Pandemiebekämpfung Kein Lockdown, aber Boosterimpfungen: Ampelfraktionen wollen Montag Entwurf für geändertes Infektionsschutzgesetz vorstellen

Mit einer dritten Impfung soll man besser gegen Corona geschützt sein.
Berlin Bevor die epidemische Lage am 25. November endet, wollen die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP neue Leitplanken zur Eindämmung der Coronapandemie beschließen. An diesem Montag wollen die Ampel-Parteien einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorstellen. Das kündigte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“ an.
„Das sagen wir morgen im Parlament natürlich und den Fraktionen als erstes“, sagte Göring-Eckardt. Zu Details wollte sich die Grünen-Politikerin nicht äußern. Zur Frage, ob es eine bundesweite 2G-Regel, also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene, geben soll, sagte die Fraktionschefin, das lasse sich aus ihrer Sicht nicht rechtssicher bundesweit machen.
Die drei möglichen Koalitionspartner wollen offenbar unter anderem neue Regelungen zum Testangebot festschreiben. Außerdem arbeiten die Ampel-Parteien wohl an Maßnahmen, die Betrügereien mit gefälschten Impfnachweisen verhindern sollen.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt: „Es geht darum, die Schutzmaßnahmen auf eine rechtlich tragfähige Grundlage zu stellen und dadurch abzusichern.“ Die Maßnahmen müssten vom Bundestag beschlossen werden.
Wie die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet, erwägen SPD, Grüne und FDP unter anderem eine tägliche Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen, unabhängig davon, ob diese geimpft oder genesen sind. Außerdem könnte die Coronaprämie für Kliniken reaktiviert werden, sodass Krankenhäuser wieder eine staatliche Entschädigungszahlung bekommen, wenn sie einen Teil ihrer Intensivbetten für Coronapatienten freihalten.
Um die Boosterimpfungen bei Senioren zu beschleunigen, sollten Ärzte verpflichtet werden, ihre älteren Patienten anzuschreiben und über die dritte Impfung zu informieren, heißt es in dem Bericht. Auf einen Lockdown für Ungeimpfte oder eine bundesweite 2G-Regel für das öffentliche Leben wollten die potenziellen Ampelpartner aber verzichten.
Bisher knüpfen Coronavorgaben laut Infektionsschutzgesetz daran an, dass der Bundestag die epidemische Lage feststellt. Das Parlament hatte dies erstmals im März 2020 getan und mehrfach bestätigt. Als Hauptgrund für die geplante Änderung hatten die drei Parteien die Impfungen als Schutz vor Corona genannt. Zudem hatten sie angekündigt, dass spätestens zum 20. März 2022 sämtliche Coronabeschränkungen auslaufen sollen.
Kein Lockdown, keine Schulschließungen
Am 25. November läuft der Sonderstatus der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aus. Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich ebenso wie die möglichen neuen Regierungspartner dafür ausgesprochen, die Einstufung als Rechtsgrundlage für weitgehende Corona-Einschränkungen nicht mehr zu verlängern.
SPD, Grüne und FDP hatten bereits Ende Oktober mitgeteilt, dass sie stattdessen einen abgespeckten Katalog möglicher Maßnahmen festlegen wollen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung solle nach einer Anhörung von Expertinnen und Experten am 18. November im Bundestag beschlossen werden. Einen Tag später solle das Gesetz in einer Sondersitzung des Bundesrats beraten und verabschiedet werden.
Nach der Ankündigung der drei Parteien sollen den Bundesländern weiter Coronamaßnahmen wie Maskenpflicht, Hygienekonzepte oder Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene und Getestete offen stehen. Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren werde es aber nicht mehr geben, hatte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese gesagt.
Zuletzt ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland wieder steil angestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntagmorgen mit 191,5 an. Am Vortag hatte die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche noch bei 183,7 gelegen. Vor einer Woche betrug sie 149,4. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 23.543 Corona-Neuinfektionen.
Während die Ampel über bundesweite Regeln diskutiert, preschen einige Bundesländer vor: In Bayern gelten seit Sonntag wieder verschärfte Regeln. Grund ist die hohe Zahl belegter Intensivbetten. Zutritt zu Gasthäusern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen haben jetzt nur noch Geimpfte, Genesene und Menschen mit negativem PCR-Test. Ein Antigen-Schnelltest reicht nicht mehr.
Außerdem müssen generell wieder FFP2-Maske getragen werden. In Regionen, in denen die Zahl der Neuinfektionen und der Intensivpatienten besonders hoch ist, gelten noch strengere Regeln.
Mediziner fordern kostenlose Tests
Angesichts der Wucht der vierten Welle fordern immer mehr Politiker und Mediziner, wieder kostenlose Coronatests für alle anzubieten. Das Ende der Kostenübernahme für sogenannte Bürgertests habe nicht dazu geführt, Impfunwillige zu einer Impfung zu motivieren, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bund und Länder sollten diese „Fehlentscheidung“ schnell korrigieren.
