Rudolf Scharping zum Hahn-Debakel „Die Fehler müssen aufgearbeitet werden“

Rudolf Scharping (SPD) war von 1991 bis 1994 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und später Bundesverteidigungsminister. Nach seiner Zeit in der Politik gründete er die Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation AG (RSBK). Seit mehr als zehn Jahren unterstützt er deutsche Firmen in China in Fragen der Strategieentwicklung. Er berät auch chinesische Unternehmen bei Kooperationen in Deutschland.
Der gescheiterte Verkauf des Flughafens Hahn in Rheinland-Pfalz schlägt hohe Wellen. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags dürfte folgen. Es ist richtig, mögliche Fehler der Landesregierung aufzuarbeiten. Der Fall ist aber auch ein Lehrstück für die Prüfung der Bonität eines chinesischen Geschäftspartners. Damit war die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft beauftragt. Auch hier gilt es, schwerwiegende Fehler aufzuarbeiten – und für die unternehmerische und wirtschaftliche Praxis daraus zu lernen.
Grundlage jeder Prüfung sollten genaue Informationen über die fragliche Gesellschaft sein, ihre „Business License“, die Namen und wirtschaftlichen Hintergründe der Gesellschafter, deren mögliche Verflechtung mit anderen Gesellschaften. In der Regel reichen dazu ins Englische übersetzte Namen nicht aus, und die genaue chinesische Schreibweise sollte vorliegen, um Verwechslungen auszuschließen oder Ungereimtheiten zu entdecken.
So gibt es in Schanghai offenbar zwei Firmen mit dem englischen Namen „Shanghai Yiqian Trading“ (SYT), an denen ein Herr Wang Kan (auch: Kyle) einmal mit zehn Prozent, im zweiten Fall mit 100 Prozent beteiligt ist, wobei beide Firmen eine identische Anschrift haben. Man sollte auch wissen, dass – anders als in Deutschland – eine chinesische Firma nur einen „legal representative“ hat, nicht etwa zwei, wie in den Berichten der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft an die Landesregierung Rheinland-Pfalz dargestellt.
Schwerer wiegt, dass die öffentlich zugänglichen Register in China solche Angaben enthalten und auch das registrierte Kapital ausweisen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass in China für die Registrierung einer Firma („Ltd.“) zunächst nur 20 Prozent des Kapitals eingezahlt werden müssen. Zum Vergleich: Im Falle einer deutschen GmbH sind es 50 Prozent. Wer also die Bonität eines chinesischen Unternehmens prüfen will, muss auch das eingezahlte Kapital überprüfen. Das ist gut machbar, wenn man das chinesische Register zu bedienen weiß. So hat SYT statt des berichteten Kapitals (registriert: 500 000 chinesische Yuan, rund 68 000 Euro) die in China geregelten 20 Prozent davon wirklich eingezahlt, also 100 000 Yuan, umgerechnet weniger als 14 000 Euro. Dennoch enthält der abschließende Bericht über SYT nur „grüne Ampeln“.
Dabei hat offenbar ein anderer SYT-Gesellschafter namens Zhu (ausweislich des Registers hält er an SYT 51 Prozent) eine Rolle gespielt. Herr Zhu (Vorname: Qing) ist beteiligt an einer Investmentfirma „Shanghai Guoqing Investment Co., Ltd.“, kürzen wir sie „SGI“ ab. Ausweislich des chinesischen Registers hat diese Firma ein registriertes Kapital von 667 000 000 Yuan, rund 90 Millionen Euro. Auch hier hat die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft nur „grüne Ampeln“ vergeben, wie man hört. Nur ein wenig tieferes Bohren in zugänglichen chinesischen Quellen hätte zu einer knallroten Ampel führen müssen: SGI hatte ein „paid-in registered capital: not yet“, also null.
Natürlich muss man weitere Informationen einholen. In Deutschland kann man Kammern einschalten oder die „Creditreform“. Vergleichbares kann man auch in China veranlassen, wie beispielsweise einen „Credit Report“. Über SYT liegt mir ein solcher aktueller „Credit Report“ vor. Dieser bestätigt die Informationen des chinesischen Registers und nennt überdies für 2015 einen Umsatz von 420 000 Yuan, also weniger als 60 000 Euro mit Verlusten im operativen Geschäft. Im strikten Gegensatz zu den „grünen Ampeln“ der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft sagt der chinesische „Credit Report“: SYT wird beurteilt als eine Briefkastenfirma ohne Glaubwürdigkeit und Kreditwürdigkeit – das englische „without credibility“ einmal doppelt übersetzend.
Es ist also nicht schwer, in China Informationen über Geschäftspartner zu bekommen – wenn man weiß, wie. Mit einer gewissen Sach- und Sprachkenntnis braucht es höchstens zwei Arbeitstage für einen vollständigen Einblick in öffentlich zugängliche Register. Sachlich tiefergehende Reports liegen in englischer Sprache in einer Arbeitswoche vor – dafür ist so viel Geld zu investieren wie in zwei oder drei Beraterstunden in Deutschland.
Das ist alles kein Hexenwerk – Sorgfalt vorausgesetzt. Niemand wird übersehen, dass die Vorschriften für den Kapitaltransfer aus China heraus deutlich verschärft angewendet werden; daraus können immer Zeitverzögerungen und sogar wirtschaftlich ganz unerwünschte Effekte entstehen. Hanebüchen wird es aber, wenn eine sogenannte „Bankbestätigung“ aus China nach Deutschland offenbar per E-Mail und Scan übermittelt wird. Chinesische Behörden verlangen mit gutem Grund notarielle Beglaubigungen, um auf der sicheren Seite zu sein. Und umgekehrt soll ein Scan per E-Mail ausreichen?
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