Recht & Steuern Arbeitsrechtsprozesse: Wie die Datenschutz-Grundverordnung zum Druckmittel wird

Das Bundesarbeitsgericht will im April klären, ob ein Beschäftigter auf Basis der Datenschutz-Grundverordnung Kopien sämtlicher E-Mails erhalten muss, in denen sein Name vorkommt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) will im April entscheiden, wie weit das Auskunftsrecht von Beschäftigten über ihre Daten reicht. Im konkreten Fall hatte ein Wirtschaftsjurist geklagt, nachdem ihm gekündigt worden war. Er pochte dabei auf Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung. Dieser sieht vor, dass ein Beschäftigter, auch ein ehemaliger, einen Auskunftsanspruch hat auf die über ihn gespeicherten Daten, beziehungsweise deren Kategorien – also etwa „allgemeine Personendaten“, „Kennnummern“, „Bankdaten“ oder Ähnliches.
Die beklagte Firma stellte die gespeicherten personenbezogenen Daten als Zip-Dateien zur Verfügung. Der Jurist verlangte jedoch auch eine Kopie des E-Mail-Verkehrs zwischen ihm und dem Unternehmen sowie derjenigen E-Mails, in denen er genannt wird.
Mittlerweile hat es der Fall bis zum Bundesarbeitsgericht geschafft, das nun zu klären hat, ob der Kläger tatsächlich Kopien sämtlicher E-Mails erhalten muss, in denen sein Name vorkommt (Az. 2 AZR 342/20).
Tatsächlich wird die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zunehmend zum Druckmittel in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten. Das beobachtet etwa Arbeitsrechtler Philipp Byers von der Kanzlei Watson Farley & Williams in München, der Unternehmen in Sachen Beschäftigtendatenschutz und Compliance berät und vertritt: „Vor allem der Auskunftsanspruch wird inflationär gegen den Arbeitgeber eingesetzt.“
So würden Mitarbeiter bei drohender Kündigung Schadensersatz verlangen, wenn der Anspruch nicht ordnungsgemäß erfüllt wird. „Bei diesem Vorgehen entsteht häufig der Eindruck, dass dies nur erfolgt, um im Fall einer Trennung eine höhere Abfindung rauszuverhandeln“, berichtet Byers. Faktisch wollten Mitarbeiter hier über den Datenschutz Verhandlungsmasse generieren.
Wie weit reicht der Auskunftsanspruch
Das Problem: Bei der 2018 in Kraft getretenen DSGVO ist bis heute nicht klar, wie weit der Auskunftsanspruch eigentlich reicht. Müssen nur Details wie Stammdaten, Datenkategorien oder Löschfristen genannt werden, oder sind Arbeitgeber verpflichtet, jedes noch so kleine Datenfitzelchen vorzulegen? „Das würde Unmengen an Informationen ausmachen, die ein Unternehmen in der Praxis im Grunde gar nicht bereitstellen kann“, erklärt Rechtsexperte Byers.
Auch Gerd Kaindl von der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt kennt die DSGVO-Auskunftsrechte als „Trigger“, um im Falle einer Kündigung die Abfindung nach oben zu treiben. „Das kann so weit gehen, dass Arbeitnehmer nach Kopien aller personenbezogenen Daten zum Beispiel in sämtlichen Servern, Datenbanken, Web-Anwendungen, E-Mail-Postfächern, Verzeichnisstrukturen, Speichermedien, Smartphones, Notebooks und diversen anderen Endgeräten des Arbeitgebers samt Vorgesetzten und Kollegen verlangen“, berichtet der Fachanwalt für Arbeitsrecht und verweist auf einen Fall vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 9 Ca 6557/18).
Bei der Herausgabe von Unterlagen und Korrespondenzen sei arbeitgeberseitig allerdings abzuwägen zwischen dem Auskunftsrecht des Arbeitnehmers und den Rechten von Dritten, insbesondere Persönlichkeitsrechten von Mitarbeitern und Kunden, sowie dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – so etwa das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zum Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers (Az. 17 Sa 11/18).
Schmerzensgeld, hohe Abfindung und Bußgeld
Nach den Erfahrung von Arbeitsrechtler Byers entpuppt sich der Auskunftsanspruch häufig noch aus einem anderen Grund als „scharfe Waffe“ gegenüber dem Arbeitgeber: Arbeitnehmeranwälte wollen auf diesem Wege gezielt Unternehmensinformationen erlangen, die sich in einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zum Vorteil der Kläger verwenden lassen.
Darüber hinaus drohten Arbeitnehmer immer häufiger, angebliche Datenschutzverstöße bei der Aufsichtsbehörde zu melden. „Neben einer hohen Abfindung und Schmerzensgeld muss das Unternehmen dann zusätzlich ein hohes Bußgeld fürchten“, erklärt Byers. Auch dies geschehe oft, um letztlich eine höhere Abfindung rauszuschlagen – auch dann, wenn der angebliche Datenschutzverstoß gar nicht im Zusammenhang mit dem arbeitsrechtlichen Fall stehe.
Wie umfassend der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist, könnte nun die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts klarstellen. Das Verfahren ist auf den 27. April terminiert. Bereits im vergangenen Jahr hatte ein vergleichbarer Fall auf der Tagesordnung gestanden. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde aber aufgehoben, da die Parteien sich dann doch außergerichtlich einigten.
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