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Pandemie-Bekämpfung Spitzengespräch abgesagt: Streit zwischen Regierung und Wirtschaft über Corona-Tests eskaliert

Unternehmen sollen Beschäftigten Corona-Tests anbieten, so haben es die Regierungschefs aus Bund und Ländern beschlossen. Doch über Details wird heftig gerungen.
05.03.2021 Update: 05.03.2021 - 15:25 Uhr 3 Kommentare
Hoffnungsträger für Auswege aus der Pandemie. Quelle: dpa
Corona-Schnelltests

Hoffnungsträger für Auswege aus der Pandemie.

(Foto: dpa)

Berlin Bundesregierung und Wirtschaft streiten heftig über die geplante Einbindung der Unternehmen in die Corona-Teststrategie. Ein für diesen Freitag geplantes klärendes Gespräch ist abgesagt worden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittag bestätigte. Schon bei einem ersten Spitzengespräch am vergangenen Dienstagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) soll es gekracht haben, wie das Handelsblatt aus Verbandskreisen erfuhr.

Demnach haben Regierungsvertreter die Wirtschaft ultimativ aufgefordert, einen Beitrag zu leisten, sonst werde man eine Beteiligung an der Testkampagne per Gesetz regeln. Die Unternehmen hätten so viele Hilfen erhalten, da könne man von ihnen jetzt auch etwas verlangen, wird Scholz zitiert. Spitzenvertreter der Wirtschaft sollen darüber ziemlich in Rage geraten sein. Am kommenden Dienstag soll es nun einen neuen Einigungsversuch geben.

Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten hatten bei ihrer Sitzung am Mittwoch vereinbart, dass die Unternehmen einen „gesamtgesellschaftlichen Beitrag“ leisten und ihren Beschäftigten, die im Büro oder der Werkshalle anwesend sind, pro Woche mindestens einen kostenlosen Schnelltest anbieten sollen.

Auf vier Seiten haben die Verbände offene Fragen aufgelistet und an die Regierung geschickt, was wiederum dort wohl nicht gut ankam. Die Verbände fragen beispielsweise: „Welche positiven Anreize gibt es für Unternehmen und Beschäftigte, solche Tests durchzuführen?“ Für Bürger solle der Schnelltest ja kostenlos sein, für Beschäftigte auch. „Findet eine Refinanzierung der Beschaffungs- und Durchführungskosten der Unternehmen statt?“ Und: „Soll eine Bescheinigung über das Testergebnis ausgestellt werden? Wenn ja, von wem und auf welcher rechtlichen Grundlage und in welcher Art und Weise?“

Gestritten wird aber auch darüber, um welche Tests es überhaupt geht. Die üblichen Schnelltests sind sehr aufwendig und müssen von qualifiziertem Personal abgenommen werden.

Eine mögliche Kompromisslinie könnten Selbsttests sein, die Beschäftigte selbst vornehmen können. Dann stellt sich aber die Frage der Nachverfolgung. Sonst bestehe die Gefahr, dass Arbeitnehmer den Selbsttest abends mit nach Hause nehmen und sich dann am nächsten Tag krankmelden – ohne wirksame Kontrolle, heißt es aus Verbandskreisen.

Und es gibt Zweifel, ob die Selbsttests überhaupt in ausreichender Zahl am Markt verfügbar sind. Bisher sind erst sechs über eine Nationale Sonderzulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) zugelassen. Die Produktion findet überwiegend in China und anderen asiatischen Ländern statt, und die Tests werden eher per Schiff als per Flugzeug transportiert.

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Die Hoffnung, schon im März eine große Zahl an solchen Tests zur Verfügung zu haben, ist also eher gering. Eine andere Frage, die sich noch stellt, ist die, ob es bei professionellen Schnelltests mit negativem Ergebnis eine Bescheinigung gibt. Mitarbeiter, die eigentlich im Homeoffice sitzen, könnten dann mal eben in die Firma fahren, um sich „freitesten“ zu lassen, und die Bescheinigung anschließend für Freizeitaktivitäten nutzen.

„Mit Blick auf eine freiwillige Ausdehnung der Testangebote auch in Unternehmen für ihre Belegschaften sind derzeit noch entscheidende Fragen an die Bundesregierung offen“, kommentierte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Absage des Treffens am Freitag. Dabei gehe es insbesondere um rechtliche und logistische Themen, beispielsweise inwiefern Unternehmen die Testergebnisse ans Gesundheitsamt melden sollen und dürfen.

Wirtschaft betont weiter Gesprächsbereitschaft

Die Wirtschaft habe ein konstruktives und praktikables Angebot zur Ausweitung von Testkapazitäten gemacht, teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit. Es binde alle Unternehmen – unabhängig von Größe und Branche – in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ein.

„Die Politik hat noch Beratungsbedarf – das kann man gut nachvollziehen bei diesem wichtigen Thema. Wir stehen weiter bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten die Politik zu unterstützen“, sagte eine BDA-Sprecherin.

Den Wirtschaftsverbänden, die in den vergangenen Tagen in unterschiedlichen Konstellationen beraten haben, wäre eine „doppelte Freiwilligkeit“ am liebsten. Unternehmen können Tests freiwillig anbieten, und die Beschäftigten können sie freiwillig wahrnehmen. Ob sich die Regierung damit zufriedengibt, ist allerdings fraglich.

„Ich bin zuversichtlich, dass die Unternehmen individuell die beste Lösung finden“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag. Er rechne mit einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Es sei eine „nationale Kraftanstrengung“, dass es „zu regelmäßigen Testungen kommt“. Allerdings räumte er ein, dass Tests „das Problem allein nicht lösen“.

