Rechtsextremismus Hildmann rechnete mit Verhaftung – Hatte er noch mehr Spitzel in der Berliner Justiz?

Im Februar war gegen Hildmann ein Haftbefehl ergangen – wegen Fluchtgefahr.
Berlin Attila Hildmann wusste, dass die Staatsanwaltschaft hinter ihm her ist, dass etwas kommt. Zuviel war bei Justiz und Polizei zu dem Kochbuchautor und einstigem Veganstar aufgelaufen. Wie viel – das wusste der Rechtsextremist offenbar genau.
Denn er soll einen Spitzel bei der Staatsanwaltschaft gehabt haben, die gegen ihn seit 2020 ermittelte, etwa wegen Volksverhetzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung. Weil er auf Coronademonstrationen und in seinem Chatkanal auf Telegram hetzte, Politikern den Tod wünschte und antisemitische Verschwörungsideen verbreitete.
Informiert haben soll ihn die 32-jährige Efstathia M. Sie war Mitarbeiterin der IT-Abteilung und System-Administratorin bei der Staatsanwaltschaft. Zuerst berichteten Spiegel und ARD darüber, die Staatsanwaltschaft bestätigte die Angaben. Die Ermittler hatten ohnehin nach einem Leck in der Justiz gesucht.
Im Februar war gegen Hildmann ein Haftbefehl ergangen – wegen Fluchtgefahr. Er hatte sich da längst in die Türkei abgesetzt und prahlte, er sei über den Haftbefehl informiert worden. Dabei wussten zu dieser Zeit in der Justiz nur wenige davon.
Auf die Spur der Mitarbeiterin kam die Staatsanwaltschaft, weil M. mehrfach der Polizei aufgefallen sein soll, etwa im Umfeld eines Aktivisten der Querdenker-Szene. Sie soll auch bei Querdenker-Demos in der ersten Reihe mitmarschiert sein.
Hildmann soll Daten bekommen haben
Als die Frau identifiziert war, prüfte die Staatsanwaltschaft im Mai, welche Daten sie abgerufen hat. Sie soll – so sollen es die Ermittler nachgewiesen haben – auf Unterlagen zum Ermittlungsverfahren gegen Hildmann zugegriffen haben, aber auch auf Daten von Nikolai Nerling, ein als „Volkslehrer“ bekannter Rechtsextremist und Videoblogger.
Attila Hildmann hatte Informantin bei Berliner Staatsanwaltschaft
Und M. soll Hildmann Daten gegeben haben. Bereits im November 2020 bekam er Hinweise. Danach, im Dezember, hat sich Hildmann bewusst in die Türkei abgesetzt, um sich der Justiz zu entziehen. Er hatte nach allen ihm schon damals – mutmaßlich auch durch M. – vorliegenden Informationen seine Festnahme erwartet.
M. soll Hildmann Anfang des Jahres in der Türkei besucht und ihm den Haftbefehl gegeben haben. Sie habe ihm „nur nachträglich Gewissheit über das tatsächliche Vorliegen eines Haftbefehls gegeben“, sagte der Sprecher.
Bei den Ermittlungen „ergaben sich aber unberechtigte Abfragen zu verschiedenen Personen der rechtsextremen und der Querdenker-Szene. Im Juli sei die Wohnung der Frau in Berlin durchsucht und Datenträger sichergestellt worden. Gegen sie werde wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und der versuchten Strafvereitelung ermittelt. Und M. wurde fristlos gekündigt.
Auch in der Justiz finden sich Teile der Querdenken-Bewegung
Eine ranghohe Richterin zeigte sich wenig überrascht von dem Fall. Der Anteil von Menschen, die Querdenkern und anderen verschwörungstheoretischen Gruppen näher stünden, sei in der Justiz nicht kleiner als im Rest der Gesellschaft. Sie erinnerte an einen Fall, in dem eine Staatsanwältin an mitunter gewalttätigen Protesten der Querdenken-Bewegung teilgenommen und im Netz Verschwörungstheorien verbreitet hatte.
Hildmann reagierte am Montag bei Telegram. „Ich war schon lange in Sicherheit in der Sonne als mir ein angeblicher ,Informant‘ irgendwas zuspielte!“, prahlte er. „Täglich schicken mir BRD-Mitarbeiter Infos, das ist kein Einzelfall!“ Die Justiz will Konsequenzen ziehen. Es soll genauer erfasst werden, wer auf was zugreift und wie Daten in sensiblen Verfahren besser geschützt werden können.
Dieser Text ist zuerst im Tagesspiegel erschienen
Mehr: Berliner Justiz ermittelt in eigenen Reihen – Infos an Attila Hildmann rausgegeben
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