Pandemie „Phrasengipfel“: Bund-Länder-Treffen in der Kritik – Söder prescht mit Sonderregeln vor

Bundeskanzlerin Merkel mit Bayerns Ministerpräsident Söder und Berlins Bürgermeister Müller (r).
Berlin Der „Gipfel der Hoffnung“ – so nannte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Treffen von Bund und Ländern am Montag – wird zu einem Gipfel der Empörung. Zahlreiche Verbände und Politiker haben das Ergebnis des Impfgipfels scharf kritisiert.
So erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, das Treffen setze den „viel zu gemächlichen Gang“ der deutschen Pandemiebekämpfung fort. „Statt dringend notwendiger Entscheidungen für den flächendeckenden Einsatz der Betriebsärzte und den Umgang mit geimpften Personen begnügen sich Bund und Länder mit Ankündigungen.“
Das Impftempo müsse dringend weiter erhöht werden. Es sei „schwer nachvollziehbar, dass erst Ende Mai über die Sanktionsaufhebungen für geimpfte Personen im Detail entschieden werden soll“.
Auch Kommunen und Landkreise vermissen Ergebnisse zum Umgang mit Geimpften. Dass bei der Konferenz noch keine abschließende Verständigung über die Aufhebung der Grundrechtseinschränkungen für vollständig geimpfte Bürgerinnen und Bürger getroffen wurde, sei bedauerlich, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“.
Bund und Länder hatten bei dem Gipfel am Montag Ausnahmen für Geimpfte und Genesene von den geltenden Corona-Maßnahmen angekündigt. In einem Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Wochenende hieß es, dass für Geimpfte und Genesene etwa beim Einkaufen oder bei Dienstleistungen wie dem Friseur dieselben Ausnahmen gelten sollen wie für negativ Getestete. Auch die Quarantäne bei der Einreise aus dem Ausland müsse nun wegfallen.
Die Bundesregierung will nach einer Ankündigung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommende Woche einen Vorschlag machen, sodass eine Verordnung am 28. Mai vom Bundesrat verabschiedet werden könnte. Einigen Bundesländern ist das jedoch zu spät.
Bayern geht Sonderweg
So kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, dass vollständig Geimpfte in seinem Bundesland ab Mittwoch negativ auf Corona Getesteten gleichgestellt werden. Wer zweimal geimpft sei und „nahezu ein Nullrisiko hat, muss wieder in seine zentralen Grundrechte zurückversetzt werden“, sagte Söder.
Die Grundrechte müssten so schnell es geht, zurückgegeben werden. Auch Länder wie Berlin und Thüringen haben solche Regeln bereits angekündigt. Die Möglichkeit für die Sonder-Regelung ist im Infektionsschutzgesetz des Bundes ausdrücklich vorgesehen. In Infektionsschutzgesetzes heißt es, dass die Länder bis zum Erlass einer Rechtsverordnung Ausnahmen in Eigenregie umsetzen dürfen.
Kritik erfuhr auch der Beschluss von Bund und Ländern, die Impfpriorisierung ab Juni aufheben zu wollen. Das käme vielen Bürgern vermutlich noch zu lang vor, sagte der Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stephan Hofmeister, im Interview mit Bayern-2-Radiowelt. „Sobald also genug Impfstoff da ist – und das ist ja jetzt Woche für Woche mehr der Fall –, muss geimpft werden, wer geimpft werden kann.“
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) verteidigte die Entscheidung hingegen. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sollten noch einige Wochen den Vorrang beim Impfen haben, sagte er. Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) haben inzwischen 23 Prozent der Bundesbürger die erste Impfung erhalten – sieben Prozent sind vollständig geimpft.
Klagen in Karlsruhe
Derweil häufen sich die Klagen gegen die in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossene „Bundes-Notbremse“. So habe die FDP-Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, sagte der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann.
Die FDP verspreche sich davon eine schnelle Entscheidung. Die FDP hatte die sogenannte Corona-Notbremse wiederholt kritisiert. „Das Gesetz ist höchst angreifbar und in seiner Wirkung zweifelhaft. Vor allem die Ausgangssperren halten wir für unverhältnismäßig und untauglich.“ Zu den Antragstellern zählen die 80 Fraktionsmitglieder. Auch Fraktionsmitglieder der SPD und der Grünen hatten Verfassungsbeschwerden eingereicht.
Insgesamt sind in Karlsruhe schon über 111 Klagen eingegangen, wie das oberste Gericht auf Anfrage mitteilte. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, steht noch aus. Unter den Klagen befinden sich auch zahlreiche Eilanträge. Deren Ziel ist es, das Gesetz bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts außer Kraft zu setzen. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch, das Verfahren setzt schwere irreversible Nachteile voraus. Diese müssen schwerwiegender sein als eine vorläufige Anwendung des Gesetzes, sollte sich dieses später als verfassungswidrig erweisen.
Mit Agenturmaterial.
Mehr: Der Impfgipfel lässt nicht hoffen, sondern verzweifeln. Ein Kommentar.
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