Parteivorsitz Projekt 2025 – Die CDU träumt von der Teamarbeit

Waren zu Gast auf dem Deutschland-Tag der Jungen Union: Friedrich Merz, Jens Spahn, Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann (v.l.).
(Fotos: dpa / Montage: Handelsblatt)
Bonn Fernab der großen Bühne sprach Tilman Kuban eine Fürbitte. „Ein waches Herz“ wünsche er CDU und CSU, auf dass sie „das Richtige“ erkennen, erklärte der Chef der Jungen Union am Hochaltar des Doms zu Münster, wo sich die Delegierten zum ökumenischen Gottesdienst trafen.
Zuvor hatte der 34-Jährige auf der weltlichen Bühne der Münsterlandhalle Klartext gesprochen. „Die Lage ist beschissen“, bilanzierte er beim Deutschlandtag des Parteinachwuchses. Einen „Neuanfang“ fordern sie, inhaltlich – und personell.
Die Protagonisten gaben sich die Ehre: der Vizepräsident des Wirtschaftsrates, Friedrich Merz; CDU-Vize Jens Spahn, der Chef der Mittelstandsunion Carsten Linnemann und Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Und als Moderator: Parteichef Armin Laschet.
Er übernahm drei Wochen nach der Wahl die volle Verantwortung für die krachende Niederlage bei der Bundestagswahl und will die Partei noch geordnet übergeben, bevor er sich zurückzieht. Am Rand hörte ein weiterer Kandidat zu: Norbert Röttgen.
Es ist von einer „Agenda 2025“ (Merz) die Rede, vom „Projekt 2025“ (Spahn). „Es braucht Inhalte, aber es braucht auch Personen und Gesichter“, sagte Brinkhaus, der sich mit seiner Rede als Parteichef empfahl. Es könnte einen Plan geben. Doch dazu müssten die Kandidaten eine notwendige Bedingung erfüllen: Sie müssten sich vertrauen – und sich einigen.

Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union hat der CDU-Vorsitzende Armin Laschet den Zusammenhalt der Christdemokraten beschworen.
Wie es hieß, wird hinter den Kulissen seit Tagen intensiv telefoniert. Laschet führe lange Gespräche mit den Kandidaten, aber auch untereinander würden alle miteinander reden und ausloten, wie ein Team aussehen könnte. „Es sind teilweise lange Gespräche nötig“, wie es in der NRW-CDU heißt. „Der Prozess ist komplex, aber wenn er gelingt, dann brauchen wir keine Mitgliederbefragung“, sagt ein einflussreicher Bundestagsabgeordneter. Diese würde bei einer Kampfabstimmung lange dauern. Bei der SPD waren es fünfeinhalb Monate.
Gäbe es eine Einigung, dann könnte diese wie folgt lauten: Es gibt einen Kandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden, daneben scharen sich Stellvertreter, ein Generalsekretär, Bundesvorstände –: Frauen wie Männer, jung und alt, wie es sich für eine Volkspartei gehört. Darüber könnten die Mitglieder zügig online abstimmen.
Die 326 Kreisvorsitzenden könnten dies auf der für Ende Oktober eigens einberufenen Konferenz beschließen und dem Bundesvorstand für seine Sitzung am 2. November aufgeben. Ein Bundesparteitag könnte womöglich noch in diesem Jahr das Ergebnis formal bestätigen. Es gäbe eine große Mehrheit und nicht wie bei den jüngsten beiden Kampfabstimmungen denkbar knappe Mehrheiten.
Auch würden die 1001 Delegierten beschließen, 2022 ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Das letzte stammt von 2007. „Es wird ein bis zwei Jahre dauern, bis wir unseren Markenkern wieder geschliffen haben“, sagte Linnemann. Die Partei habe verlernt zu diskutieren.
Brinkhaus will gesellschaftliche Gruppen einbinden und so wieder einen wertebasierten Dialogprozess für die Partei in Gang setzen. Er stellte seinen Anspruch klar: „Diesen Weg, den möchte ich gemeinsam mit euch gehen.“ Spahn sprach von einem „Grundsatzprogrammprozess“, den die Partei „innerhalb von zwölf Monaten zum Abschluss bringen“ solle. Merz teilt den Zeitplan.
