Reaktion auf COP26 „Wollen nicht unter die Räder kommen“ – Wie die Industrie auf die Ergebnisse der Klimakonferenz reagiert

Vertreter der Industrie kritisieren die Beschlüsse der Weltklimakonferenz in Glasgow
Berlin Wenn Roland Harings, Vorstandsvorsitzender der Aurubis AG, die Ergebnisse des Weltklimagipfels bewerten soll, bemüht er sich zunächst um einen versöhnlichen Grundton. Der intensive internationale Austausch im Rahmen der COP26 sei „generell positiv und notwendig“, sagte Harings dem Handelsblatt.
Dann folgt das Aber: „Solange ein globaler CO2-Preis nicht möglich ist, solange Investitionen in klimafreundliche Technologien teurer sind als Investitionen in konventionelle, brauchen wir zwingend verlässliche und wirksame Rahmenbedingungen in Form eines funktionierenden Carbon-Leakage-Schutzes“, so Haring. „Carbon Leakage“ bezeichnet die Abwanderung von Industrie ins Ausland aufgrund von CO2-Kosten.
Aurubis zählt zu den weltweit führenden Kupferproduzenten und Kupferrecyclern. Das Unternehmen braucht viel Energie. Deshalb ist es von den politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Energiewende und der Transformation zur Klimaneutralität stark betroffen. Solange diese Weichenstellungen nur in Deutschland oder auf europäischer Ebene erfolgen, gerät das Unternehmen im internationalen Wettbewerb unter Druck.
Harings steht mit seinem Pochen auf Schutzmechanismen, die einseitige Belastungen der Unternehmen hierzulande ausgleichen, nicht allein da. Das Thema berührt weite Teile der industriellen Basis Deutschlands.
„Es ist gefährlich und schadet dem Klima, wenn die Unterschiede im Ehrgeiz für Klimaschutz bestehen oder gar zunehmen. Dies verlagert die Emissionen in Länder mit weniger strengen Klimaschutzmaßnahmen und belastet einseitig Unternehmen, die, etwa in der EU, bereits große finanzielle Belastungen stemmen müssen“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Im Kampf gegen die Erderwärmung seien „stärkere internationale Kooperation und verbindliche Klimaschutzziele praktisch aller Staaten unverzichtbar“, sagte Russwurm. „Was in Glasgow erreicht wurde, reicht dafür nicht aus“, ergänzte der BDI-Präsident.
„Der Wettlauf zur klimaneutralen Wirtschaft ist nicht mehr aufzuhalten“
Christian Hartel, Vorstandschef der Wacker Chemie AG, sagte, er habe sich „mehr Rückenwind aus Glasgow erhofft, denn Wirtschaft, Industrie und die internationale Staatengemeinschaft müssen Klimaschutz gemeinsam zur Chefsache machen“.
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, warnt vor wachsenden Diskrepanzen im Ambitionsniveau: „Viele Länder verschieben unbequeme Maßnahmen weiter in die Zukunft, während Europa den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft bereits massiv vorantreibt“, sagte er. „Um auch international voranzukommen, sollte die EU zwei Dinge tun: die eigenen Ambitionen mit einer Klimadiplomatie flankieren und einen Klimaklub der Willigen mit belastbaren Minderungszusagen auf G20-Ebene gründen. Und sie muss sicherstellen, dass die heimische Industrie während der Transformation nicht unter die Räder kommt.“
Nach Überzeugung von Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2 Grad, bieten sich für die künftige Bundesregierung gute Gelegenheiten, bei den internationalen Kooperationen voranzukommen: Gemeinsam mit der französischen EU-Ratspräsidentschaft und unter der deutschen G7-Präsidentschaft gehe es darum, „die Transformation der Wirtschaft verlässlich voranzutreiben und den Ausstieg aus fossilen Energien deutlich zu beschleunigen“, sagte Nallinger dem Handelsblatt.
„Fakt ist auch: Der Wettlauf zur klimaneutralen Wirtschaft von morgen ist nicht mehr aufzuhalten“, ergänzte sie. In der Stiftung 2 Grad haben sich Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammengeschlossen, die im Klimaschutz vorangehen wollen.
