Pandemie Alle Jugendlichen ab zwölf Jahren sollen ein Impfangebot erhalten

Erst ein Fünftel der Zwölf- bis 17-Jährigen ist mindesten einmal geimpft.
Berlin Angesichts steigender Corona-Fallzahlen verstärken Bund und Länder die Bemühungen im Kampf gegen die Pandemie. Die Gesundheitsministerkonferenz will am Montag beschließen, dass auch alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren ein Impfangebot erhalten sollen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Impfung in dieser Altersgruppe bisher nur, wenn Vorerkrankungen vorliegen oder in der Familie besonders gefährdete Angehörige leben.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek erhofft sich von der Runde aber auch Klarheit über Auffrischungsimpfungen für bereits Geimpfte. „Wichtig sind mir klare und unbürokratische Vorgaben, welche Gruppe als Erstes die Auffrischungsimpfung bekommen soll“, sagte der CSU-Politiker dem Handelsblatt.
Er habe bereits frühzeitig betont, dass es dazu rasch belastbare Aussagen des Bundes und der Ständigen Impfkommission geben müsse, betonte Holetschek. Er werde das Thema deshalb am Montag bei der Gesundheitsministerkonferenz ansprechen.
Seit Sonntag gilt zudem die Testpflicht für nicht geimpfte oder genesene Reiserückkehrer – unabhängig vom Urlaubsland. Die Bundespolizei hat nach eigenen Angaben mit stichprobenartigen Kontrollen in den Grenzregionen begonnen. „Wer nach Deutschland einreist, muss damit rechnen, kontrolliert zu werden“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer der „Bild am Sonntag“. Bundes- und Landespolizei arbeiteten „Hand in Hand“.
Die Bundesregierung erwägt zudem, Corona-Tests in absehbarer Zeit kostenpflichtig zu machen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe schon vor Wochen gesagt, dass er es für denkbar halte, die Tests zu einem späteren Zeitpunkt für Ungeimpfte nicht mehr kostenlos anzubieten, teilte das Ministerium mit. „Der genaue Zeitpunkt ist noch festzulegen.“
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigt weiter an. Am Sonntag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 2097 Ansteckungen binnen eines Tages, vor einer Woche waren es 1548. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen beschreibt, stieg von 16,9 auf 17,5.
Um das Impftempo zu erhöhen, soll jetzt auch flächendeckend allen 12- bis 17-Jährigen ein Impfangebot gemacht werden. Dies sieht die Beschlussvorlage des Bundes für die Gesundheitsministerkonferenz an diesem Montag vor, worüber die „Bild am Sonntag“ berichtete.
Der Vorschlag stößt im Brandenburger Gesundheitsministerium auf Zustimmung. „Wir brauchen jetzt im Interesse der Familien eine klare Orientierung zum Impfen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren, wenn Eltern zustimmen“, sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse der dpa. Es sei wichtig, dass auch ganze Familien von dem Impfangebot Gebrauch machten. Gerade über Familien mit Kindern werde das Virus schnell weitergetragen. Deshalb sei es gut und richtig, dass sich die Gesundheitsministerkonferenz mit diesem wichtigen Thema befasse.
Ständige Impfkommission will bisher keine uneingeschränkte Empfehlung abgeben
Die Ressortchefs hatten schon Anfang Mai in einer Videoschalte beschlossen, Kindern und Jugendlichen bis Ende August ein Impfangebot mit dem Vakzin von Biontech-Pfizer zu machen, sollte die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) den Impfstoff bis dahin für diese Altersgruppe zulassen.
Zwar hat die Ema Ende Mai die Zulassung erteilt, vor ein paar Tagen zusätzlich auch für den Impfstoff von Moderna. Doch in Deutschland bleibt die Ständige Impfkommission (Stiko) bisher bei ihrer Empfehlung, Zwölf- bis 17-Jährige nur zu impfen, wenn eine Vorerkrankung vorliegt oder Angehörige einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.
Trotzdem haben die Impfungen längst in großem Stil begonnen. Deutschlandweit ist nach Daten des RKI bereits rund jeder fünfte Zwölf- bis 17-Jährige mindestens einmal geimpft. Den vollständigen Impfschutz haben gut neun Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Altersgruppe.
Spitzenreiter bei den Erstimpfungen sind die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Am niedrigsten liegen die Erstimpfungsquoten von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg. Insgesamt ist in Deutschland mittlerweile gut jeder zweite Bürger ab zwölf Jahren vollständig geimpft, rund 62 Prozent haben zumindest eine erste Spritze erhalten.
Die Stiko begründet ihre Zurückhaltung damit, dass bisher zu wenige Daten über geimpfte Kinder und Jugendliche vorlägen und man deshalb beispielsweise nur sehr wenig über mögliche Nebenwirkungen wisse. Außerdem seien Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen in der Regel nur selten von schweren Infektionsverläufen betroffen.
Die Stiko will aber neue Studien fortlaufend auswerten und ihre Empfehlung dann gegebenenfalls anpassen. Zuvor hatten prominente Politiker wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die unabhängige Impfkommission gedrängt, ihre Entscheidung zu überdenken.
Vizekanzler Scholz macht sich für baldiges Ende der kostenfreien Corona-Tests stark
Um den Impfanreiz in der Bevölkerung weiter zu erhöhen, könnte es zudem Corona-Tests bald nicht mehr kostenlos geben. „Corona-Tests sollten kostenpflichtig werden, wenn alle sich hätten impfen lassen können – also in wenigen Wochen“, sagte Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Ausnahmen müssten natürlich für die gelten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, sowie für Kinder und Jugendliche. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte den Bund auf, Corona-Tests so schnell wie möglich kostenpflichtig zu machen.
Das Bundesgesundheitsministerium verwies auf frühere Äußerungen von Ressortchef Jens Spahn, wonach er es für denkbar halte, die Tests zu einem späteren Zeitpunkt für Ungeimpfte nicht mehr kostenlos anzubieten. Der genaue Zeitpunkt sei allerdings noch festzulegen, teilte das Ministerium mit.
Selbst zahlen müssen bereits Urlauber, die vor der Heimreise nach Deutschland zu einem Test verpflichtet sind. Die entsprechende Verordnung ist seit Sonntag in Kraft. Sie sieht vor, dass Reiserückkehrer, die nicht vollständig geimpft oder von einer Covid-Erkrankung genesen sind, bei der Rückkehr nach Deutschland einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. Dies gilt unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel und von der Risikoeinstufung des Urlaubslands.
Die Bundespolizei kündigte verstärkte Stichprobenkontrollen in den Grenzregionen und im Zugverkehr an. An den Grenzen werde aber niemand zurückgeschickt, teilte ein Sprecher mit. Die Daten würden erhoben und an das zuständige Gesundheitsamt weitergeleitet. „Wir erheben auch keine Bußgelder, sondern leiten die Anzeige einer Ordnungswidrigkeit an die zuständigen Behörden weiter“, erklärte der Sprecher weiter.
Mehr: Die Testpflicht für Reiserückkehrer hätte schon vor Monaten beschlossen werden müssen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.