Regierungsbericht Bundesregierung registriert deutliche Zunahme bei Umweltklagen gegen Windenergieanlagen

Vor allem die Klagen gegen Windenergieanlagen und Luftreinhaltepläne haben stark zugenommen.
Berlin Der Ausbau der Windkraft an Land kommt auch aus Sicht der Windbranche und vieler Politiker nicht schnell genug voran. Als Gründe gelten nicht nur zu wenig ausgewiesene Flächen, sondern auch und vor allem lange Planungs- und Genehmigungsverfahren und viele Klagen.
Laut einem aktuellen Bericht der Bundesregierung haben die juristischen Auseinandersetzungen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Hintergrund ist, dass Umweltverbände seit 2017 umfassender in Umweltangelegenheiten klagen können. Ermöglicht wird dies durch das sogenannte Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Deutschland setzte seinerzeit die Vorgaben der Aarhus-Konvention um.
Das Gesetz soll es Bürgern erleichtern, umweltrechtliche Genehmigungen vor Gericht anzufechten. Haben Behörden etwa einer umstrittenen Straße, einer Industrieanlage oder einer Windenergieanlage die Umweltverträglichkeit attestiert, können selbst Verbände dies gerichtlich überprüfen lassen.
Wie aus dem Bericht der Bundesregierung „über die praktischen Erfahrungen im Vollzug der Novelle zum Umwelt-Rechtbehelfsgesetz“ hervorgeht, haben sich die Klagen durch Umweltverbände von 140 Fällen im Zeitraum 2013 bis 2016 auf 222 Fälle im Zeitraum 2017 bis 2020 erhöht. Das entspricht einem Gesamtzuwachs von 82 Fällen und damit einem Anstieg um etwa 60 Prozent.
Eine starke Zunahme der Zahl der Fälle ist laut dem Bericht vor allem bei den Klagen gegen Windenergieanlagen und Luftreinhaltepläne festzustellen. Von den 82 Fällen betreffen 51 Fälle diese beiden Bereiche. Diese Klagemöglichkeiten hätten allerdings schon vor Verabschiedung der Novelle bestanden, konstatiert der Bericht. Lediglich 32 Fälle seien Klagemöglichkeiten zuzuordnen, die erst durch die Novelle geschaffen worden seien.
Union macht gegen Umweltverbände mobil
Die Novelle von 2017 ging unter anderem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Deutschland im Jahr 2015 zurück. Der EuGH entschied seinerzeit, dass die deutschen Präklusionsregelungen im damaligen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, mit der die Klagemöglichkeiten gegen Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen einschränkt wurden, gegen EU-Recht verstoßen.
Präklusion heißt, dass Bürger und Verbände ihre rechtlichen Einwände nur während eines Planungsverfahrens vorbringen dürfen und nicht mehr nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens
Die Union will schon länger diese Beschränkung wiederherstellen. Hintergrund ist auch, dass sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt haben, auf Grundlage europäischen Rechts das Verbandsklagerecht in seiner Reichweite zu überprüfen und sich auf EU-Ebene für die „Wiedereinführung der Präklusion“ einzusetzen.
Zuletzt mahnte der Unions-Wirtschaftsflügel eine EU-Initiative zur Beschränkung der Klagerechte für Umweltverbände an. „Wir wollen weiterhin Bürger- und Umweltbelange in Planungsverfahren berücksichtigen. Aber dies muss so geschehen, dass es nicht zu deutlichen Verzögerungen führt“, sagte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) und stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann (CDU), dem Handelsblatt.
Planungsverfahren dürften nicht länger durch Verbandsklagen unnötig in die Länge gezogen werden. „Da bedarf es auch auf europäischer Ebene dringender Änderungen.“
Linnemann begründete den Handlungsbedarf damit, dass die Infrastruktur in Deutschland modernisierungs- und ausbaubedürftig sei, die Coronakrise aber das Land in dieser Hinsicht im Vergleich zu Wettbewerbern wie China und USA weiter zurückgeworfen habe. „Auch die Energiewende wird nur gelingen, wenn große Planungs- und Bauvorhaben beschleunigt werden“, sagte der CDU-Politiker. „Hier läuft uns die Zeit davon.“
Das Problem dabei: Der Europäische Gerichtshof hat zu Jahresbeginn sein Urteil aus dem Jahr 2015 bestätigt. Die Bundesregierung spricht sogar von „unerwartet deutlichen“ Aussagen des EuGH. Damit sei nun klar, dass die Wiedereinführung der materiellen Präklusion bei Klagen gegen die Genehmigung von Infrastrukturprojekten und Industrieanlagen „europa- und völkerrechtswidrig“ wäre.
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