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Rekordtief Zahl der neuen Azubis im Corona-Jahr 2020 stark eingebrochen

Seit der Wiedervereinigung haben noch nie so wenige Auszubildende eine Stelle angetreten. Besonders der Bereich Handel und Industrie ist stark betroffen.
14.04.2021 - 14:47 Uhr Kommentieren
Der Rückgang der Auszubildenden ist stärker als 2009, als die Gesamtzahl der Neuverträge im Zuge der Finanzkrise um 7,6 Prozent geschrumpft war. Quelle: dpa
Auszubildender

Der Rückgang der Auszubildenden ist stärker als 2009, als die Gesamtzahl der Neuverträge im Zuge der Finanzkrise um 7,6 Prozent geschrumpft war.

(Foto: dpa)

Wiesbaden Die Krise auf dem Ausbildungsmarkt hat sich während der Corona-Pandemie noch verschärft. Schon in den vergangenen Jahren war die Zahl der jungen Menschen, die eine Lehre anfingen, in der Tendenz immer weiter gesunken.

Doch im Corona-Jahr 2020 brachen die Zahlen ein. Wirtschaftliche Unsicherheit, fehlende Ausbildungsmessen und Praktika-Plätze haben die duale Ausbildung ausgebremst. Verbände warnen vor einem sich zuspitzenden Fachkräftemangel und sehen kaum Anzeichen für schnelle Besserung. Für betroffene Lehrlinge ist die Lage nach über einem Jahr Pandemie mehr als nur angespannt.

Wie der Corona-Knick konkret aussieht

Seit Mittwoch ist amtlich, was schon länger absehbar war: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gefallen. Nur noch 465 200 Menschen begannen 2020 eine Lehre, wie aus vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Das bedeutet ein Minus von 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Selbst in Zeiten der Finanzkrise gab es keinen so starken Einbruch.

In Industrie und Handel ging die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge gar um 11,9 Prozent zurück. Im Handwerk betrug das Minus immerhin noch 6,6 Prozent. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) betraf der Rückgang hier insbesondere Friseure, Fotografen, Maßschneider oder Kosmetiker - also Bereiche, die besonders unter Corona leiden. Das Bauhauptgewerbe, das bislang vergleichsweise gut durch die Krise kam, habe hingegen sogar Zuwächse verzeichnet.

Der Handwerksverband zeigt sich angesichts der Zahlen alarmiert. „Azubis, die jetzt nicht ausgebildet werden, fehlen in der Zukunft als Fachkräfte“, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. Seine Befürchtung: Ähnlich wie in der Finanzkrise könnte Corona den Sockel an Azubis langfristig verringern.

„Das müssen wir diesmal unbedingt verhindern.“ Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Elke Hannack, sieht jedoch kaum Entspannung für das anstehende Ausbildungsjahr: „Erste Rückmeldungen aus den Branchen zeigen, dass die Zahl der Ausbildungsverträge 2021 abermals sinken könnte.“

Duale Ausbildungen zu Corona-Zeiten

Die Pandemie hat nicht nur Ausbildungsmessen oder Praktika ausgebremst. Auch die Firmen sind beim Anbieten neuer Ausbildungsplätze eher zurückhaltend. Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge könnte in diesem Jahr jeder zehnte ausbildungsberechtigte Betrieb weniger Lehrstellen anbieten als im Vorjahr. Die Bundesregierung will gegensteuern und stellt bis 2022 bis zu 700 Millionen Euro für die Sicherung von Ausbildungsplätzen zur Verfügung.

Verbände und Gewerkschaften beobachten jedoch noch einen weiteren Effekt: Viele Jugendliche fragen sich, ob eine Ausbildung unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt Sinn macht. Sie bleiben wohl erst mal länger in der Schule oder Fachhochschule, vermutet der ZDH. Es gelte daher, junge Menschen von der Zukunftsfähigkeit der dualen Ausbildung zu überzeugen.

Dass diese Überzeugung in letzter Zeit gelitten haben könnte, zeigen die Erzählungen junger Azubis. Etwa die des 22-jährigen Moritz: Er machte eine Ausbildung bei einem Sportartikelgeschäft in Erlangen. Dann kam Corona, der Laden geriet in finanzielle Schieflage, der Großteil der Belegschaft ging in Kurzarbeit. Von da an sei es nur noch darum gegangen, die drohende Insolvenz abzuwenden. „Von uns Azubis hat keiner mehr das gemacht, was er hätte machen sollen“, erzählt er. „Wir haben uns wirklich kaputtgeackert - körperlich wie psychisch.“

Genutzt hat es wenig: Der Laden ging pleite, Moritz verlor im dritten Lehrjahr seine Stelle. Im Rückblick sei die Sache jedoch gut für ihn ausgegangen, erzählt er. Er habe sich getraut, die Branche zu wechseln und beginnt nach langer Suche im September eine Ausbildung in einer Bundesbehörde.

Qualität der Ausbildung

Abgesehen von den existenziellen Sorgen drückt die Krise vielerorts auch auf die Ausbildungsqualität. Viele Jugendliche hätten bereits jetzt gut die Hälfte ihrer Ausbildung im Ausnahmezustand absolviert, sagt Hannack. Koch-Azubi Julius etwa startete im vergangenen September gleich in diesem Modus. Ab November ging in seinem Restaurant in Unterfranken gar nichts mehr. Statt in einer Sterneküche stand der 22-Jährige vorübergehend an der Frischetheke eines Supermarkts.

Mittlerweile bereitet er mit den anderen Azubis To-Go-Essen für Stammgäste zu. „Das ist auf jeden Fall nicht das Gleiche, viele Inhalte fallen weg“, sagt Julius. Im Vergleich zu vielen seiner Klassenkameraden an der Berufsschule sei er jedoch froh, überhaupt am Herd stehen zu können.

Eine Debatte um das Stigma einer „Corona-Ausbildung“ oder eines „Corona-Abiturs“ sei aber nicht zielführend, warnt die Bundesjugendsekretärin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Julia Böhnke. Viel wichtiger sei, jetzt das Erreichen von Ausbildungszielen zu forcieren. „Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Auszubildende und ausbildendes Personal nicht in Kurzarbeit geschickt werden dürfen.“

Mehr: ZEW-Konjunkturerwartungen trüben sich überraschend ein

  • dpa
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