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Rüstungsprojekte Zu schnell für die Industrie: AKK will schon bald schwere Transporthubschrauber bestellen

Einsatzfähige Hubschrauber sind bei der Bundeswehr Mangelware, stellt ein neuer Bericht des Verteidigungsministeriums fest. Deshalb will die Ministerin den Kauf neuer Schwerer Transporthubschrauber im Eiltempo durchziehen. 
08.12.2020 - 14:22 Uhr 1 Kommentar
Ein ganz neuer Hubschrauber, von dem erst wenige Stück gekauft wurden. Quelle: AFP/Getty Images
CH-53K von Sikorsky

Ein ganz neuer Hubschrauber, von dem erst wenige Stück gekauft wurden.

(Foto: AFP/Getty Images)

Berlin Plötzlich soll alles ganz schnell gehen: Noch in diesem Jahr will Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) alle Informationen zusammentragen, um einen neuen Schweren Transporthubschrauber (STH) zu bestellen. Anfang 2021 will sie entscheiden, ob die Bundeswehr entweder den CH-47 Chinook von Boeing oder den CH-53K von Sikorsky, einer Tochter von Lockheed Martin, bekommen wird.

Zu schnell gehe das, lautet die Meinung bei Lockheed Martin (LM) über das Vorgehen von AKK. „Wir begrüßen grundsätzlich, dass es nun weitergeht, wundern uns aber über das hohe Tempo“, sagte Dennis Göge, Vize-Europachef bei LM, dem Handelsblatt. „Wir wünschen uns einen Wettbewerb, der die faire Vergleichbarkeit beider Luftfahrzeuge sicherstellt.“

Zwei Jahre hatten sich die Verhandlungen zwischen dem Bundeswehr-Beschaffungsamt und den beiden US-Flugzeugbauern hingezogen. Die Kosten stiegen und stiegen. Im September reichte es Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Sie stoppte das Verfahren – allerdings nur, um es auf einem anderen Weg wieder zu beginnen: Es soll nicht mehr das Beschaffungsamt mit den Herstellern verhandeln, sondern das Bundesverteidigungsministerium selbst direkt mit der US-Regierung.

Dass es schnell gehen sollte, bezweifelt keiner der Fachpolitiker im Verteidigungsausschuss. Schwere Transporthubschrauber fehlen an allen Ecken und Enden; diejenigen, die die Bundeswehr hat, sind zu wenige, zu alt und zu störungsanfällig

Bei allen Hubschraubern der Bundeswehr ist die Einsatzbereitschaft „stark verbesserungswürdig“, stellte am Dienstag Generalinspekteur Eberhard Zorn im neuen Bericht zur „materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr“ fest. Sie liege bei Hubschraubern nur knapp über 40 Prozent. Für Auslandseinsätze sind STHs unverzichtbar.

Die neuen STH-Kaufverhandlungen sollen jetzt im sogenannten Foreign-Military-Sales-Verfahren (FMS) laufen. Das bedeutet, dass die US-Seite von den Unternehmen die notwendigen Unterlagen beschafft und dann in Verkaufsverhandlungen mit dem Verteidigungsministerium eintritt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte allerdings, es sei noch nicht entschieden, ob man dieses oder doch wieder Verfahren mit direkten Verhandlungen mit den Unternehmen wählen werde.

Boeing ist im Vorteil

Das Problem für Lockheed Martins Tochter Sikorsky: Der CH-53K ist ein ganz neuer Hubschrauber. Von ihm hat bisher erst das US-Marine Corps 30 Stück gekauft. 200 sind bestellt. Von Boeings Chinook dagegen sind in vielen Nato-Staaten ungefähr 900 im Einsatz.

Die US-Regierung hat daher vom Chinook alle relevanten Daten für jedes nur denkbare Informationsbedürfnis vorliegen – während sie vom CH-53K jetzt noch weitere Informationen angefragt hat. Und: Anstatt der üblichen drei Monate wurde LM-Sikorsky nur eine Zwei-Wochen-Frist für die Beantwortung gegeben – weil die deutsche Seite Zeitdruck ausübe.

Das zweite Problem ist, dass ein CH-53K einen deutlich höheren Kaufpreis hat als ein Chinook. „Der CH-53K liegt beim Kaufpreis höher, ist aber in der Langzeitbetrachtung durch geringe Betriebskosten und hohe Verfügbarkeit günstiger“, sagt LM-Manager Göge.

Hinzu komme, dass er alle Anforderungen der Luftwaffe schon in der Basisversion biete, etwa die Luftbetankung. Und weil der CH-53K größer sei und mehr Lasten tragen könne als der Chinook, brauche die Bundeswehr für die gleiche Transportleistung nur gut 40 statt 60 Hubschrauber.

