Schulen Ferienarbeitslosigkeit bei Lehrern weiter hoch

Trotz des Lehrermangels melden sich Tausende Pädagogen mit Zeitvertrag in den Sommerferien arbeitslos.
Berlin Lehrer werden händeringend gesucht, viele Länder sind auf Seiten- oder Quereinsteiger angewiesen, die Arbeitslosigkeit unter Pädagogen ist sehr gering. Mit einer Ausnahme: Zu den Sommerferien schießen die Zahlen in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) regelmäßig nach oben.
Dieses Jahr macht keine Ausnahme: Zu Beginn oder während der Sommerferien haben sich 5.800 Lehrer aus einer Beschäftigung heraus arbeitslos gemeldet, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten BA-Statistik zum Thema hervorgeht. Das waren rund 500 mehr als im Vorjahr, aber weniger als in den Jahren 2016 bis 2018, als sich zwischen 6.000 und 6.100 Pädagogen in den Sommerferien arbeitslos meldeten.
Ein Grund für den saisonalen Anstieg ist, dass Referendare ihre Ausbildung beenden und erst zu Beginn des neuen Schuljahres eine Stelle finden. Ein anderer, dass Lehrer nur befristet eingestellt werden, weil sie schwangere oder erkrankte Kolleginnen und Kollegen vertreten sollen und die Vertretung endet.
Es kommt aber auch vor, dass die Verträge vor den Sommerferien auslaufen und die Pädagogen danach wieder eingestellt werden. Die Länder schonen so ihre Personalhaushalte – auf Kosten der Arbeitslosenversicherung.
Von Oktober 2019 bis September 2020 meldeten sich insgesamt 14.400 Lehrer arbeitslos. Laut BA handelt es sich hierbei im Allgemeinem um Sucharbeitslosigkeit, beispielsweise, wenn ein Pädagoge nach dem Umzug in eine andere Stadt oder ein anderes Bundesland vorübergehend arbeitslos ist, bevor er wieder eine Stelle findet.
41 Prozent dieser Meldungen fallen aber in die Zeit der Sommerferien. Bayern und Hamburg stechen hervor, hier liegt die entsprechende Quote bei 52 und 57 Prozent. Spitzenreiter ist Baden-Württemberg: Gut drei von vier Lehrern, die sich während eines Jahres arbeitslos melden, tun das dort in den Sommerferien. In Niedersachsen, Hessen und dem Saarland sind es immerhin noch mehr als 40 Prozent.
In elf Bundesländern hat sich der Anteil der Arbeitslosmeldungen zu Beginn oder während der Sommerferien im Vergleich zum Vorjahr erhöht, am deutlichsten im Saarland, in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Bremen und Thüringen war die ohnehin geringe Ferienarbeitslosigkeit laut BA weiter rückläufig.
Großer Anteil von Zeitverträgen
Es sei gut und richtig, dass die Bundesländer vom „Hire-and-Fire-Prinzip“ der Lehrkräfte schrittweise Abschied nähmen, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erzieghung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, dem Handelsblatt. „Angesichts des dramatischen Lehrkräftemangels bleibt aber unverständlich, warum gerade die reicheren Länder weiterhin Lehrkräfte befristet einstellen, um zu sparen, obwohl sie dieses Potenzial an Lehrerinnen und Lehrern dringend benötigen, um die Lücken in der Unterrichtsversorgung zu schließen.“
Mit dieser On-Off-Praxis die Landeshauhalte zu entlasten, sei „eine Zumutung für die Sozialabgaben zahlenden Beschäftigten, den Lehrkräften gegenüber ist sie geradezu unanständig“, betonte Tepe.
Berücksichtigen müsse man bei den Arbeitslosmeldungen allerdings, dass bei kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen, also etwa Halbjahresverträgen von Februar bis Juli, kein vollständiger Anspruch auf Weiterbezahlung in den Sommerferien entstehe, weil der entstandene Urlaubsanspruch darunter liege, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, dem Handelsblatt. „Es liegt also nicht in jedem Einzelfall immer am bösen Willen der Behörden, sondern ist teilweise der Rechtslage geschuldet.“
In Bayern gebe es ein Programm, Lehrkräfte, die mehrere befristete Arbeitsverträge hatten, unabhängig von den Noten der Lehramtsexamina – sozusagen wegen erwiesener Bewährung – in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. „Das begrüßen wir“, sagte Meidinger. Allerdings hake es noch bei der Umsetzung, die angestrebten Verbeamtungszahlen seien noch nicht erreicht worden.
Grundsätzlich schlage der Lehrerverband einen Pakt für verlässliche Lehrerversorgung vor, wonach langfristig gesehen der Staat in Zeiten eines Überangebots an Lehramtsbewerbern über Bedarf einstellt, so dass er in Mangelzeiten damit die Versorgungslücken schließen kann.
Gerade in der derzeitigen Ausnahmesituation brauche man jede verfügbare Lehrkraft, und deshalb sei die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne Anschlussverträge falsch. Zur Vollabdeckung des Unterrichts wäre eine zusätzliche Unterrichtsreserve in Höhe von zehn Prozent der Planstellen nötig. „Davon sind wir in allen Bundesländern nach wie vor meilenweit entfernt“, sagte Meidinger.
Baden-Württemberg verweist auf Vertretungsbedarf
Das Kultusministerium in Baden-Württemberg betonte, man spare nicht an Personalkosten zu Lasten der Arbeitslosenversicherung. „Befristete Verträge werden eingesetzt, um auf kurz- oder mittelfristigen Vertretungsbedarf zu reagieren“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Kennzeichnend für befristete Verträge sei stets, dass nur ein vorübergehender Bedarf bestehe, aber kein gesicherter Bedarf für das folgende Schuljahr existiere.
Außerdem komme es vor, dass gerade junge Lehrer das Angebot einer unbefristeten Stelle ausschlügen und stattdessen einen Zeitvertrag annähmen, weil sich die Schule nicht am Wunschort befinde und sie noch wechseln wollten, sagte die Sprecherin weiter. Insgesamt seien in Baden-Württemberg rund 97 Prozent der Lehrkräfte verbeamtet oder in einer unbefristeten Anstellung.
Bundesweit hatte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2019 rund jeder sechste Arbeitnehmer aus dem Bereich Erziehung und Unterricht einen Zeitvertrag. Am höchsten war die Befristungsquote in Hessen mit mehr als 19 Prozent, am niedrigsten in Brandenburg mit gut elf Prozent.
Anders als in der Privatwirtschaft macht es das Teilzeit- und Befristungsgesetz Arbeitgebern im öffentlichen Dienst leicht, Beschäftigten nur einen Vertrag auf Zeit zu geben. So liegt laut Gesetz ein sachlicher Grund für eine Befristung auch vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind. Die Länder können sich also bei der Aufstellung ihrer Haushalte Gründe für Befristungen selbst schaffen.
Mehr: Stefanie Hubig – eine Ministerin kämpft für offene Schulen
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„Die Länder können sich also bei der Aufstellung ihrer Haushalte Gründe für Befristungen selbst schaffen.“
Die öffentliche Hand (vertreten durch Berufspolitiker) hat für die freie Wirtschaft solche Befristungen eingeschränkt. Unfair!!!!
Zudem wird die Flexibilisierung des insgesamten Arbeitsmarktes unnötig eingeschränkt.