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Rechtsmarkt Vom Ego-System zum Öko-System? In Sozietäten spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle

Auch auf dem Rechtsmarkt gibt es Entwicklungen hin zu einer nachhaltigen und sozialen Unternehmensführung. Verfassungsrechtler Di Fabio warnt jedoch vor einer „Hypermoralisierung“.
22.11.2021 - 11:38 Uhr Kommentieren
„Rechtsmarkt: Vom Ego-System zum Öko-System“ lautete das Motto der Diskussion beim Bucerius Center on the Legal Profession (CLP). Quelle: dpa
Statue Justitia

„Rechtsmarkt: Vom Ego-System zum Öko-System“ lautete das Motto der Diskussion beim Bucerius Center on the Legal Profession (CLP).

(Foto: dpa)

Berlin Mit Blick auf den Rechtsmarkt hat Verfassungsrechtler Udo Di Fabio vor einer „Hypermoralisierung“ beruflicher Tätigkeiten gewarnt. „Wir erleben zurzeit einen Übergang zu einer Gesellschaft, die sehr viel achtsamer wird, wenn wir über Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Artenschutz reden“, sagte Di Fabio in einer Debatte beim Bucerius Center on the Legal Profession (CLP) in Hamburg. Dieses Denken sei keine Zumutung, das man zurückweisen oder unter PR abheften sollte, sondern das ernst zu nehmen sei.

„Das heißt aber nicht, dass Anwaltskanzleien jetzt plötzlich angesehene Industrieunternehmen, weil diese einen großen ökologischen Fußabdruck haben, nicht mehr beraten“, bekräftigte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht. „Es wäre nicht gut, wenn es in Anwaltskanzleien zu einem politischen Meinungsstreit in einer ohnehin zur Fragmentierung neigenden Gesellschaft käme“, warnte Di Fabio und forderte eine „reflektierte Berufsethik“. Der Gegenbegriff zum „Freund-Feind-Schema“ sei die Pluralität, dass also „zivilisiert gestritten“ werde.

„Rechtsmarkt: Vom Ego-System zum Öko-System“ lautete das Motto der Diskussion beim Bucerius Center on the Legal Profession. „Wir sehen einen sehr starken Trend in der Wirtschaft generell, dass über Nachhaltigkeit nachgedacht wird und darüber auch schon berichtet werden muss“, sagte CLP-Direktor Klaus-Stefan Hohenstatt. Auch im Rechtsmarkt gebe es Entwicklungen hin zu Corporate Social Responsibility (CSR) und Environmental Social Governance (ESG), also hin zu einer nachhaltigen und sozialen Unternehmensführung.

Wirtschaftsanwälte in der Schurkenrolle

Zugleich sei es aber das gesellschaftliche Bild von wirtschaftsberatenden Anwälten, dass diese „eben nicht nur eine rechtsstaatliche Rolle einnehmen, sondern dass sie sich zu häufig mit ihren Mandanten und ihren möglicherweise fragwürdigen Zielen identifizieren“, erklärte Hohenstatt, selbst Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Nicht umsonst sei der Wirtschaftsanwalt im TV häufig in der Schurkenrolle.

CLP-Direktorin Claudia Junker, Generalbevollmächtigte der Deutschen Telekom und dort verantwortlich für Recht, Compliance und Datenschutz, fragte: „Müssen sich Anwälte rote Linien setzen, oder dürfen sie eine Schadensersatzklage etwa beim vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie annehmen?“

Verfassungsrechtler Di Fabio verwies darauf, dass „postmaterielle Werte“ von Generation zu Generation zunähmen. „Das heißt nicht, dass junge Menschen heute kein Geld mehr verdienen oder nicht die Wirtschaft beraten wollen“, erklärte der Bonner Rechtsprofessor. Aber sie legten sich darüber Rechenschaft ab, welchen Sinn der Beruf über die Erwerbsgrundlage hinaus eigentlich habe. „Ich glaube, dass alle Sozietäten gut beraten sind, auf diesen Mentalitätswandel Rücksicht zu nehmen“, empfahl Di Fabio. So sei es zu akzeptieren, wenn junge Anwälte bei einem Mandat zum Beispiel für die Tabakindustrie nicht mitmachen wollten – weil sie den Zweck des Unternehmens, nämlich Menschen mit Tabakwaren zu versorgen, nicht fördern wollten.

Di Fabio stellte allerdings auch klar: „In einer rechtsstaatlichen Ordnung wie der unsrigen kann die Beratung von Unternehmen, die hier rechtmäßig legal arbeiten, nicht per se unethisch sein.“ Er empfahl den Sozietäten, Mandate nicht einfach abzulehnen, sondern im Prozess der Beratung Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit „zum Tragen zu bringen“, wenn es entsprechende Gestaltungsspielräume gebe.

Gehalt wichtiger als soziale Verantwortung

Bucerius-Studentin Franziska Adelmann präsentierte die Befunde einer Befragung unter Studierenden und jungen Anwälten: Demnach sind Faktoren wie das Rechtsgebiet, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das Gehalt noch immer wichtiger als eine CSR-Strategie. Die Befragten rügten dennoch, Kanzleien nähmen Faktoren wie ökologische Nachhaltigkeit, die Mandatsauswahl, die soziale Verantwortung gegenüber Mitarbeitenden und Pro-bono-Mandate nicht ernst genug. „Eine Kanzlei muss, wie jedes andere Unternehmen auch, unternehmerische Verantwortung übernehmen“, schlussfolgerte Adelmann.

Pro-bono-Rechtsberatung, also die kostenlose Beratung und Vertretung für gemeinnützige Zwecke, habe sich in Deutschland professionalisiert, bekräftigte die Generalsekretärin von Pro Bono Deutschland, Katja Josenhans. Ein Feigenblatt oder Ablasshandel für den Rechtsmarkt wollte sie darin nicht sehen: „Natürlich machen die Kanzleien das auch aus Marketing- und Reputationsgründen.“ Sie hätten aber das Bedürfnis, sich sinnhaft zu engagieren. Und Ablass für was? Das impliziere, dass Sozietäten Sünden begingen. „Unser Rechtstaat will, dass unser Wirtschaftssystem funktioniert“, erklärte Josenhans. „Das geht nur, wenn jedes Unternehmen rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen kann.“

Mehr: Alles nur „Blablabla“? Wie sinnvoll sind Klimagipfel wirklich?

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