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Pipeline Was der neue Streit um Nord Stream 2 für die künftige Regierung bedeutet

Die künftigen Koalitionäre streiten über den Umgang mit der Pipeline und die Rolle Mecklenburg-Vorpommerns. Der Betrieb der Gasleitung ist indes auch ohne Zertifizierung denkbar.
26.11.2021 - 04:00 Uhr 3 Kommentare
Der ungelöste Konflikt um Nord Stream 2 könnte sich schon bald zum handfesten Koalitionskrach hochschaukeln. Quelle: Reuters
Nord Stream 2

Der ungelöste Konflikt um Nord Stream 2 könnte sich schon bald zum handfesten Koalitionskrach hochschaukeln.

(Foto: Reuters)

Berlin, Brüssel Die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ hat sich „gemeinwohlorientierten Aufgaben“ verschrieben. Was sie darunter versteht, lässt sich auf ihrer Homepage nachlesen. Zum Beispiel, dass sie Kita-Kinder in Mecklenburg-Vorpommern Setzlinge für „Platanen, Eichen, Kastanien, Eschen und Ahornbäume“ pflanzen lässt.

Über die brisanten Nebentätigkeiten der Stiftung erfährt man auf der Webseite dagegen nichts. Wohl deshalb, weil diese weniger dem Gemeinwohl dienen als den Interessen des russischen Staatskonzerns Gazprom und seinen europäischen Geschäftspartnern.

Wie das Handelsblatt am Dienstag aus US-Regierungskreisen erfuhr, ist die Stiftung stärker als bisher bekannt an den Bemühungen zur Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 beteiligt.

Registereinträge, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aufgetrieben hat, bestätigen diese Information: Die Stiftung ist seit 1. Juli 2021 Eigentümerin eines Frachters namens „Blue Ship“, dessen Einsatz für Steinaufschüttungen an einzelnen Bereichen der inzwischen vollständig verschweißten Pipeline vorgesehen ist.

Die Stiftung will sich zu den Aktivitäten zum Wohle Gazproms nicht äußern. Eine Anfrage des Handelsblatts ließ sie unbeantwortet. Doch so einfach wird sich die Debatte nicht aussitzen lassen. Die Stiftung und ihr „Blue Ship“ stehen im Zentrum einer geopolitischen Auseinandersetzung – und könnten sich zu einer ernsthaften Belastung der Ampelkoalition entwickeln.

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Die Grünen üben scharfe Kritik: „Die Stiftung ist so sehr zur Rettung des Klimas geeignet wie Benzin zum Feuerlöschen“, sagte Claudia Müller, Wirtschaftspolitikerin der Grünen. Der Stiftungszweck sei „purer Etikettenschwindel“, das sei schon länger klar.

„Doch dass die Stiftung sich derart die Hände schmutzig macht und selbst beim Pipelinebau hilft, überrascht dann schon“, betonte Müller, die an den Verhandlungen zu den Wirtschafts-Kapiteln des Koalitionsvertrags beteiligt war und selbst aus Mecklenburg-Vorpommern stammt. „Ich frage mich, wie hörig man eigentlich dem russischen Energiekonzern Gazprom als Landesregierung sein möchte“. Das sei „nur noch grotesk“.

SPD-Politiker nehmen die Stiftung dagegen in Schutz. „Man mag sich über den Namen der von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gegründeten Stiftung streiten. Sinn und Zweck der Konstruktion sind jedoch klar: Es geht darum, die Realisierung des Projektes trotz der völkerrechtswidrigen US-Sanktionen zu gewährleisten. Dagegen kann man nichts einwenden“, sagte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Mit Blick auf die US-Sanktionen verfolge die Ampel im Übrigen „eine unmissverständliche gemeinsame Linie“, sagte er.

Die mecklenburgische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), nach ihrem triumphalen Wahlsieg im September eine der einflussreichsten Stimmen der Sozialdemokraten, zählte zu den treibenden Kräften hinter der Idee, die Stiftung gemeinsam mit Gazprom zu gründen. In einer Landtagsdebatte räumte Schwesig zu Jahresbeginn ein, dass die gemeinnützige Organisation auch einen Beitrag zur Fertigstellung von Nord Stream 2 leisten könne.

Die mecklenburgische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig räumte ein, dass eine gemeinnützige Organisation auch einen Beitrag zur Fertigstellung von Nord Stream 2 leisten könne. Quelle: dpa
Manuela Schwesig bei Nord Stream 2

Die mecklenburgische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig räumte ein, dass eine gemeinnützige Organisation auch einen Beitrag zur Fertigstellung von Nord Stream 2 leisten könne.

