Regulierung FDP warnt vor „zu viel German Angst“ bei künstlicher Intelligenz

Der TÜV-Verband fordert „klare Leitlinien“ für die Anbieter, Entwickler und Nutzer von KI-Anwendungen gefordert.
Berlin Der Vorsitzende des Bundestags-Digitalausschusses, Manuel Höferlin (FDP) hat sich für Ausgewogenheit bei der Regulierung künstlicher Intelligenz (KI) ausgesprochen. KI biete „fast unendliche Chancen“. Daher lehne er es ab, diese Technologie, wie vom TÜV-Verband (VdTÜV) gefordert, von vornherein in „Risikoklassen“ einzuteilen, sagte Höferlin dem Handelsblatt. „Das ist mir zu viel German Angst. Die Zukunft gewinnen wir nur mit German Mut.“ Und dazu passe der Ansatz des TÜV nicht.
Der TÜV-Verband hatte in sicherheitskritischen Bereichen „erhebliche Regelungslücken“ bemängelt und deshalb „klare Leitlinien“ für die Anbieter, Entwickler und Nutzer von KI-Anwendungen gefordert. Das betreffe zum Beispiel hoch automatisierte Fahrzeuge, mit KI-gesteuerte Maschinen oder die medizinische Diagnostik auf Basis von KI, sagte der Präsident des VdTÜV, Michael Fübi, am Montag in Berlin.
Der TÜV-Verband plädierte für eine „angemessene“ Regulierung auf nationaler und internationaler Ebene. Wie die Datenethikkommission macht sich auch der Verband für einen risikobasierten Ansatz stark. Nicht jede KI-Anwendung müsse umfangreich getestet werden. Es komme darauf an, wie groß der Schaden ist, den ein KI-System anrichten kann. KI-Anwendungen sollten in verschiedene Risikoklassen eingeteilt werden. „In Abhängigkeit vom Risiko können sie dann zugelassen, überprüft oder sogar laufend überwacht werden.“ Voraussetzung für herstellerunabhängige Prüfungen sei jedoch der Zugang zu den dafür notwendigen „sicherheitsrelevanten Daten“.
Höferlin plädiert zwar auch für einen rechtlichen Rahmen. Allerdings müsse dieser „weit gefasst“ sein. „Innerhalb dieses Rahmens, der beispielsweise vorgibt, dass KI nicht diskriminieren darf, soll sich KI entwickeln dürfen und zugleich sollen die wichtigsten Haftungsfragen geklärt sein“, erläuterte der FDP-Politiker. „Eine verantwortungsvolle KI made in Europe hätte meines Erachtens eine gute Chance, Vorreiter und Role-Model für eine internationale Regelung zu werden.“ Nötig seien dafür aber „Freiraum für Kreativität und Ideen statt Plaketten und Siegel“.
Der CDU-Digitalpolitiker Tankred Schipanski sprach sich für einen „gemeinwohlorientierten“ Einsatz von KI-Technologien aus, bei dem der Mensch im Mittelpunkt stehen müsse. „Natürlich braucht es Regelungen, die das sicherstellen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. Einen „risikoadaptierten Regulierungsansatz“ von algorithmischen Systemen, wie dieser die Datenethikkommission und der TÜV-Verband vorgeschlagen haben, halte auch er „grundsätzlich für sinnvoll“, so Schipanski. „Je größer das Schädigungspotenzial des algorithmischen Systems, desto wichtiger sind hier klare Regeln.“
Der SPD-Digitalexperte Jens Zimmermann machte sich angesichts „erheblicher Regulierungslücken beim Einsatz von KI“ ebenfalls für einen „risikobasierten Ansatz“ stark. „Je nach Anwendung und Risiko braucht es einen differenzierten Regulierungs- und Kontrollansatz sowie entsprechende Aufsichtsstrukturen“, sagte Zimmermann dem Handelsblatt. Auch die vom TÜV-Verband erhobene Forderung nach herstellerunabhängigen Vorgaben und Prüfungen sowie dem dafür notwendigen Zugang zu Daten teile er. „Sinnvoll wäre ein europäischer Ansatz“, sagte der SPD-Politiker. „Wir sollten aber nicht allein auf europäische Vorschläge warten, sondern diese selbst initiieren und auch eine Vorreiterrolle im deutschen Recht einnehmen.“
Aus Sicht des Grünen-Politikers Dieter Janecek ist sowohl ein abgestimmtes europäisches Vorgehen bei der Risikobewertung von Künstlicher Intelligenz als auch eine Debatte hierüber in Deutschland notwendig. Die Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestags erarbeite hierzu gerade entsprechende Vorschläge.
Gleichwohl gelte: „Wenn Gefahr für die Gesundheit von Menschen besteht, muss der Gesetzgeber über entsprechende Sicherheitsstandards vorsorgen und zum Beispiel im Bereich der Medizin über eine Weiterentwicklung des Zulassungsrechts diskutieren“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Die Debatte darf aber nicht dazu führen, dass wir die Chancen von Künstlicher Intelligenz etwa für eine verbesserte Diagnostik in der Medizin, nachhaltigere Verkehrssteuerung oder dezentrale Energiewende nicht nutzen.“
Der FDP-Politiker Höferlin äußerte grundsätzliche Zweifel, ob der TÜV die richtige Institution für KI-Prüfungen ist. „Aus ideengeschichtlicher Tradition ist es zwar verständlich, dass er es gerne als Geschäftsmodell übernehmen möchte, KI-Anwendungen mit einer TÜV-Plakette zu versehen“, sagte Höferlin. Das werde aber schon wegen der schieren Masse der Anwendungen nicht funktionieren. „Zudem würden wir mit dem Ansatz einmal mehr eine zukunftsträchtige Technologie totregulieren, statt sie zu nutzen“, warnte Höferlin.
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