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Programmieren an Schulen Wer will den Mini-Computer?

Der Calliope mini soll deutschen Grundschülern das Programmieren beibringen. Um ihn ist ein wahrer Hype entstanden – zumindest bei den Machern und Förderern. Gelingt den Schulen damit der Anschluss an die digitale Welt?
29.01.2017 - 12:20 Uhr Kommentieren
Quadratisch, praktisch – gut?
Mini-Computer Calliope

Quadratisch, praktisch – gut?

Der Star auf dem letzten IT-Gipfel der Bundesregierung im Herbst 2016 sah tatsächlich aus wie ein Stern. Sechs abgerundete Ecken hatte das Highlight, 25 LED-Lämpchen plus Sensoren für Bewegung, Temperatur und Helligkeit, Lautsprecher, Mikrofon und eine Motorsteuerung. Der Calliope mini, ein sternförmiger Minicomputer, der locker in die Handfläche eines Erwachsenen passt, soll Grundschülern das Programmieren beibringen. Selbst Kanzlerin Angela Merkel und ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ließen sich am Stand des Calliope-Herstellers eine Vorführung geben. Auch die Chefs von Telekom und Google, Timotheus Höttges und Sundar Pichai, waren als Unterstützer des Projekts dort.

Um den Minicomputer ist seitdem ein wahrer Hype entstanden. Das Gerät ist nicht weniger als die Hoffnung darauf, dass Deutschlands Schulen endlich der Anschluss an die digitale Welt gelingt, dass die Schüler hierzulande künftig wissen, worauf Computer, Algorithmen, ja unser ganzes digitales Leben aufgebaut sind. Alle Grundschüler, so die Macher, sollen damit die Grundzüge des Programmierens lernen, ab Februar soll das Saarland beginnen. „Ein bundesweit flächendeckender Einsatz ist in Abstimmung mit den Schulen für die nächsten Jahre geplant“, heißt es in einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums.

Der Auftritt auf dem IT-Gipfel brachte nicht nur den Calliope-Machern die wohl größtmögliche Aufmerksamkeit und Unterstützung. Die Politik wiederum konnte konkret zeigen, wie sie bei der digitalen Bildung endlich Fortschritte machen will. „Es war das richtige Thema zur richtigen Zeit“, sagt die Designprofessorin und Mitgründerin der gemeinnützigen Calliope GmbH Gesche Joost. Die Kontakte der Macher hinter dem Minicomputer haben aber wohl auch nicht geschadet. In dem gemeinnützigen Unternehmen, das den Calliope mini entwickelt und vermarktet, haben sich IT-Experten, Medienentwickler und Designer zusammengefunden. Das Gesicht des Start-ups ist niemand Geringeres als Gesche Joost, Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin und Internetbotschafterin der Bundesregierung. Als der SPD-Mann Peer Steinbrück 2013 in den Kanzlerwahlkampf zog, war sie in seinem Wahlkampfteam. Ihr Mitgründer Stephan Noller wiederum sitzt im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“, der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) berät.

Telekom-Chef Höttges, Google-Chef Pichai, Gründerin Joost und CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Calliope mini. Quelle: dpa
Auf dem IT-Gipfel

Telekom-Chef Höttges, Google-Chef Pichai, Gründerin Joost und CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Calliope mini.

(Foto: dpa)

Über ihn ist laut Joost auch der Kontakt zum Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) zustande gekommen, das den IT-Gipfel koordiniert. Die Calliope-Macher durften ihren Minicomputer dort nicht nur öffentlichkeitswirksam begutachten lassen, sie bekamen auch 186.500 Euro. Anfang Mai 2016 hatten die Initiatoren einen Antrag auf Förderung beim Wirtschaftsministerium gestellt, nach der üblichen Prüfung auf Förderungswürdigkeit erhielten sie das Geld. Laut dem Ministerium hatte sich keine andere Initiative zuvor um eine Förderung beworben. In einem Papier des Ministeriums heißt es, das „Calliope mini-Board“ sei „vom BMWi und vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft“ entwickelt worden.