„Die Unternehmen sollten zwingend Teil einer breit angelegten Teststrategie sein“, sagte der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek dem Handelsblatt. Schnelltests für die Mitarbeiter jeden Montag und Mittwoch könnten dazu beitragen, Ausbrüche in den Belegschaften zu verhindern.

Während Politik und Wirtschaft noch streiten, treibt die Bundesregierung die Arbeit an der Teststrategie voran. Spahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sollen gemeinsam in einer Taskforce die Logistik organisieren. Beide Ministerien haben zusammen mit dem Innenressort in der Coronakrise einen runden Tisch mit der Logistikbranche eingerichtet, der einmal im Monat tagt.

Beim letzten Treffen – am Donnerstag nach der Ministerpräsidentenkonferenz – erfuhren die Logistiker erstmals von dem Plan der Taskforce und boten ihre Hilfe an. Man „freue sich auf Unterstützung“, hieß es seitens der Regierung. In der Branche indes wurde beklagt, dass die Impfstofflogistik nicht zentral organisiert worden sei. Dann wäre es kein Problem, auch die Tests über so eine Plattform zu verteilen.

Taskforce soll rasch mit der Arbeit beginnen

Die Taskforce soll zügig die Arbeit aufnehmen. Es solle zunächst die Nachfrage aus den Bundesländern etwa für Bildungseinrichtungen ermittelt und die Lager der öffentlichen Hand auf Vordermann gebracht werden, hieß es in Regierungskreisen. In der Verkehrsbranche hieß es ernüchtert: „Das also dauert jetzt mindestens einen Monat.“

Für die Unternehmen selbst sei es hingegen „kein Problem“, Impfstoffe oder Tests zu verteilen. „Tests sind Standardprodukte“, hieß es. Etwas anspruchsvoller seien Impfstoffe, „die zum einen gekühlt werden müssen und zudem angesichts der Knappheit auch ein diebstahlgefährdetes Gut sind„.

Die Logistiker beschäftigt mehr die Einreisekontrollen an den Grenzen als Fragen der Testlogistik. Die Kontrollen wurden am 3. März noch einmal verlängert. So müssen sich Fahrer aus Tirol, Tschechien oder Frankreich testen lassen. Auch Fahrer, die die Länder nur durchfahren haben, müssen negative Tests vorlegen. Die Kontrollen erfolgen als Schleierfahndung. Die Testinfrastruktur in den Ländern sei „desaströs“, klagen hingegen die Logistiker.

Die Regierung hofft darauf, dass es künftig Selbsttests geben wird. Mit ihnen „ergeben sich neue Möglichkeiten für die Implementierung von Testkonzepten“, erklärte Steffen Bilger (CDU), Logistikkoordinator der Bundesregierung und parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium.

In der Diskussion ist ein neues Testkonzept für LKW-Fahrer, dass das Bundesgesundheitsministerium derzeit auf Rechtssicherheit prüft. So soll der Fahrer in seiner Kabine an einer Art Videosprechstunde teilnehmen. Per Mobiltelefon erfährt er, wie er den Selbsttest durchführt. Nach dem Ergebnis bekäme er umgehend eine elektronische Bescheinigung. So könnten sich alle Fahrer aus Virusvariantengebieten testen lassen, hieß es.

Unklar ist indes der sogenannte „Video-Identitätsprüfungs-Prozess“: Dieser soll sicherstellen, dass das Testergebnis auch wirklich dem jeweiligen Fahrer zugeordnet wird. Transitfahrer könnten künftig von der Testpflicht ausgenommen werden, damit die Zahl der nötigen Video-Selbsttests „auf ein realistisches Maß“ sinke, wie es hieß. Allerdings war es das Gesundheitsministerium, dass eben jene Ausnahme aus der Einreiseverordnung gestrichen hatte. Laut Ministerium ist erst „in diesem oder im nächstem Monat“ mit einer Entscheidung zu rechnen, ob das Verfahren eingesetzt wird.

So lange bleiben die Probleme an den Grenzen ungelöst und dürften sich verschärfen. In wenigen Tagen könnten Schweden und Ungarn zu Mutationsgebieten erklärt und entsprechende Kontrollen auch dort eingeführt werden.

Logistikkoordinator Bilger räumt zwar ein, dass die Kontrollen „eine Belastungsprobe“ für die Branche seien, aber derzeit seien Ausnahmen unmöglich. Zumindest ein Problem ist gelöst: Das digitale Einreiseportal, auf dem man sich anmelden muss, funktioniert wieder. Es war Anfang der Woche durch einen Hackerangriff für drei Tage lahmgelegt.

Mehr: Skepsis bei den Schnelltests – Wie Firmen ihre Mitarbeiter testen wollen.

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3 Kommentare zu "Pandemie-Bekämpfung: Spitzengespräch abgesagt: Streit zwischen Regierung und Wirtschaft über Corona-Tests eskaliert"

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  • Die Panik der Laienspieltruppe in Berlin nimmt zu. Merkel und co. bitte gehen Sie nach Hause und überlassen das Feld Fachleuten. Das Geseiere ist kaum noch zu ertragen. Und die Talkshow Epigonen verdienen sich am ÖFFI eine goldene Nase mit immer dem gleichen Thema. Vorneweg Anne Will.

  • (...) Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.

  • Die Pandemie legt gnadenlos die Schwächen der öffentlichen Dienste offen: hochkomplexe Prozesse und (deswegen) anachronistisch langsam. Diese Arbeitsweise ist wie im frühen 20. Jahrhundert und gehört in die Tonne!

    Wie sehr wünscht man sich eine wählbare Partei, die den Staat mal runderneuert; die Altparteien sind dazu offenbar nicht imstande oder willens.

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