Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Rettung der Innenstädte Sondersteuer für Onlinehändler? Roßmann-Vorschlag sorgt für Streit in der Handelsbranche

Drogerie-Unternehmer Raoul Roßmann stößt mit seiner Forderung nach einer Paketsteuer auf Ablehnung. Unterstützung aus der Politik kommt überraschend von einer Partei.
02.08.2021 - 16:37 Uhr 1 Kommentar
Der Onlinehändler gehört zu den Profiteuren der Coronakrise. Quelle: Wolf Heider-Sawall/laif
Amazon-Logistikzentrum in Graben

Der Onlinehändler gehört zu den Profiteuren der Coronakrise.

(Foto: Wolf Heider-Sawall/laif)

Berlin Die außergewöhnlich schlechte Situation vieler Händler in den Innenstädten erfordert aus der Sicht von Raoul Roßmann außergewöhnliche Maßnahmen. Der Drogerie-Unternehmer forderte im Handelsblatt-Interview Hürden für große Onlinehändler wie Amazon, etwa in Form einer Paketsteuer. Roßmann dürfte geahnt haben, dass diese Idee zu Kontroversen führt.

Der Handelsverband HDE lässt Roßmann abblitzen. „Es wäre falsch und rechtlich sicher auch fragwürdig, den Einzelhandel je nach Vertriebsweg unterschiedlich zu besteuern“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Wir brauchen keine Strafsteuer für den Onlinehandel, sondern die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs unter Einhaltung aller Regeln und Gesetze.“

Ähnlich sieht das Deutschlands oberster Verbraucherschützer. „Herr Roßmanns Analyse der sterbenden Innenstädte ist richtig, seine Lösung aber falsch“, sagte Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Statt einer Strafsteuer für den Onlinehandel müsse die Politik klare und verbraucherfreundliche Regeln für die digitalen Plattformen aufstellen. „Amazon und Co. müssen transparenter werden, ihren Transport ökologischer gestalten und bei fehlerhaften Produkten stärker haften als bislang.“

Der Inhaber der Drogeriekette Rossmann hält Milliardeninvestitionen in die Innenstädte für nicht zielführend und am Ende nur für sehr teuer für den Steuerzahler. Quelle: imago images/localpic
Raoul Roßmann

Der Inhaber der Drogeriekette Rossmann hält Milliardeninvestitionen in die Innenstädte für nicht zielführend und am Ende nur für sehr teuer für den Steuerzahler.

(Foto: imago images/localpic)

Unterwartete Unterstützung für seine Steuererhöhungspläne bekommt Roßmann von der FDP. „Deutschland ist zum Hochsteuerland geworden und der Mittelstand und die hart arbeitende Mitte der Gesellschaft müssen zahlen, während die Digitalkonzerne in der Krise abkassieren“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.

Um die Innenstädte vor der Verödung zu bewahren, hatte Roßmann vorgeschlagen, beispielsweise eine Paketsteuer oder höhere Mehrwertsteuersätze für Unternehmen mit einem hohen Umsatzanteil im Onlinehandel zu erheben. „Wenn ich für ein online bestelltes Paket fünf Euro mehr bezahlen muss, als wenn ich die Produkte stationär erwerbe, dann überlege ich genau, ob es mir das wert ist“, erläuterte er.

„Wir brauchen Hürden für den Onlinehandel, insbesondere für die ganz großen Player wie Amazon, wenn wir das Gut der Innenstädte schützen wollen“, sagte Roßmann. Dies sei die einzige Lösung, „die uns davor bewahrt, Milliarden in die Innenstädte zu pumpen, beispielsweise um künstlich Mieten zu reduzieren“.