Für jedes von 700.000 Kindern jährlich ein Gerät

Die Initiatoren jedenfalls haben Großes vor: „Das Ziel ist es, flächendeckend alle Schüler der dritten Klasse jedes Jahr mit einem mini auszustatten“, heißt es in den Unterlagen zum Calliope. Das wären rund 700.000 Kinder jährlich, die eines der etwa 20 Euro teuren Geräte bekommen, aber dafür nicht bezahlen sollen. Auch die Länder sollen die kleinen Platinen umsonst erhalten. Die Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium und auch die fast 110.000 Euro, die die Calliope-Macher über eine Crowdfunding-Plattform eingesammelt haben, sind allenfalls ein Anfang. „Die Anschubfinanzierung wird durch Spenden von Unternehmen und Stiftungen erreicht werden“, heißt es bei Calliope. „Später soll das Angebot schrittweise in den normalen Betrieb des Bildungssystems integriert werden.“ Auf der Webseite werden als Partner etwa der Suchmaschinenriese Google, die Telekom Stiftung, der Automobilzulieferer Bosch und die Softwarehersteller Microsoft und SAP genannt.

In Zukunft soll die gemeinnützige Firma aber auch Einnahmen aus dem Verkauf des Calliope mini erzielen. Über den Schulbuchverlag Cornelsen kann der ab Mitte Februar bestellt werden – als „Bundle“ mit einer Handreichung für den Unterricht, heißt es bei Cornelsen. Gedacht sei dieses Angebot für Privatleute und alle „Interessierten, die Calliope schon einsetzen, aber nicht warten wollen, bis ihr Bundesland oder ihre Schule an der Reihe ist“.

Mitte Februar soll die Auslieferung im Saarland beginnen, wo der Calliope schon an zwei Pilotschulen getestet wird. Offenbar sind die Lehrer und Schulleiter der 160 Grundschulen aber nicht ganz so euphorisch wie Gründer und Politik. Kein Lehrer wird gezwungen. Und die Geräte bekommt nur, wer zuvor eine spezielle Schulung mitgemacht hat. Das Bildungsministerium rechnet mit 100 Schulen und insgesamt 6.000 Schülern, die mitmachen, Calliope will bis zum Herbst bis zu 8 000 Geräte kostenlos bereitstellen. Anfang Januar hatten sich aber erst 26 Schulen für die Fortbildung und den Einsatz des Calliope angemeldet.

Ein Grund für die Zurückhaltung könnte darin liegen, dass es in der Regel keine Informatiklehrer an den Grundschulen gibt und sich die meisten Lehrer erst einmal selbst mit der Technik und ihren Möglichkeiten vertraut machen müssen. Doch so aufgeschlossen sind nicht alle. Etwa die Hälfte der Lehrer in Deutschland würde laut einer Studie des IT-Branchenverbands Bitkom neue Medien gerne öfter im Unterricht einsetzen – die andere Hälfte aber eben nicht.

Hinzu kommt: Um mit dem Calliope mini wirklich ein Verständnis fürs Programmieren zu entwickeln, sollte er über seinen USB oder Bluetooth-Ausgang an einen PC oder Laptop mit Internetverbindung angeschlossen werden. Und da sieht es in vielen Schulen noch eher mau aus. Im Saarland etwa teilen sich im Schnitt acht Grundschüler einen PC. Und Laptops gibt es zwar an acht von zehn Grundschulen – doch im Schnitt gerade einmal fünf pro Schule.

Von ihrem Ziel, alle Drittklässler der Republik auszustatten, sind die Calliope-Initiatoren denn auch noch weit entfernt. Zwar betonen sie, dass es viele Anfragen gebe und einige Pilotprojekte geplant seien – etwa in Niedersachsen, Bremen oder Berlin. Doch in Bremen sind die Gespräche laut einer Sprecherin der Bildungssenatorin noch „sehr am Anfang“, vermutlich soll der Minicomputer in zwei Grundschulen getestet werden. Niedersachsen ist nicht viel weiter, die Landesregierung „prüft gegenwärtig, ob und wie Minicomputer wie zum Beispiel der ‚Calliope mini‘ im Rahmen eines Pilotprojekts an den Schulen des Landes zum Einsatz kommen können“. In Berlin immerhin sollen in diesem Jahr „bis zu 100 Lehrkräfte geschult werden, so dass an circa 50 Schulen der Calliope eingesetzt werden kann“, sagt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung.

Es ist eine Erfahrung, die schon viele gemacht haben, die an den Schulen etwas verändern wollten: Schnell geht im deutschen Bildungssystem so gut wie nichts. Dana Heide, Stefani Hergert, Christof Kerkmann

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