Gerade in der kalten Jahreszeit brauche man wieder niedrigschwellige, kostenlose Testangebote. „Die Neuregelung muss jetzt schnell kommen, möglichst noch mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes Mitte November.“
Die Rückkehr zu Gratistests hatten auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Grünen-Chef Robert Habeck sowie Vertreter von Ärzten, Kommunen und Handel gefordert. Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst verlangte nun kostenlose Coronatests für Geimpfte und Genesene. „Die hohen Infektionszahlen unter Ungeimpften führen zu immer mehr Durchbrüchen auch bei den Geimpften“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“.
Seit dem 11. Oktober sind Corona-Schnelltests nur noch in Ausnahmefällen kostenlos. Der Bund hat die Finanzierung eingestellt. Viele Teststationen sind inzwischen geschlossen. Begründet wurde dies damit, dass nun jeder die Möglichkeit habe, sich durch eine Impfung zu schützen. Gratistests gibt es seither nur noch für Menschen, die sich nicht impfen lassen können, darunter Kinder unter 12 Jahren, sowie übergangsweise für 12- bis 17-Jährige und Schwangere.
Strengere Regeln für Ungeimpfte
Ärztepräsident Klaus Reinhardt verlangt, auch hierzulande nur noch Geimpften oder Genesenen den Besuch von Restaurants, Veranstaltungen oder Kinos zu erlauben. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, die 2G-Regel solle „am besten in allen Bereichen greifen, die nicht wie Lebensmittelgeschäfte oder Drogerien zum täglichen Bedarf gehören“.
Österreich hat die Einführung der 2G-Regel bereits beschlossen. In Deutschland setzt ab Montag als erstes Bundesland Sachsen die 2G-Regel in Teilen des öffentlichen Lebens flächendeckend und verpflichtend um.
Damit haben nur noch Genesene und Geimpfte Zutritt etwa zur Innengastronomie, Diskotheken oder Freizeit- und Kultureinrichtungen. Auch Großveranstaltungen wie Fußball im Stadion sind betroffen, der Einzelhandel oder Gottesdienste nicht.
Der Präsident der Bundesärztekammer forderte die Politik bundesweit zum Handeln auf. „Wir brauchen jetzt klare Regeln, um die Infektionsketten zu durchbrechen“, sagte Reinhardt der „Passauer Neuen Presse“. „Der Besuch etwa in der Gastronomie, bei Veranstaltungen oder im Kino sollte nur noch Genesenen und Geimpften vorbehalten bleiben.“
Notfalls seien sogar Lockdown-Maßnahmen für Ungeimpfte notwendig: „Wenn es darum geht, die stationäre Versorgung zu sichern, finde ich das gerechtfertigt. Schließlich sind es derzeit vor allem die Ungeimpften, die mit schweren Covid-Verläufen in den Kliniken behandelt werden müssen“, sagte Reinhardt. Auch der Arbeitsplatz müsse sicherer werden. „Das heißt: geimpft, genesen oder getestet.“
Ähnlich äußerte sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. „Es braucht verpflichtend 3G am Arbeitsplatz in ganz Deutschland“, sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). „Und die Arbeitgeber müssen das Recht haben, zu fragen, ob die Angestellten geimpft sind oder einen Test gemacht haben.“ In manchen Corona-Hotspots im Freistaat wird auch die 2G-Regel schon angewendet. Bayern zählt zu den Bundesländern mit den höchsten Corona-Inzidenzen.
SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach rät angesichts der Lage von größeren Weihnachts- und Karnevalsfeiern ab. Die wahrscheinlich letzte große Welle der Pandemie könne noch sehr viele Menschenleben kosten. „Daher ist es wichtig, dass die Menschen vorsichtiger werden“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Dazu gehört, möglichst auf betriebliche Weihnachtsfeiern in Innenräumen zu verzichten, an Weihnachten in kleineren Gruppen zu feiern und nicht zum Karneval zu gehen.“
Mehr: 23.543 Neuinfektionen – Bundesweite Inzidenz nahe der 200er-Marke
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Um die Impfquote zu erhöhen sollte man nicht über 2G oder kostenlose Test diskutieren. Man sollte vielmehr den Leuten sagen, dass es jedem frei steht sich kostenlos impfen zu lassen oder nicht. Jeder hat das Recht diese kostenlose medizinische Vorsorge anzunehmen oder abzulehnen.
Wer die kostenlose Vorsorge allerdings nicht in Anspruch nimmt, der sollte im Falle einer schlimmen Erkrankung von der Krankenkasse keine Unterstützung erwarten. Schließlich hat man sich im Vorfeld bewusst dagegen entschieden. Wer die finanziellen Folgen eines Krankenhausaufenthalts nicht selbst bezahlen kann/will lässt sich impfen.
Über den Versicherungsschutz bzw. den Versicherungsgedanken erreicht man die Deutschen meiner Meinung nach eher als über Drohungen/Warnungen.