dies jedoch ändern“, gab sich Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff zuversichtlich.

Diese Woche wollen sich die Koalitionäre auf eine Formulierungshilfe verständigen. Dann könnte in der nächsten Sitzungswoche die Koalition zustimmen und der Bundestag dann noch in dieser Legislaturperiode.

Anschließend ist es an den Bundesländern, der Regelung im Bundesrat zuzustimmen. „Dann zeigt sich, ob sie bereit sind, sich auch wirklich zu 50 Prozent zu beteiligen“, hieß es in der Koalition. Anderenfalls scheitere das Gesetz.

Mehr: Was die Bahn mit dem eigenen Glasfasernetz vorhat

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