(Foto: dpa)

Die Grünen haben die Kooperation mit Gazprom wiederholt angeprangert, sie lehnen die Pipeline ab. Auch die FDP hat sich gegen Nord Stream 2 positioniert, vor allem aus außenpolitischen Gründen: Die Gasleitung zwischen Russland und Deutschland ist ein Prestigeprojekt des Kreml und schürt in Osteuropa massive Ängste.

Der Koalitionsvertrag klammert die Pipeline aus

Im Koalitionsvertrag wird die Pipeline nicht direkt erwähnt; den Parteien gelang es nicht, ihre Differenzen auszuräumen. Der ungelöste Konflikt um Nord Stream 2 könnte sich damit schon bald zum handfesten Koalitionskrach hochschaukeln.

Die Grünen jedenfalls lassen keinen Zweifel daran, dass sie bei ihrer Ablehnung bleiben – und verweisen darauf, dass das zuständige Bundeswirtschaftsministerium künftig in ihrer Hand liegt. „Ich gehe fest davon aus, dass ein Wirtschaftsministerium unter bündnisgrüner Führung das Pipeline-Projekt genau und kritisch begleiten wird“, sagte Müller. Der Koalitionsvertrag mache deutlich: „Wer Gas nach Deutschland liefern möchte, muss sich an hier geltende Gesetze halten.“

Auch Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, stellte klar, dass die neue Bundesregierung „definitiv eine andere Politik“ betreiben wird als die bisherige. „Aus unserer Sicht ist Nord Stream 2 ein europäisches Thema“, sagte er. „Die entscheidende Frage lautet: Steht die Pipeline im Einklang mit dem europäischen Energierecht?“

Daran gibt es in Brüssel Zweifel. Zwar ist unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 verhindert. Aber sie könnte Auflagen einfordern, die das Projekt für Gazprom weniger lukrativ machten.

Zunächst müssen allerdings die verbleibenden Arbeiten am Meeresgrund fertiggestellt werden. Womit die „Blue Ship“ wieder ins Spiel kommt. Bisher hat das Schiff für die Betreibergesellschaft Steinaufschüttungen in dänischen Gewässern durchgeführt.

Solche Aufschüttungen werden stellenweise erforderlich, um eine Pipeline auf dem Meeresgrund zu stabilisieren. Geringe Restarbeiten stehen nach Informationen des Handelsblattes aus Branchenkreisen noch aus. Die Nord Stream 2 AG stellt klar: Alle Arbeiten der „Blue Ship“ für die Nord Stream 2 AG seien auf der Grundlage von Genehmigungen der jeweils zuständigen Behörden erfolgt.

Eine Stiftung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern soll den Konzern Gazprom bei Nord Stream 2 unterstützen. Quelle: dpa
Rohre für die Erdgaspipeline in Mecklenburg-Vorpommern

Eine Stiftung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern soll den Konzern Gazprom bei Nord Stream 2 unterstützen.

(Foto: dpa)

Die USA, die Nord Stream 2 für ein russisches Machtinstrument und eine geopolitische Fehlkalkulation der scheidenden Bundesregierung halten, verfolgen die Aktivitäten der „Blue Ship“ mit Argwohn. Das US-Außenministerium führte das Schiff in seinem jüngsten Sanktionsbericht an den Kongress auf, sanktioniert haben die Amerikaner es allerdings nicht. 

Denn die Strafmaßnahmen hätten dann auch die Stiftung und damit mittelbar die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern getroffen. Eine Eskalation, vor der Präsident Joe Biden zurückschreckt. Insofern erfüllt die Stiftung aus SPD-Sicht ihren Zweck.

Derzeit befindet sich die „Blue Ship“ im Hafen Mukran auf Rügen. Ob und wann das Schiff wieder ausläuft, ist im Moment nicht sicher vorhersehbar. Offen ist ebenfalls, ob und wann die Pipeline in Betrieb geht.

Die Bundesnetzagentur hatte Anfang vergangener Woche das Zertifizierungsverfahren für die Nord Stream 2 AG ausgesetzt. Zunächst müsse die Betreiberfirma nach deutschem Recht organisiert werden, hatte die Behörde zur Begründung mitgeteilt.

Bislang hat das Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz. Mittlerweile ist das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits dabei, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Nur dieser Leitungsabschnitt ist von der Zertifizierung betroffen.

Ukraine warnt vor Umsturzversuch im eigenen Land

Mit der Zertifizierung soll bestätigt werden, dass das Unternehmen die Bedingungen der EU-Gasmarktrichtlinie erfüllt. Der EU-Gasrichtlinie zufolge müssen Betrieb der Leitung und Vertrieb des Gases getrennt sein. Außerdem muss Dritten der Zugang zur Pipeline ermöglicht werden. 

