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Onlinezugangsgesetz Zeitplan der Verwaltungsdigitalisierung wackelt – Familienunternehmer: „Fax beherrscht die Amtsstuben“

Die Bundesregierung kann ihren Zeitplan für die Digitalisierung der Verwaltung womöglich nicht einhalten. Die Wirtschaft warnt vor „massiven Auswirkungen“ auf die Unternehmen.
11.08.2021 - 12:15 Uhr 1 Kommentar
Bis Ende 2022 sollen insgesamt 575 Verwaltungsleistungen digitalisiert sein. Quelle: dpa
Verwaltung

Bis Ende 2022 sollen insgesamt 575 Verwaltungsleistungen digitalisiert sein.

(Foto: dpa)

Berlin Umständliche Corona-Nachverfolgung, wenig Vernetzung, Formularwust – der Stand der Digitalisierung bei den Behörden in Deutschland sorgt immer wieder für Kritik. Die Bundesregierung hat sich nun zwar das Ziel gesetzt, in der nächsten Legislaturperiode Hunderte von Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Zeitplan wohl zu ambitioniert ist.

„Vermutlich müssen wir uns erst mal mit einer minimalen Verwaltungsdigitalisierung abfinden – auch wenn das natürlich nicht das ist, was man sich unter digitaler Transformation vorstellt“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrats, Sabine Kuhlmann.

Die pessimistische Prognose des unabhängigen Beratergremiums der Bundesregierung ist für die Wirtschaft, die seit Jahren auf ein Ende des Digitalisierungsstaus hofft, ein Schlag ins Kontor. Reinhold von Eben-Worlée bringt das Dilemma auf den Punkt.

„Diese Modernisierung der öffentlichen Hand im Schneckentempo hat auf die Bürger, aber insbesondere auch auf den deutschen Mittelstand massive Auswirkungen“, sagt der Präsident des Familienunternehmerverbands dem Handelsblatt. In der Praxis bedeutet das laut Eben-Worlée, dass Unternehmer ihren zahlreichen Dokumentations- und Berichtspflichten meist weiterhin nur auf analogem Wege nachkommen können und dass sie dabei oft identische Informationen parallel an verschiedenste Register melden müssen.

„Dadurch wird die ohnehin schon alles erstickende und kostenverursachende Bürokratie weiter zementiert“, klagt der Verbandschef. Schnelle Abhilfe ist in diesem Fall nicht zu erwarten. Geplant ist zwar, die Basisdaten der deutschen Unternehmen, die derzeit auf etwa 120 Register verteilt sind, künftig zentral beim Statistischen Bundesamt zu speichern.

Bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer für jedes Unternehmen

Ein vor der Sommerpause beschlossenes Gesetz sieht vor, dass jedes Unternehmen in Zukunft eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer erhält. Dadurch sollen der Austausch und die Aktualisierung von Daten deutlich erleichtert werden. Bislang werden viele Unternehmen in mehreren unterschiedlichen Registern mit sich teilweise überschneidenden Daten und oftmals unterschiedlichen Identifikationsnummern geführt.

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Doch bis alles einfacher wird, vergehen noch ein paar Jahre. Das Basisregister soll erst zum 1. Januar 2024 betriebsreif sein. Dabei gab es Pläne für eine Wirtschaftsnummer schon seit zehn Jahren. Das Beispiel ist symptomatisch für den Digitalisierungsstand der Verwaltung und zeigt, wie langsam sich die Lage bessert.

Entsprechend groß ist die Erwartung der Wirtschaft an die Politik, nun deutlich schneller voranzukommen. „Die nächste Bundesregierung muss mit oberster Priorität die Modernisierung des Staatswesens als eines ihrer Kernthemen angehen“, sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, dem Handelsblatt. „Für mehr Flexibilität und Schnelligkeit führt an einer zentralen politischen Steuerung der Digitalisierung kein Weg vorbei.“

Auch der Familienunternehmerverband macht Druck. „Wir müssen endlich weg von einer Ankündigungsdigitalisierung, sonst verlieren deutsche Unternehmen im globalen Kampf um Wettbewerbsfähigkeit noch mehr an Boden“, sagte Verbandspräsident Eben-Worlée.

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Plöger warnte vor Abstrichen am Zeitplan der Bundesregierung für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), wonach insgesamt 575 Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digitalisiert sein sollen. „Deutschland ist noch meilenweit von einer funktionierenden digitalen Verwaltung entfernt“, sagte sie.