Nicht alle trauen sich
Das Problem: Der 65-jährige Merz und der 41-jährige Spahn trauen sich nicht, wie es hieß. Der 56-jährige Norbert Röttgen hat Team-Pläne bereits 2020 abgelehnt. Allein dem 53-jährigen Brinkhaus und dem 44-jährigen Linnemann wird die Bereitschaft nachgesagt.
„Es kommt natürlich darauf an, wer die Union in Zukunft führt“, sagte Merz. „Da geht es aber nicht um eine Person, da geht es um eine Führungsmannschaft.“ Wenn es eine Mannschaft gebe, in der es ein hohes Maß an Vertrauen gebe, die loyal sei und verschwiegen, dann werde er sich gern „einbringen und auch einreihen“, sagte er. „Es müssen die drei Buchstaben CDU im Vordergrund stehen und nicht ICH.“
„Es geht nicht um Armin, Jens, Ralph oder wen auch immer“, sagte Spahn. „Es geht um Team und Korpsgeist.“ Er sei bereit, sich einzuordnen, so wie zuletzt 2020 hinter Laschet. Und doch stellte er wie Merz klar: Es müsse „die richtige Aufstellung“ sein. „Das Team muss abbilden, dass jetzt mal die nächste Generation dran ist“, forderte er.
Doch sitzt Spahn bereits sein halbes Leben im Bundestag und gehört zum Establishment. Wegen seines Ehrgeizes zweifelt so mancher an dessen Loyalität. Auf die Frage, was er dafür getan hat, dass die Partei geschlossen und vertrauensvoll arbeitet, sagte er in Münster: „Jeder von uns muss sich prüfen.“
Brinkhaus forderte eine „neue Kultur der Loyalität und des Zusammenhalts. Wer das nicht kann, der kann den Weg mit uns ins Kanzleramt nicht gehen“, stellte er klar. „Es ist wichtig, dass wir als Team wahrgenommen werden, dass wir in unserer Vielfalt wahrgenommen werden. Dazu muss Sonne auf alle fallen.“ Linnemann, der als Generalsekretär gehandelt wird, nannte dies „Teamfeeling“.
Die Zeit drängt. „Wir müssen jetzt alles tun, damit wir im Saarland, in Schleswig-Holstein, in NRW und im Herbst in Niedersachsen Wahlen gewinnen“, sagte Laschet. „Deshalb wollen wir den Prozess zügig machen.“
So sehen es auch die Kandidaten: „Wir müssen die personelle Frage beantworten, wegen mir schon gerne im Dezember“, sagte Linnemann. Selbst aus Bayern souffliert CSU-Chef Markus Söder via Zeitungsinterview, eine stabile Union sei wegen der Wahlen wichtig. Er warnt vor einer linken Mehrheit im Bundesrat.
Laschet fordert Geschlossenheit der Union – und widerspricht Merz
Die Union droht Ministerpräsidenten zu verlieren: Daniel Günther (48) in Schleswig-Holstein und Tobias Hans (43) im Saarland oder Hendrik Wüst (46), der bald statt Laschet Nordrhein-Westfalen regieren soll. „Wir wollen mit ihnen die Landtagswahlen gewinnen“, sagt auch Jens Spahn. „Deshalb brauchen wir eine personelle Neuaufstellung – schnell.“
Ebenso notwendig wäre eine starke Opposition im Bund. Der neue Parteichef wird entscheiden, ob er auch Fraktionschef im Bundestag sein wird. Merz würde „Anfang 2022 die strategischen Leitlinien festlegen“ wollen. Fraktionschef Brinkhaus hat seinen eigenen Plan: Er setzt auf eine „gestaltende Opposition“. Er wolle schnell ins Kanzleramt zurück. 2025? „Besser früher.“
Mehr: Wer wird neuer CDU-Chef? Die Partei sehnt sich nach einem starken Oppositionsführer
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