Rasant wächst nur der Onlinehandel

Die Lage vieler Einzelhändler ist in der Tat prekär. Ohne weitere Lockdowns und bei niedrigen Infektionszahlen erwartet der Handelsverband im Gesamtjahr 2021 zwar ein Umsatzwachstum von 1,5 Prozent auf dann 586 Milliarden Euro. Allerdings bietet der Einzelhandel mit seinen rund drei Millionen Beschäftigten ein gemischtes Bild – denn rasant wächst nur der Onlinehandel von Amazon bis Zalando. Dieser legte von Januar bis Juni um 26,6 Prozent zu.

Grafik

Die Lockdowns während der Corona-Pandemie haben einen Trend verstärkt, der schon vorher spürbar war: Während Onlinehändler immer mehr verkaufen, kämpfen viele kleine Geschäfte in den Innenstädten um ihre Existenz. Nach HDE-Prognosen und laut einer Studie des Ifo-Instituts ist auch nach dem Ende der Corona-Beschränkungen nicht mit einer Rückkehr zu alten Zeiten zu rechnen. Sie geht davon aus, dass sich die Verbraucher in Deutschland zunehmend an den Onlineeinkauf gewöhnen.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sieht den Vorstoß von Roßmann trotzdem skeptisch. „Eine Sondersteuer für Onlineprodukte wird die Innenstädte nicht retten“, sagte er. Der Gedanke gehe in die richtige Richtung, das Problem liege allerdings tiefer. Die großen Onlinehändler verkauften weltweit, leisteten aber keinen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur. „Unterm Strich gibt es dadurch einen unfairen Wettbewerbsvorteil – der stationäre Handel kann da nicht mithalten.“

Die Furcht vor dem Aussterben der Innenstädte hat auch die Politik aufgeschreckt. Das Bundesinnenministerium hat einen Beirat Innenstadt ins Leben gerufen, in dem unter anderem Vertreter der Städte und des Handels sitzen. Gemeinsam haben sie eine „Innenstadtstrategie“ erarbeitet.

Zudem wurde ein Programm mit 250 Millionen Euro aufgelegt. Städte und Gemeinden sind aufgerufen, bis Mitte September Projektvorschläge für innovative Konzepte und Handlungsstrategien zur Stärkung der Innenstädte vorzulegen.

Die Strategie sieht HDE-Hauptgeschäftsführer Genth, der sich ebenfalls beim Beirat beteiligt, als Alternative zu den Forderungen von Roßmann nach Sondersteuern für Onlinehändler. „Nur mit einer zielgerichteten Innenstadtstrategie wird es gelingen, unsere Städte als Standorte des Handels zu sichern“, sagte Genth. Die Idee einer Paket- oder Onlinesteuer führe hingegen nicht zum Ziel, sie träfe auch viele mittelständische Händler, die sich erfolgreich im Internet positioniert hätten.

Genth: „Strafe bei Erfolg – das kann es nicht sein“

Und auch wenn man die Steuer so ausgestaltet, dass sie nur einige große Onlinehändler trifft – etwa indem sie nur für Unternehmen gilt, die mehr als die Hälfte des Umsatzes im Internet machen – hält Genth die Idee für falsch. „Denn das würde dann ja insbesondere die erfolgreichsten Händler treffen“, sagte er. „Strafe bei Erfolg – das kann es nicht sein.“

Vielmehr müsse die Politik den Weg hin zu einem fairen Wettbewerb im Einzelhandel konsequent weitergehen. Noch immer sei nicht gewährleistet, dass sich alle Händler, die Waren in den deutschen oder den EU-Markt verkauften, sich an alle hier geltenden Regeln und Gesetze hielten und auch hier Steuern zahlten.

Das sieht FDP-Politiker Theurer ähnlich. Die Silicon-Valley-Konzerne müssten endlich ihren fairen Steuerbeitrag leisten. „Trotz vollmundiger Ankündigungen ist es Bundesfinanzminister Olaf Scholz nicht gelungen, durch internationale Vereinbarungen Digitalkonzerne wie Amazon zu besteuern“, sagte Theurer.