Die deutsche Industrie finde sich daher nicht mit einer „minimalen Verwaltungsdigitalisierung“ ab. „Analoge Verwaltungsverfahren schwächen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen schon heute massiv.“

Warten auf das Unternehmenskonto

Plöger betonte, dass digitale, effiziente und einfache Abläufe zwischen Staat und Unternehmen „unverzichtbare Voraussetzung“ für einen wettbewerbsfähigen modernen Industriestandort seien. Daher sei eine umfassende Reform der öffentlichen Verwaltung notwendig.

„Das Onlinezugangsgesetz muss wie vorgesehen bis zum Ende des Jahres 2022 vollständig kommen“, sagte die BDI-Expertin. „Es braucht Mut, ein entschlosseneres Vorgehen und eine engere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.“

Der Zeitplan für die Verwaltungsdigitalisierung ist in dem schon 2017 verabschiedeten Onlinezugangsgesetz festgeschrieben. Von den 575 Verwaltungsleistungen, die digitalisiert werden sollen, fallen 460 in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen.

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Mehr als die Hälfte aller 575 Leistungen sind nach einer Übersicht des zuständigen Bundesinnenministeriums bisher verfügbar – das bedeutet jedoch nur, dass sie in mindestens einer Kommune angeboten werden. Ein Viertel ist in Planung und ein Fünftel in Umsetzung.

Verbandspräsident Eben-Worlée sprach von einer in den meisten Bereichen ungenügenden und mangelhaften Umsetzung. „So existiert das so dringend benötigte bundesweit einheitliche Unternehmenskonto, das endlich einen single point of contact schaffen würde, weiterhin nur als Modellprojekt“, sagte er.

Corona-Pandemie: Dringlichkeit der Digitalisierung

Darüber hinaus könnten viele Anträge immer noch nicht digital eingereicht werden. „Das Fax beherrscht die deutschen Amtsstuben“, klagte Eben-Worlée. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) drückt bei der Umsetzung der Regierungspläne aufs Tempo.

„Auch wenn Bund und Länder in den vergangenen Jahren intensive Anstrengungen unternommen haben, um die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben, hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, wie dringlich es ist, Verwaltungsvorgänge noch schneller digital zu gestalten“, sagte ZDH-Geschäftsführer Dirk Palige dem Handelsblatt.

Für das Handwerk sei wichtig, dass es in den Bereichen der Unternehmensgründung und Unternehmensführung absehbar flächendeckend leistungsfähige Onlinedienste geben werde. Diese müssten „praxistauglich und funktional“ gestaltet sein. „Deshalb hat die Handwerksorganisation frühzeitig ihre Unterstützung und Expertise bei der Planung und Umsetzung angeboten.“

Der CDU-Wirtschaftsrat wertet die Pläne der Bundesregierung in dieser Hinsicht als „zentrale Schritte in die richtige Richtung“. Allerdings werde die ohnehin im europäischen Vergleich „erheblich verzögert“ gestartete Umsetzung des OZG „zeitlich knapp“, sagte der Generalsekretär des Unternehmerverbands, Wolfgang Steiger, dem Handelsblatt. „Alle Verwaltungsdienste und -prozesse online bereitzustellen ist eine Hürde, die bis Ende 2022 möglicherweise nicht genommen werden kann.“

Der Wirtschaftsrat glaubt, dass strukturelle Veränderungen innerhalb der Bundesregierung unumgänglich sind, um den Rückstand aufzuholen. „Die Corona-Pandemie hat zu einem Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates geführt“, sagte Generalsekretär Steiger.

„Ein Bundesdigitalministerium – alternativ das Bundeskanzleramt, das Bundeswirtschaftsministerium beziehungsweise eine Digitalisierungsagentur, die mit deutlich mehr Ressourcen weit über die bisherige Rolle hinaus diese ressortübergreifende Funktion tatsächlich ausfüllt – muss dieses Vertrauen schnellstmöglich zurückgewinnen.“

Mehr: Regierungsberaterin: „Wir müssen uns mit einer minimalen Verwaltungsdigitalisierung abfinden“

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1 Kommentar zu "Onlinezugangsgesetz: Zeitplan der Verwaltungsdigitalisierung wackelt – Familienunternehmer: „Fax beherrscht die Amtsstuben“"

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  • Die Klage ist der Gruß der Kaufleute. Bei einigen Leuten gehört das ständige Gejammer einfach zum Geschäft.

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