Programm „Tech4Germany“ Digitales Angebot der Justiz: Das Staats-Legal-Tech kommt

Für das Bundesjustizministerium verläuft die Kooperation mit „Tech4Germany“ unentgeltlich, aber in enger Zusammenarbeit.
Berlin So einfach wie Onlineshopping, Daten direkt online eingeben und keine Sorge vor hohen Anwaltsrechnungen: Mit diesen Argumenten werben Rechtsportale wie Conny, Myright und Flightright für ihre Dienste. Die Legal-Tech-Firmen bieten den Bürgern an, Streitigkeiten etwa im Mietrecht und Dieselskandal oder bei Flugausfällen per Mausklick auszutragen. Natürlich gegen Erfolgshonorar oder durch das Abtreten von Ansprüchen.
Selbst ziehen die Bürger indes nur zögerlich vor Gericht. Erst ab einem finanziellen Schaden von 2000 Euro, zeigen Umfragen, kommt eine Klage in Betracht. Das Kostenrisiko gilt als große Hemmschwelle. Das Verfahren wird als kompliziert empfunden. Und online können die Ansprüche bei Gericht noch gar nicht geltend gemacht werden.
Es müsste also so etwas wie ein staatliches Legal Tech her. Um hier voranzukommen, sollen nun vier Digital-Talente eine prototypische Softwarelösung für das Bundesjustizministerium entwickeln. Es geht nicht um ein fertiges Online-Klage-Tool. Wohl aber darum, ein digitales Angebot der Justiz konkret vorzubereiten.
Da ist Eileen Einwächter, die gerade ihren Master in Digital Technologies an der Ludwig-Maximilians-Universität München gemacht hat und besonders eine nutzerfreundliche Interaktion in den Blick nimmt. Marcus Novotny hat schon bei digitalen Projekten von McKinsey und Google Cloud mitgearbeitet. Michael Laßmann ist auf IT-Sicherheit spezialisiert und war in den vergangenen vier Jahren als Entwickler tätig. Nils Thamm sah das SAP Innovation Center im Silicon Valley schon von innen und ist Absolvent des Hasso-Plattner-Instituts.
Sie sind Mitte 20 und arbeiten nun für zwölf Wochen in einem Berliner Beton-Loft zusammen, um das Ministerium auf dem Weg in die Zukunft zu unterstützen. Als Fellows gehören sie zum Programm „Tech4Germany“, das der Bund finanziert. Seit 2018 bringt es interdisziplinäre Teams mit der öffentlichen Verwaltung für Softwareprojekte zusammen.
Mit bunten Hafties haben die vier Fellows auf einem rollbaren Whiteboard einen ersten Problemaufriss skizziert. Auf dem PC ist der Prozess etwa mit „geclusterten insights“ nun schon viel komplexer aufbereitet. „Wir sind bei Gericht gewesen und haben eine Klageerhebung von der Poststelle über den Sachbearbeiter bis hin zum Richter begleitet“, berichtet Einwächter.
Wie papierlastig noch alles ablaufe, sei doch ein kleiner „Schock“ gewesen, fügt ITler Thamm hinzu. Das System laufe aber natürlich tadellos.
Einfache Sachverhalte
Mit Blick auf das Mietrecht haben die Fellows auch Betroffene befragt, welche Probleme und Hürden sie bei einer Klage sehen. „Es herrscht im Grunde Unwissenheit über den Zivilprozess“, berichtet Novotny. „Viele ahnen, dass sie einen Anspruch haben, wissen dann aber nicht weiter.“ Das Fazit des Produktentwicklers: „Eine einfache Eingabemaske für eine Onlineklage wird nicht reichen.“ Die Bürger müssten abgeholt werden.
Insgesamt sei eine Onlinelösung für den Staat schwieriger als für Legal-Tech-Anbieter, die dann im Hintergrund erst die notwendigen juristischen Schritte einleiteten.
Klar ist: Für ein Online-Klage-Tool müssen die Verfahren massetauglich sein, mit einfachen Sachverhalten und geringem Streitwert, ohne aufwendige Beweismittel und bestenfalls ohne mündliche Verhandlung. Programmierer Laßmann verweist auch auf die nötige Anbindung an die teils unterschiedliche Justiz-IT in den Ländern, die IT-Sicherheit und eine zuverlässige Identifikation der Nutzer. „Das denken wir schon alles mit, damit später entsprechende Übergänge geschaffen werden können“, erklärt er.
Für das Bundesjustizministerium verläuft die Kooperation mit „Tech4Germany“ unentgeltlich, aber in enger Zusammenarbeit. Einmal wöchentlich gibt es einen festen Termin mit den Fellows und wenn nötig tägliche Abstimmungen mit ausgewählten „Digitallotsen“.
Einer davon ist Ministerialrat Philip Scholz. „Es geht nicht darum, in Konkurrenz zu den Legal-Tech-Anbietern zu treten“, erklärt er. „Die Justiz selbst sollte Bürgerinnen und Bürgern zeitgemäße Angebote machen und das Potenzial digitaler Anwendungen besser nutzen.“
Es gehe also auch darum, die Justiz schneller, ressourcenschonender und moderner zu machen. Ein mögliches Onlinetool müsse sich in einen größeren Rahmen einfügen, „in dem es heute bereits die Elektronische Akte gibt und künftig vielleicht ein gerichtliches Onlineverfahren, das vollständig im Wege elektronischer Kommunikation geführt wird“.
Die Fellows haben nach eigenem Bekunden schon „Sympathie und Verständnis“ für die Behörde gewonnen. Novotny meint: „Im Ministerium ist der Veränderungswille da.“
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