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Quarantäne Keine Entschädigung mehr für Ungeimpfte: Länder wollen Lohnfortzahlung streichen

Viele Menschen sind nicht gegen Corona geimpft. Die Politik erhöht nun den Druck und droht mit Verdienstausfällen im Fall einer Quarantäne. Staatsrechtler nennen Bedingungen.
14.09.2021 - 17:59 Uhr Kommentieren
Mehrere Bundesländer haben bereits entsprechende Regelungen zur Lohnfortzahlung beschlossen. Quelle: imago images/Rainer Unkel
Impfung

Mehrere Bundesländer haben bereits entsprechende Regelungen zur Lohnfortzahlung beschlossen.

(Foto: imago images/Rainer Unkel)

Berlin Ungeimpfte Beschäftigte können im Falle einer Quarantäne nicht mehr mit einer staatlichen Entschädigung bei Verdienstausfällen rechnen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Mittwoch der kommenden Woche dazu eine gemeinsame Einigung erzielen.

Das kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei einer Veranstaltung der „Rheinischen Post“ an. Mehrere Bundesländer sind bereits mit entsprechenden Regelungen vorgeprescht – und verweisen auf die teils hohen Kosten, die durch die Entschädigung im Quarantänefall entstehen.

Es gehe darum, eine „einheitliche Regelung zu erzielen“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Dienstag in München, der gleichzeitig auch den Vorsitz über die Gesundheitsministerkonferenz innehat. Er gehe davon aus, dass bis spätestens Anfang Oktober eine solche Einigung unter den Ländern greifen könne.

Holetschek verwies auf das Infektionsschutzgesetz, das aus seiner Sicht die Entschädigung im Falle einer Quarantäne klar regele. Demnach entfällt der Anspruch für einen Beschäftigten, der durch eine Schutzimpfung eine Quarantäne hätte vermeiden können. Auch Spahn hatte grundsätzlich Sympathie für eine solche Argumentation erkennen lassen und erläutert, die Handhabung liege aber bei den Ländern. Auch aus den Ländern waren Rufe nach einem einheitlichen Vorgehen laut geworden.

In Baden-Württemberg müssen Ungeimpfte schon ab Mittwoch damit rechnen, für einen Verdienstausfall keine Entschädigungen mehr zu erhalten. Die Regelung hat die Landesregierung bislang 77 Millionen Euro gekostet.

Es gebe eine „Pandemie der Ungeimpften“, begründete der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) die Entscheidung im „Deutschlandfunk“. Es gehe um das Solidaritätsprinzip. Für die Leistung müssten alle Menschen aufkommen, die Steuern zahlen. „Und jetzt entscheiden alle, die sich leider bis jetzt nicht impfen lassen, auch darüber, dass sie über diese staatliche Solidarität nicht mehr verfügen können.“

Uneinheitliche Regelungen

In Rheinland-Pfalz und Bremen soll die Verdienstausfallentschädigung am 1. Oktober auslaufen, in Nordrhein-Westfalen am 11. Oktober. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hatte sich dafür ausgesprochen, die Rechte von Ungeimpften einzuschränken – unter anderem bei in Quarantäne befindlichen ungeimpften Arbeitnehmern.

„Es gibt nur eine Entschädigung, wenn es für den Betroffenen unvermeidbar war. So steht es bereits im Gesetz. Ich will das nicht überstürzen, aber dem Grundgedanken stimme ich zu“, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. Das Bundesland zahlte bereits knapp 53 Millionen Euro Entschädigung.

Länder wie Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt streben wiederum eine bundesweit einheitliche Lösung an – und hoffen auf das Treffen der Gesundheitsminister in der kommenden Woche. Die in Hamburg zuständige Sozialbehörde teilte dagegen mit, dass es derzeit keine Überlegungen in diese Richtung gebe. Das Bundesland zahlte bereits mehr als 20 Millionen Euro Entschädigung. Ähnlich viel zahlte Sachsen (25 Millionen Euro).

Dreh- und Angelpunkt für einen Lohnstopp ist ein Passus im Infektionsschutzgesetz. Demnach bekommen Personen eine staatliche Lohnersatzleistung, wenn sie auf behördliche Anweisung in häusliche Quarantäne müssen, deshalb nicht arbeiten können und keinen Lohn mehr erhalten.