Göge erinnert auch daran, dass ältere Waffensysteme, zu denen er den Chinook zählt, irgendwann an den Punkt kommen, an dem sie nur mit sehr hohem Aufwand noch betrieben werden können. So geschehen ist das in den letzten Jahren beim Tornado, dessen zu später Ersatz den Steuerzahler bisher mindestens sieben Milliarden Euro zusätzlich gekostet hat.

Viele Nato-Staaten haben den Schweren Transporthubschrauber bereits gekauft. Quelle: VIA REUTERS
CH-47 Chinook im Einsatz bei der US-Armee

Viele Nato-Staaten haben den Schweren Transporthubschrauber bereits gekauft.

(Foto: VIA REUTERS)

Deutsche Industrieexperten allerdings weisen den Vergleich zurück: Der Chinook sei in der neuesten Version kein altes, sondern ein hochmodernes Luftfahrzeug.

Im Verteidigungsausschuss jedenfalls hat der Chinook als bewährtes Arbeitspferd vieler Nato-Armeen einige Fürsprecher. Auch dass er kleiner ist als der CH-53K, habe Vorteile, etwa für den Afghanistan-Einsatz. Zudem will das Kommando Spezialkräfte KSK unbedingt Chinooks bestellen.

Für den CH-53K wiederum spricht die wohl leichter mögliche Luftbetankung. „Die Bundeswehr beschafft drei Tankflugzeuge, die gemeinsam mit Frankreich vor allem zur Luftbetankung von Hubschraubern genutzt werden sollen“, sagt Göge. „Als Serienversion kann dafür nur der CH-53K eingesetzt werden.“

Hinzu kämen aufseiten von Lockheed Martin Vorteile wie eine Industriekooperation mit Rheinmetall, MTU, Autoflug und Hydro Systems. „Sie kann auch bei Wartung und Betrieb des neuen Hubschraubers zum Einsatz kommen“, so Göge.

Die Ausrüstung der Bundeswehr mit Waffen kommt nur langsam voran

Während Hubschrauber bei der Bundeswehr schon knapp sind, hat die Einsatzbereitschaft laut Generalinspekteur Zorn zugenommen und liegt nun bei 74 Prozent. Durchschnittlich bedeutet dies, dass sie für neue Militär-Lkw bei über 90 Prozent liegt, dass Fregatten, Leopard 2-Panzer und die neueren Eurofighter zwischen 65 und 100 Prozent liegen, und die Hubschrauber die Statistik verderben. 

Und nicht nur die Hubschrauber tun dies: Schlecht sieht es um die Einsatzbereitschaft der sehr alten Waffensysteme aus, die sich laut Bericht in der „Sättigungs- bis Degenerationsphase“ befinden, wie der Tornado und der Schwere Transporthubschrauber CH-53, von denen allzu oft nur ein Drittel eingesetzt werden kann. 

Deutlich besser geworden sei inzwischen die Einsatzbereitschaft des Transportflugzeugs A400M und die des Schützenpanzers Puma - allerdings immer noch nicht ausreichend, so der Bericht. Erst 2022 wolle man entscheiden, ob weitere Puma gekauft werden. 

Insgesamt sind zwölf Hauptwaffensysteme der Bundeswehr nur zu 50 Prozent einsatzfähig.

Der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner kritisierte, dass es auch Kramp-Karrenbauer nicht gelungen sei, die Ausrüstung der Bundeswehr durchgreifend zu verbessern. „Es ist bezeichnend für die Lage der Bundeswehr, wenn fabrikneue LKW und ihre hohe Einsatzbereitschaft im Bericht positiv hervorgehoben werden“, sagte Lindner. Es sei nicht hinnehmbar, dass es nach wie vor neue Waffensysteme gibt, bei denen nicht einmal jedes Dritte materiell einsatzbereit ist.

Mehr: Die Bewilligung von Mitteln für das Milliardenprojekt TLVS lässt auf sich warten. Hersteller MBDA sieht sich daher zu Entlassungen gezwungen.

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1 Kommentar zu "Rüstungsprojekte: Zu schnell für die Industrie: AKK will schon bald schwere Transporthubschrauber bestellen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Jetzt will AKK mal schnell umsetzen, dann blockieren sich die Lobbyisten gegenseitig und es geht wieder nicht weiter.
    Ein Trauerspiel. Offensichtlich ist die BW-Bürokratie ein großes und teures Hemmnis die Bundeswehr mit modernem Gerät auszustatten.
    Dann sollte man das von einem leistungsfähigen Start-up mit IT-Kompetenz erledigen lassen.
    Der Rest der Truppe ist offensichtlich sich der Auswirkungen nicht bewusst und beschäftigt sich mit sich selbst.
    Peinlich für Deutschland und Europa, wenn wir offensichtlich nicht selbst leistungsstarke Transport-Hubschrauber produzieren können.

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