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Recht und Steuern So groß wird die Pensionierungswelle bei Richtern und Staatsanwälten

In den kommenden zehn Jahren werden zeitgleich viele Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand treten. Die FDP hat nun aktuelle Daten zum Ausmaß zusammengetragen.
01.03.2021 - 13:55 Uhr Kommentieren
In den neuen Bundesländern stammen die meisten Richter und Staatsanwälte aus den gleichen Jahrgängen und gehen dadurch quasi zeitgleich in Pension. Quelle: dpa
Richter mit Gesetzesbüchern und Akten

In den neuen Bundesländern stammen die meisten Richter und Staatsanwälte aus den gleichen Jahrgängen und gehen dadurch quasi zeitgleich in Pension.

(Foto: dpa)

Berlin Jürgen Martens sorgt sich um die Zukunft der deutschen Justiz. Der ehemalige Justizminister von Sachsen, der nun für die FDP im Bundestag sitzt, mahnt schon seit Jahren, dass in dieser Dekade die Generation der Babyboomer in den Ruhestand gehen wird. „Eine Pensionierungswelle rollt auf das Justizsystem zu“, warnt Martens. Die politischen Entscheidungsträger ignorierten dies aber.

Martens fürchtet „gravierende funktionale Beeinträchtigungen“ auf die schon jetzt chronisch überlastete Justiz zukommen. Ende vergangenen Jahres richtete er darum eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Er wollte wissen, wie groß das Problem tatsächlich ist.

Doch das Bundesjustizministerium hat weder einen Überblick über den Personalbedarf im gesamten Justizsystem für die nächsten zehn Jahre, noch liegen dort Erkenntnisse über die Anzahl der Richter und Staatsanwälte vor, die in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand treten. „Die Daten werden weder in Personalübersichten noch in anderen der Bundesregierung vorliegenden oder ihr bekannten Statistiken erfasst“, hieß es in der Antwort der Bundesregierung. Der Tenor: Justiz sei Ländersache.

Allerdings stellt der Bund mit dem „Pakt für den Rechtsstaat“ bis Ende dieses Jahres 220 Millionen Euro bereit, damit die Länder 2000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte schaffen. „Wie kann sich sie Regierung da nicht zuständig fühlen?“, kritisiert Martens. „Zumal der Bund der Justiz mit neuen Gesetzen immer mehr neue Aufgaben gibt, etwa im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet oder bei Unternehmenssanktionen.“

Nun hat der FDP-Abgeordnete die Zahlen mühsam selbst bei den Ländern abgefragt. Demnach gehen bundesweit in den kommenden zehn Jahren rund 8000 Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand. Vor allem in den neuen Bundesländern ist die Situation hochproblematisch: So werden in Thüringen 60 Prozent der derzeitigen Beschäftigten bis 2030 in Pension gehen. In Mecklenburg-Vorpommern sind es gut 54 Prozent, in Sachsen rund 46 Prozent.

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„Nach der Wende wurden hier die Gerichte und Staatsanwaltschaften personell neu aufgestellt“, erklärt der ehemalige Landesjustizminister Martens. „Dadurch stammen die meisten Beschäftigten aus den gleichen Jahrgängen und gehen dadurch quasi zeitgleich in Pension.“

Sein Rezept: Sofortige Einstellungen über Bedarf, um eine Entzerrung zu erreichen. Dazu einige Pensionierungen vorziehen, um den Anfang der Welle zu glätten, und andere Pensionierungen um einige Jahre nach hinten schieben, um das Ende der Welle abzuflachen.

„Schon im Normalbetrieb ist es schwer, den Wissensverslust durch den Abgang eines Richters zu kompensieren“, gibt Martens zu bedenken. „Wie drastisch sind dann die Folgen, wenn zwei Drittel aller Richter mit einem Schlag weg sind?“ Er selbst sei in Sachsen allerdings bei seinen Bemühungen am Finanzminister gescheitert. „Das dürfte in den anderen Bundesländern ähnlich sein“, vermutet der FDP-Politiker. „Nun wird der Bremsweg vielerorts immer kürzer.“

Einstellung von Verfahren ist „Offenbarungseid“

Auch der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, Ralph Knispel, spricht von „drohendem Unheil“ und „schlimmsten Befürchtungen“ mit Blick auf die Pensionierungswelle. „Es ist mehr als befremdlich, dass trotz der seit Jahren von Betroffenen und Berufsverbänden erhobenen Warnungen keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen wurden, um hier gegenzusteuern“, befindet Knispel in seinem gerade erschienen Buch mit dem Titel „Rechtsstaat am Ende: Ein Oberstaatsanwalt schlägt Alarm“. Es sei ein Offenbarungseid, Verfahren einzustellen, weil es nicht genügend Staatsanwälte gebe, die eine Sache zur Anklage bringen.

Allein damit, Einstellungen anzukündigen, ließen sich die Probleme nicht angehen. „Es bedarf auch einer Offensive, die darauf abzielt, den Staatsdienst für Juristen wieder attraktiv zu machen“, schreibt Knispel.

Denn: Die Zahl potenzieller Bewerber sei seit Jahren rückläufig, außerdem zögen die Justizverantwortlichen in allen Bundesländern im Kampf um die fachlich Besten immer dann den Kürzeren, wenn diese sich vornehmlich an finanzieller Sicherheit orientierten.

„Berücksichtigt man zudem noch die herrschenden Arbeitsbedingungen in der Länderjustiz, muss man sich nicht wundern, dass der Staatsdienst im Ringen um die besten Kräfte fast chancenlos ist“, meint der Oberstaatsanwalt. „Das Einkommensniveau in der deutschen Richter- und Staatsanwaltschaft wird auch bei Nachbesserungen nicht mit den Spitzengehältern in der freien Wirtschaft mithalten können.“

Der Richterbund fordert nun eine „Anschlussvereinbarung“ beim „Pakt für den Rechtsstaat“, um den Personalzuwachs zu verstetigen. „Die Länder werden das Geld dankend entgegennehmen“, meint FDP-Politiker Martens. „Trotzdem ist es fragwürdig, ob so ausreichend nachhaltige Stellen in der Justiz geschaffen werden.“ Im Bundesjustizministerium heißt es dazu, eine Verlängerung sei im bisherigen Beschluss nicht vorgesehen.

Mehr: Gegen diese Unternehmen wurden 2020 die höchsten Bußgelder verhängt.

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