Wird die Betreibergesellschaft so lange warten?

Wie lange das Zertifizierungsverfahren, das ursprünglich Anfang Januar hätte abgeschlossen sein müssen, nun ausgesetzt bleibt, ist unklar. Die Zeitspanne, die mit dem Vorgang befasste Experten nennen, variiert. Einige sprechen von „wenigen Wochen“, andere von „mehreren Monaten“.

Wird die Betreibergesellschaft so lange warten? Insider verweisen darauf, dass die Inbetriebnahme einer Pipeline auch ohne Zertifizierung nicht ohne Vorbild wäre. Tatsächlich gingen die „Nordeuropäische Erdgasleitung“ (NEL) sowie die Ferngasleitung EGL 401 nach Angaben der Bundesnetzagentur zunächst in Betrieb, ohne das die Zertifizierung bereits erteilt gewesen wäre. Laut Bundesnetzagentur droht bei Inbetriebnahme ohne Zertifizierung ein einmaliges Bußgeld in Höhe von „bis zu einer Millionen Euro“.

Der Betrag erscheint überschaubar. Die Investitionen in den Bau von Nord Stream 2 belaufen sich auf mindestens zehn Milliarden Euro. Angesichts des anhaltend hohen Gaspreisniveaus könnte es für den Betreiber verlockend sein, die Leitung rasch in Betrieb zu nehmen, zumal Gazprom dadurch Transitgebühren für die Durchleitung von Gas durch die Ukraine sparen würde.

Allerdings betont die Bundesnetzagentur, die beiden Altfälle seien mit dem Projekt Nord Stream 2 keinesfalls vergleichbar. „Eine Schlussfolgerung aus diesen beiden Verfahren für laufende oder künftige Verfahren ist nicht möglich. Dazu unterscheiden sich die zu prüfenden Unternehmen und die Sachverhalte in der Zertifizierung zu sehr“, sagte ein Sprecher der Behörde.

Mehr: Wie die Gas-Panik den Windkraftbetreibern schadet.

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3 Kommentare zu "Pipeline: Was der neue Streit um Nord Stream 2 für die künftige Regierung bedeutet"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Deutschland Zukunft ist bei diesen 3 Parteien äußerst GEFÄHRDET:

    Hoffentlich zeigt jemand den Grünen die rote Karte.

    Der Sandspielkasten befindet sich nicht im Plenum.

  • @Herr Hans Henseler
    Die DUH ist eine sehr egozentrische Organisation, die auf ihr eigenes Wohl bedacht ist und nicht auf eine "Umwelthilfe". Das zeigt sich schon dadurch, dass sie teilweise aus Steuergeldern finanziert wird, dass sie ein Abmahnverein ist, der nach Verfehlungen von Bürgern z.B. im Internet sucht und dann teure Provisionen für Unterlassungserklärungen fordert. Auch Prozesse verhelfen den DUH Anwälten zu schönen Einnahmen.
    Es geht der DUH ums Geld sonst nix.
    Dass die DUH nicht das Interesse Deutschlands vertritt sollte jedem klar sein. Auch nicht das ureigene ökologische Interesse der Grünen:
    Das russische Gas aus Nord Stream 2 ermöglicht die Abschaltung der Kernkraftwerke und das Zurückfahren der Kohlekraftwerke. Sonne und Wind reichen als Energielieferanten nicht!
    Deshalb liegt Nord Stream 2 im ureigenen Interesse der Grünen und einem ökologischen Wandel in Deutschland bei der Energieerzeugung. Das einige Grüne gegen Nord Stream 2 opponieren zeigt zum einen deren ideologische, realitätsferne Grundeinstellung und zum Anderen eine fehlende Anpassungsfähigkeit, da sie nicht mehr in der Opposition sondern in der Regierung sind. Sie haben Verantwortung für Deutschland und auch dafür, dass die lebenslang fleißige Oma nicht in ihrer kleinen Wohnung frieren muss.

  • "Zum Wohl Gazproms" - NS 2 dient nicht dem "Wohl Gazproms" sondern der Versorgung
    Mitteleuropas mit dringend notwendiger Energie. Gazprom ist nicht die Caritas und verkauft
    das Gas zum niedrigsten Preis zu dem man Energie - ganz gleiche welche - zur Zeit bekommen kann. Wenn die "Umwelthilfe" guenstigeres und sauberes Gas besorgen kann,
    soll sie das bitte anbieten. Ansonsten hilft sie nur den Amis ihr schmutziges und teures
    Gas an den Mannn zu bringen - aber rein logistisch koennten die Amis diese Mengen
    ueberhaupt nicht liefern.

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