Das Gesetz besagt aber auch, dass man keinen Anspruch auf Entschädigung hat, wenn der Ausfall durch eine empfohlene Schutzimpfung vermeidbar gewesen wäre. Bisher wurde in diesen Fällen trotzdem gezahlt – auch, weil zunächst nicht genügend Corona-Impfstoff zur Verfügung stand. Im Rahmen einer Impfaktionswoche können sich Bürgerinnen und Bürger seit Montag an alltäglich besuchten Orten gegen das Coronavirus impfen lassen. So soll das zuletzt stockende Impftempo gesteigert werden.

Eine Fülle von Bedingungen

Mit Hunderten Impfaktionen gehen Bund, Länder und Kommunen gezielt auf ungeimpfte Menschen zu – ein Impftermin wird meist nicht gebraucht. Angesichts der „breitflächigen Verfügbarkeit“ von Covid-Vakzinen sei der Verlust des Entschädigungsanspruchs für Ungeimpfte gerechtfertigt, sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing dem Handelsblatt. Für Personen, die sich tatsächlich nicht impfen lassen können, müsse es aber Ausnahmen geben.

Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza nannte weitere Bedingungen. So müsse zwischen dem Inkrafttreten der Neuregelung und der Sanktion ein Zeitraum liegen, der es dem bisher Nichtgeimpften erlaube, auf die drohende Sanktion reagieren zu können, sagte Pestalozza dem Handelsblatt. Er müsse die Gelegenheit haben, sich impfen zu lassen. „Ohne eine solche Übergangsregelung würde die Sanktion eine unzulässige Rückwirkung entfalten.“

Die Frage nach einer Übergangsfrist zeigt, wie uneinheitlich die Bundesländer teils vorgehen. So teilten beispielsweise Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit, dass eine solche Frist nicht nötig sei – und verweisen auf das Infektionsschutzgesetz. Das Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern hingegen erklärte, dass eine Übergangsfrist von sechs Wochen angestrebt werde. In Bremen haben Beschäftigte eine Übergangsfrist von rund zwei Wochen. In der Impfkampagne solle jeder noch einmal die Möglichkeit erhalten, sich zu immunisieren.

Als weitere Bedingung nannte der Staatsrechtler Pestalozza, dass keine medizinischen Gründe gegen die Impfung der betreffenden Person sprechen dürften. Außerdem müsse das Impfangebot zeitlich und örtlich zumutbar sein. Die betreffende Person dürfe zudem nicht aus „nachvollziehbaren Gründen“, etwa wegen eines Auslandsaufenthalts, daran gehindert sein, ein Impfangebot wahrzunehmen.

Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern planen, für solche Fälle und durch einen entsprechenden Nachweis immerhin eine Übergangsregelung zu schaffen. Auch in Nordrhein-Westfalen können ungeimpfte Personen nach einem Auslandsaufenthalt im Falle einer Quarantäne erst einmal mit einer Fortzahlung ihres Lohns rechnen.

„Nach einer Rückkehr nach Deutschland besteht eine Impfmöglichkeit. Wird von dieser nicht Gebrauch gemacht, entfällt nach einem angemessenen Zeitraum der Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn eine nunmehr mögliche Impfung nicht wahrgenommen wird“, teilte das zuständige Gesundheitsministerium mit.

Kritik an restriktiven Maßnahmen

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhardt hält einen Stopp von Quarantäne-Entschädigungen nur in den Fällen für zulässig, wenn sich Menschen ungeimpft „bewusst“ an einen Corona-Hotspot begeben. Dann sei der Verlust der Lohnfortzahlung hinzunehmen, sagte Degenhardt dem Handelsblatt. Als Beispiel nannte er Reiserückkehrer aus einem sogenannten Hochinzidenzgebiet. Diese müssten die „Folgen ihres eigenverantwortlichen Handelns“ selbst tragen.

Für andere Ungeimpfte gibt es aus Sicht des Staatsrechtlers juristische Grenzen. „Es geht nicht an, Ungeimpfte generell als Störer zu behandeln“, sagte Degenhardt. Der Begriff stamme aus dem Polizei- und Sicherheitsrecht und besage, dass derjenige, der zurechenbar eine Gefahrenlage geschaffen hat, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr hinnehmen muss.

Im Fall von Ungeimpften sieht Degenhardt in dieser Hinsicht restriktive Maßnahmen kritisch. Niemand sei verpflichtet, sich impfen zu lassen, gab er zu bedenken. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich Ungeimpfte nach Kontakt mit infizierten Personen auf behördliche Anweisung hin in Quarantäne begeben müssen. „Nach diesen Grundsätzen ist man noch nicht Störer und kann seinen Anspruch auf Entschädigung allein deshalb nicht verlieren“, sagte er.

Mehr: Corona-Appell der Kanzlerin: „Lassen Sie sich impfen. Jetzt.“

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