Qualifizierung Trotz Weiterbildungsstrategie: Nur jede 100. Fachkraft bekommt ein Stipendium
![In den letzten Jahren erhielten jeweils rund 6000 junge Fachkräfte unter 25 Jahren ein Weiterbildungsstipendium, um sich etwa zur Meisterin oder zum Techniker weiterzuqualifizieren. Quelle: dpa [M]](/images/auszubildender-in-einer-kfz-werkstatt/27242352/2-format2020.jpg)
In den letzten Jahren erhielten jeweils rund 6000 junge Fachkräfte unter 25 Jahren ein Weiterbildungsstipendium, um sich etwa zur Meisterin oder zum Techniker weiterzuqualifizieren.
Berlin Weiterbildung gilt angesichts der schrumpfenden Bevölkerung als zentraler Schlüssel, um den steigenden Fachkräftemangel zu bekämpfen. Doch trotz Weiterbildungsstrategie des Bundes erhält lediglich jeder 100. Absolvent einer Berufsausbildung ein Stipendium, um sich danach zum Meister oder zur Technikerin weiterzuqualifizieren.
Damit ist der Anteil nur halb so groß wie bei den Studierenden: Von diesen erhalten immerhin zwei Prozent ein Stipendium der vom Bund finanzierten Begabtenförderwerke oder ein Deutschlandstipendium. Daneben sind vor allem junge Fachkräfte mit Migrationshintergrund bei den Weiterbildungsstipendien weit unterrepräsentiert.
Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. „Der Bund sollte Talente in der beruflichen Bildung endlich besser fördern“, fordert der Sprecher der Liberalen für berufliche Bildung, Jens Brandenburg. „Den vielen Sonntagsreden zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung müssen Taten folgen: Wir sollten die Schieflage zwischen Studierenden und beruflich Ausgebildeten beheben und die Mittel des Weiterbildungsstipendiums deutlich aufstocken“, sagte er dem Handelsblatt.
Der Bund hatte 2019 eine Nationale Weiterbildungsstrategie aufgelegt – passiert ist seither wenig. Erst kürzlich gab Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) den Startschuss für die schon im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Bildungsplattform.
In den vergangenen Jahren erhielten jeweils rund 6000 junge Fachkräfte unter 25 Jahren ein Weiterbildungsstipendium, um sich etwa zur Meisterin oder zum Techniker weiterzuqualifizieren oder auch ein Studium anzuschließen. Bezahlt werden die Kosten der Maßnahme selbst, Fahrtkosten, Aufenthaltskosten am Ort der Maßnahme und Arbeitsmittel.
Die maximale Förderhöhe wurde 2020 auf insgesamt 8100 Euro aufgestockt – im Schnitt wurden zuletzt pro Stipendiat 4348 Euro bezahlt.
Seit Beginn des Programms im Jahr 1991 wurden 145.000 Berufseinsteiger- und -einsteigerinnen mit insgesamt 500 Millionen Euro gefördert. Das Bundesbildungsministerium hat ein jährliches Budget für diese Förderung von rund 30 Millionen Euro.
Schlechte Chancen für Migranten
Weit unterrepräsentiert seien Stipendiaten mit Migrationshintergrund – obwohl gerade sie sich oft für einen beruflichen Bildungsweg entscheiden würden, kritisiert Brandenburg. Nach den Angaben des Bundes entfielen zuletzt knapp 15 Prozent der Stipendien auf Migranten. Ihr Anteil an den Bewerbern für eine Berufsausbildung hingegen liegt mittlerweile bei 30 Prozent, inklusive der Geflüchteten sogar bei 36 Prozent.
Der Liberale fordert mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die Migranten teilweise haben: „Begabung bemisst sich nicht nur an Abschlussergebnissen, sondern auch an besonders beeindruckenden Wegstrecken zu diesem Ziel. Das sollte bei der persönlichen Ansprache und Auswahl der Geförderten berücksichtigt werden.“
Die Weiterbildungsstipendien werden an „begabte“ Bewerber vergeben – in der Regel ist dafür eine Abschlussnote der Ausbildung von mindestens 1,9 nötig. Alternativ können sie aber auch durch ihren Betrieb oder die Berufsschule vorgeschlagen werden.
Deutlich weniger Stipendiaten gehen ins Ausland
Deutlich zurückgegangen ist der Anteil der Stipendiaten, die ins Ausland gehen: Dies waren in den 90er-Jahren noch rund 15 Prozent – mittlerweile sind es nur noch sechs Prozent. „In Zeiten einer globalisierten Arbeitswelt ist das eine bedenkliche Entwicklung“, meint der FDP-Abgeordnete Brandenburg. „Neben größeren Inlandsmaßnahmen sollte das Stipendium wieder mehr Spielraum für Auslandserfahrung ermöglichen. Akademische Stipendien fördern Auslandsaufenthalte oft mit zusätzlichen Mitteln. Warum sollte das nicht auch in der beruflichen Weiterbildung möglich sein?“
Unklar ist, wie viele junge Menschen sich überhaupt auf ein Weiterbildungsstipendium bewerben – und wie bekannt die Förderung ist. Dazu gebe es keine Daten, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Die Förderkapazität sei jedoch „aus Sicht der Bundesregierung angemessen“, teilte das Bildungsministerium mit.
Auch eine Abschlussquote wird nicht erfasst, ebenso wenig der Anteil der Maßnahmen, die vollständig oder teilweise digital stattfinden. Eine Evaluierung des Programms ist für 2022 geplant.
Aktuell werden die Stipendiaten fast ausschließlich finanziell gefördert – das Ministerium plant aber den Aufbau einer „ideellen Förderung“, also Seminare, Schulungen und Netzwerktreffen, wie sie etwa die Begabtenförderungswerke für ihre studierenden Stipendiaten ergänzend anbieten. Bei den Gesundheitsberufen gibt es dazu schon Pilotvorhaben.
Abgewickelt werden die Stipendien durch die Industrie- und Handelskammern (IHK) und die Handwerkskammern. Für die Fachberufe im Gesundheitswesen ist die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) zuständig. Infos finden sich unter www.weiterbildungsstipendium.de.
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