Die Finanzexpertin der Grünen, Lisa Paus, teilt die Kritik. „Die großen Onlinehändler genießen klare strukturelle Wettbewerbsvorteile gegenüber kleinen und mittelständischen Geschäften“, sagte Paus. Gerade Internetgiganten wie Amazon schafften es aufgrund ihrer internationalen Konzernstrukturen, Milliardengewinne am Fiskus vorbei ins niedrig besteuernde Ausland zu schaffen. „In diesem Wettbewerb können die innerstädtischen Gewerbe nicht bestehen.“

Die Paketsteuer hält die Grünen-Politikerin trotzdem für nicht zielführend, denn sie träfe nach ihrer Einschätzung auch die kleinen Händler, die sich mit dem Onlinehandel ein zweites Standbein aufbauten. Paus: „Eine Digitalsteuer wäre eine Möglichkeit, die konsequente Bekämpfung von Steuerverschiebung durch schlagkräftige Steuerbehörden eine andere.“

Kürzlich haben sich 130 Staaten innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer und neuer Regeln zur Besteuerung von Digitalkonzernen geeinigt. Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) unterstützen den Plan. Das ist auch ein Erfolg für Scholz, der drei Jahre lang für das Vorhaben gekämpft hatte.

Städtetag-Hauptgeschäftsführer Dedy sieht die Digitalsteuer als „guten Schritt“, der auch Innenstädten und Einzelhändlern helfen kann. Er mahnt aber: „Die Vorgaben müssen nun so mit Leben gefüllt werden, dass das Geld auch bei den Städten ankommt.“

Da haben einige Kritiker so ihre Zweifel. Sie befürchten, dass sich Konzerne wie Amazon bei der Umsetzung Schlupflöcher suchen könnten. „Die globale Mindeststeuer droht an Amazon spurlos vorbeizugehen“, meint Grünen-Politikerin Paus. Die Europäische Union müsse daher darauf drängen, Digitalkonzerne konsequenter zu besteuern. „So können wir auch den schwächelnden lokalen Gewerben die Chance geben, in die Zukunft zu investieren und sich gegenüber dem Onlinehandel zu behaupten.“

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie und den Lockdowns gab es zudem weitere Ideen, wie die Innenstädte gestärkte werden könnten. Die Grünen schlugen etwa einen Konsumgutschein von 250 Euro für jeden Bürger vor, der vor Ort bei Händlern einzulösen wäre. Dies sollte den Geschäften nach den Corona-Einschränkungen den Neustart erleichtern.

Ökonomen sahen den Vorschlag skeptisch, sprechen sich aber auch für eine Stärkung des Einzelhandels aus. „Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist dringend geboten, damit der stationäre Einzelhandel sich im Wettbewerb gegen den Onlinehandel behaupten und Arbeitsplätze sichern kann“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.

Dass der Einzelhandel gestärkt werden sollte, da sind sich Branchenvertreter, Politiker und Ökonomen also grundsätzlich einig. Ob es dafür allerdings staatlicher Hürden für den Onlinehandel bedarf, wie es Roßmann vorschlägt, bleibt umstritten.

Mehr: „Sonst müssen wir Milliarden in die Innenstädte pumpen“: Rossmann-Chef fordert Sondersteuer für Online-Einkäufe

Startseite
Mehr zu: Rettung der Innenstädte - Sondersteuer für Onlinehändler? Roßmann-Vorschlag sorgt für Streit in der Handelsbranche
1 Kommentar zu "Rettung der Innenstädte: Sondersteuer für Onlinehändler? Roßmann-Vorschlag sorgt für Streit in der Handelsbranche"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Es ist so, als riefe die Eisdiele dazu auf, die Eiswaffeln im Supermarkt künstlich zu verteuern um weiterhin das eigene, weniger gut schmeckende Eis verkaufen zu können.

    Würde Rossmann seinen Kunden ein ähnliches Einkaufserlebnis anbieten wie die Online-Händler, müsste er nicht nach staatlichen Maßnahmen rufen.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%