Reform Finanzministerium widerspricht eigenen Zweifeln bei der neuen Grundsteuer
Berlin Die „Grundsteuer W“ ist eine Maßnahme aus dem Klimapaket, die am heutigen Freitag im Bundestag beschlossen werden soll. Sie soll es Gemeinden ermöglichen, bei der Grundsteuer einen besonderen Hebesatz für Gebiete mit Windenergieanlagen festzulegen – und so einen Anreiz schaffen im Sinne des Klimaschutzes mehr Flächen dafür auszuweisen. Und das schon ab dem Jahr 2020. Bei den steuerlichen Maßnahmen aus dem Klimapaket macht Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Tempo.
Doch im Bundesfinanzministerium gab es Bedenken, dass es bei der Grundsteuer W möglicherweise zu schnell geht. Ein Inkrafttreten der Grundsteuer W am 1. Januar 2020 „wäre mit verfassungsrechtlichen Risiken verbunden“, heißt es in einem internen Vermerk des Finanzministeriums, der dem Handelsblatt vorliegt. Der Grund: Die Gemeinden wären gezwungen, die neuen erhöhten Hebesätze „auf die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig beurteilten Werte anzuwenden“.
Karlsruhe hatte eine Reform der Grundsteuer gefordert, weil die für die Berechnung zugrunde liegenden Werte veraltet sind. Da die Neugestaltung kompliziert ist – Millionen Grundstücke müssen neu bewertet werden -, räumte es aber dem Gesetzgeber Zeit ein. Die gerade beschlossene grundlegende Reform der Grundsteuer soll ab 2025 gelten. Solange darf die Steuer auf Basis der alten Werte weiter erhoben werden.
Die Frage ist allerdings, ob das auch für die Grundsteuer W gilt, die gerade erst neu beschlossen wird. Im Vermerk des Finanzministeriums werden Zweifel angemeldet. Das Zugeständnis des Bundesverfassungsgerichts, dass die Grundsteuer vorerst weiter gelten darf, „betrifft jedoch lediglich das geltende Recht“, heißt es in dem Papier.
Die Konsequenz aus diesen rechtlichen Bedenken wäre, dass die Grundsteuer W ebenfalls erst ab dem Jahr 2025 eingeführt werden kann. Doch die Große Koalition will beim Klimaschutz Tempo machen. Mittlerweile gibt es im Bundesfinanzministerium eine neue Einschätzung, die dem ersten Vermerk widerspricht. „Es handelt sich bei der Grundsteuer W steuerfachlich und finanzverfassungsrechtlich nicht um eine neue Steuer“, wird in diesem Papier betont. Und deshalb hätte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Auswirkungen.
Die Grundsteuer W sei „nur eine neuartige Hebesatzmöglichkeit für die Gemeinden mit dem Ziel einer bestimmten klimapolitischen Lenkungswirkung hinsichtlich des Baus und der Akzeptanz neuer Windkraftanlagen“, wird in dem zweiten Vermerk betont. Ein Jurist, zwei Meinungen – das gilt offensichtlich auch für das Finanzministerium.
Nun folgt man der Einschätzung, die auch dem politischen Ziel entspricht, das Klimapaket schnell zu beschließen. „Eine zügige Umsetzung der Maßnahmen zur Förderung alternativer Energien“, heißt es in dem zweiten Vermerk, sei „geboten“.
Mehr: Die Grundsteuer ist eine Reform mit Mängeln - lesen Sie den Gastkommentar von Clemens Fuest.
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