Klimaklubs gewinnen an Fürsprechern
Seit Jahren gibt es verschiedene Mechanismen, die der Industrie helfen sollen, den Transformationsprozess zu bewältigen, ohne im internationalen Wettbewerb zurückzufallen. Dazu zählen beispielsweise kostenlose Zuteilungen von Zertifikaten für das Europäische Emissionshandelssystem, Kompensationszahlungen für Mehrkosten beim Strom aus dem Emissionshandel oder auch Entlastungen bei der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die Entlastungen müssen allerdings Jahr für Jahr neu beantragt werden. Außerdem betrachtet die EU-Kommission viele der Regelungen als unzulässige Beihilfen. Das Investitionsklima ist dadurch erheblich belastet.
Mit der Entscheidung der Bundesregierung aus dem Frühjahr, die Klimaziele nachzuschärfen und Klimaneutralität bereits für 2045 anzustreben, werden sich die Transformationskosten für viele Branchen weiter erhöhen.
So müssen beispielsweise Stahl- und Chemieunternehmen fossile Brenn- und Rohstoffe möglichst rasch durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzen. Sie stehen vor gigantischen Investitionen. Solange andere Weltregionen nicht den gleichen Ehrgeiz an den Tag legen, drohen massive Wettbewerbsnachteile.
Die Weltklimakonferenzen vermögen dieses Problem nicht zu lösen, da die Selbstverpflichtungen der Staaten nicht verbindlich sind. Die Idee, Klimaklubs zu gründen, in denen sich gleichgesinnte Staaten verbindlich zu Emissionsreduktionen verpflichten, gewinnt daher mehr und mehr Fürsprecher. „Künftige Generationen werden uns nicht fragen, welche nationalen Ziele wir uns überlegt haben, sondern was wir beigetragen haben, um die dramatische globale Entwicklung der Emissionen zu stoppen. Dafür müssen wir versuchen, andere Länder zum Mitmachen zu bewegen. Nichts ist wichtiger“, hatte der Kölner Verhaltensökonom Axel Ockenfels kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt gesagt.
„Wenn das nicht gelingt, droht unsere selbstzentrierte Klimapolitik zu scheitern“, sagte Ockenfels. Einseitige Maßnahmen könnten sogar kontraproduktiv sein, „wenn beispielsweise schmutzige Aktivitäten ins Ausland wandern oder wenn die national eingesparten fossilen Brennstoffe in andere Regionen der Welt umgeleitet werden“.
Mehr: Drama in letzter Minute – so kam es zur Einigung von Glasgow
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Herr Russwurm will nicht unter die Räder kommen,dabei ist er schon dort.Große Teile der Industrie sind in den letzten Jahrzehnten nach Asien verlagert worden.Jetzt geht es an die letzte Branche in germany ,die Autoindustrie.In weniger als 10 Jahren werden davon nur noch Verkaufslager für chinesische Hersteller-die wahrscheinlich deutsche Markennamen tragen - übrig sein.E-Autos werden schlicht und einfach keinen Treibsoff haben ,da die Kraftwerke abgeschaltet sind,die Sonne nachts nicht scheint und der Wind nur manchmal weht.Speicher in der notwendigen Größe gibt es nicht und sind außerdem unbezahlbar.
Die Autoindustrie mit ihren Zulieferern beschäftigt ca. 2 Mio Arbeitnehmer.Das von diesen und den Herstellern generierte Steueraufkommen beträgt geschätzt 50 Mrd ,ein 7tel des Bundeshaushalts.Das fällt weg ,dafür muß für diese 2 Mio ein bedingungsloses Grundeinkommen geschaffen werden.Also ich möchte kein Finanzminister sein.Dabei glaubt die Ampel - nach ihren eigenen Schätzungen - daß sie in den nächsten Jahren 130 Mrd mehr einnehmen werden.Da müßte man die Steuerschraube gewaltig anziehen oder die Inflation kräftig anheizen.