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Pflegepolitik Der geplante flächendeckende Tarifvertrag für die Altenpflege steht vor dem Aus

Die Caritas will sich nicht für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vereinnahmen lassen. Damit sind Pläne der Politik vorerst gescheitert.
25.02.2021 - 13:39 Uhr Kommentieren
Auch die Pflege soll künftig durch digitale Anwendungen unterstützt werden. Quelle: dpa
Pflegeheim

Auch die Pflege soll künftig durch digitale Anwendungen unterstützt werden.

(Foto: dpa)

Berlin Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatten sich weit aus dem Fenster gelehnt. Die Beschäftigten in der Pflege hätten „nicht nur Respekt und Anerkennung verdient, sie brauchen auch bessere Löhne und Arbeitsbedingungen“, sagte Heil im Herbst 2019, als der Bundestag über das Pflegelöhneverbesserungsgesetz debattierte. Gute Pflege sei „die soziale Frage der 20er-Jahre“, betonte Spahn noch Ende vergangenen Jahres.

Doch der von Heil favorisierte Weg, über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für bessere Pflegelöhne zu sorgen, ist nun vorerst gescheitert. Die arbeitsrechtliche Kommission der Caritas, die zu den großen Pflegeanbietern gehört, entschied am Donnerstag, diesen Weg nicht mitzugehen. „Heute ist ein schlechter Tag für die Pflege in Deutschland“, sagte der Bundesarbeitsminister dazu.

Der Entscheidung war ein wochenlanges Tauziehen und zuletzt auch ein öffentlich ausgetragenes Duell zwischen Heil und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vorausgegangen, die vor einem starken Eingriff in die Tarifautonomie warnte. Heil sprach am Donnerstag von einer „Kampagne“. Die Kritiker hätten den Beschäftigten in der Pflege „in den Rücken getreten“.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, zeigte sich „zutiefst enttäuscht“ und kritisierte die „Verweigerungshaltung“ der Arbeitgeber. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegekräfte“, sagte Westerfellhaus dem Handelsblatt. „Dass die Arbeitgeber diese historische Chance nicht nutzen und den von der Politik ausgerollten roten Teppich nicht betreten, ist ein verheerendes Signal für alle Pflegekräfte.“

Entzündet hatte sich der Streit an einem Tarifvertrag, den die Gewerkschaft Verdi und der noch junge Verband Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) geschlossen haben. Bei seinen Mitgliedsunternehmen sind nur rund 70.000 der mehr als eine Million Altenpfleger in Deutschland beschäftigt.

Heils Pläne sind nun vorerst hinfällig

Dennoch hatte Heil mehrfach betont, er werde den Tarifvertrag für die Branche insgesamt verbindlich machen, wenn die Kirchen einen solchen Antrag unterstützen. Die Diakonie und die Caritas betreiben zusammen mit den weltlichen Wohlfahrtsverbänden gut die Hälfte der Pflegeheime in Deutschland. Die Verbände der privaten Pflegeanbieter, BPA und AGVP, liefen Sturm gegen die Pläne. Der AGVP hatte sogar angekündigt, den Tarifvertrag zwischen Verdi und dem BVAP vor Gericht anfechten zu wollen.

Mit der Entscheidung der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit nicht zu unterstützen, sind Heils Pläne nun vorerst hinfällig – auch wenn am Freitag noch die Diakonie entscheidet, wie sie sich verhalten will. Die Kirchen schließen keine Tarifverträge, sondern folgen dem sogenannten Dritten Weg und regeln die Arbeitsbedingungen in den paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen.

Die ablehnende Haltung zur Allgemeinverbindlichkeit begründete die Arbeitgeberseite der Caritas nun damit, dass der Tarifvertrag Altenpflege zu tief in ihre arbeitsvertraglichen Richtlinien eingreifen würde. Daneben gebe es aber auch „grundsätzliche Bedenken“. So sei nicht geklärt, wie denn eine Umsetzung des Tarifvertrags, die zu erheblichen Mehrkosten führen würde, finanziert werden soll, ohne die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zusätzlich zu belasten.

Spahn soll Druck über die Pflegeversicherung ausüben

Schon die von der Pflegemindestlohnkommission beschlossene Anhebung der Lohnuntergrenze, die für Fachkräfte bis 2023 auf 18,50 Euro pro Stunde steigen soll, führt zu einer erheblichen Kostenbelastung.

Heil kündigte am Donnerstag an, die Pflegemindestlohnkommission nun erneut einzuberufen. Neben dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag sieht das Gesetz als zweite Möglichkeit vor, über höhere Lohnuntergrenzen die Bezahlung in der Pflege insgesamt anzuheben.

Daneben forderte Heil aber auch den Gesundheitsminister auf, dafür zu sorgen, dass Pflegeanbieter künftig nur noch Geld aus der Pflegeversicherung erhalten, wenn sie nach Tarif zahlen. Entsprechende Eckpunkte hatte Spahn im November vorgelegt. Heil drängte, ein entsprechendes Gesetz noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.

Der private Arbeitgeberverband AGVP begrüßte, dass aus dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vorerst nichts mehr wird. „Dem Himmel sei Dank, dass die Caritas diesen Spuk gestoppt hat“, sagte Verbandspräsident Thomas Greiner. Dagegen betonte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler, die Caritas handele mit ihrer Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen Aussagen und Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung sozialer Dienste gehe. „Das ist mehr als scheinheilig.“

Mehr: Streiks in der Metall- und Elektroindustrie: „Wir sind auch über Ostern hinaus kampfbereit“

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