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Sebastian Fiedler im Interview Polizei in der Pandemie: „Müssen uns Gedanken machen, dass es zu einem Notstand kommt“

Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler befürchtet, die Polizei werde bei einer Eskalation der Pandemie überlastet. Der Kriminalhauptkommissar meint: Helfen könnte die Bundeswehr.
21.12.2021 - 18:11 Uhr 1 Kommentar
Die Polizei hat in der Pandemie besonders viel zu tun und mit Ausfällen, aufgrund von Beamten in Quarantäne zu kämpfen. Quelle: dpa
Polizistin in der Fußgängerzone

Die Polizei hat in der Pandemie besonders viel zu tun und mit Ausfällen, aufgrund von Beamten in Quarantäne zu kämpfen.

(Foto: dpa)

Berlin Sebastian Fiedler (48) ist Kriminalhauptkommissar und einer der neuen Innenexperten der SPD-Bundestagsfraktion. Vor der Wahl war er Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.

Herr Fiedler, der Expertenrat der Bundesregierung warnt vor „hohen Risiken“ bei der Polizei angesichts der nahenden Omikron-Welle. Droht Deutschland der Ausfall tausender Polizisten und Polizistinnen?
Ich bin kein Epidemiologe, aber die Prognosen und Szenarien des Expertenrats erscheinen mir äußerst plausibel und ernst zu sein. Insoweit: Ja, augenscheinlich müssen wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen, dass es zu einem Notstand kommt.

Können Kriminelle, Extremisten und Terroristen auf eine Corona-Notlage der Polizei hoffen?
Diese Hoffnung würde ich denen nehmen, denn die Polizei ist leider äußerst gut darin, ihre Aufgaben mit zu wenig Personal zu erledigen. Ich erinnere mich an eine Untersuchung, die vor einigen Jahren für NRW feststellte, dass arbeitstäglich nur etwa 75 Prozent des Personals verfügbar ist. Es hat ja einen Grund, dass wir im Koalitionsvertrag der Ampel-Partner verabredet haben, mit dem Pakt für den Rechtsstaat das Personal zu verstärken. Die Aufgaben sind einfach mehr geworden. Wenn sich jetzt noch die Pandemie verschärft, droht die Lage bei der unterbesetzten Polizei allerdings ernst zu werden.

Sollte der Notstand kommen – wo könnte die Polizei am ehesten Aufgaben reduzieren? Und wo auf keinen Fall?
Eines ist klar: Gefahren müssen immer abgewendet werden. Das heißt, die Streifenwagen, die Bereitschaftspolizei und wichtige Teile der Kriminalpolizei müssen zwingend arbeitsfähig bleiben. Auch die Spezialeinheiten und die Beschäftigten in der IT sollten tunlichst gesund bleiben. Es gibt aber natürlich Aufgaben, die man aussetzen könnte. Die Aufnahme von Verkehrsunfällen mit Sachschaden ist solch ein Beispiel. Man kann jetzt schon recht sicher vorhersagen, dass sich viele Ermittlungen der Kripo in die Länge ziehen werden.

Haben Sie den Eindruck, dass sich die Polizei bundesweit auf eine Verschärfung der Pandemie vorbereitet?
Ich gehe davon aus, dass das nun flächendeckend sehr ernsthaft und schnell geschieht.

Der frühere Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter sitzt jetzt für die SPD im Bundestag. Quelle: imago/Müller-Stauffenberg
Sebastian Fiedler

Der frühere Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter sitzt jetzt für die SPD im Bundestag.

(Foto: imago/Müller-Stauffenberg)

Der Expertenrat empfiehlt, noch im Dezember sollten Vorkehrungen für einen drohenden Corona-Notstand bei der Polizei und anderen Bereichen der Kritischen Infrastruktur getroffen und dazu auch die Bundeswehr eingebunden werden. Sollte die Polizei notfalls gemeinsam mit Soldaten Sicherungsaufgaben übernehmen, beispielsweise den Schutz von Flughäfen und Bahnhöfen?
Zunächst einmal hat die Polizei eigene Reserven. Die Bundespolizei könnte den Ländern helfen. Selbstverständlich ist aber auch eine Unterstützung durch die Bundeswehr möglich. Das Grundgesetz liefert für extreme Ausnahmesituationen, in denen die freiheitlich demokratische Grundordnung in Gefahr gerät, den Rahmen. Da ist auch Objektschutz denkbar.

Die Bundeswehr soll, wenn es nach Fiedler geht, die Polizei während der Pandemie unterstützen, wenn es zu Personalmangel kommt. Quelle: imago images/photothek
Bundeswehrsoldaten und Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht

Die Bundeswehr soll, wenn es nach Fiedler geht, die Polizei während der Pandemie unterstützen, wenn es zu Personalmangel kommt.

(Foto: imago images/photothek)

Ich könnte mir vorstellen, dass Soldaten gemeinsam mit Polizisten Flughäfen und Bahnhöfe bewachen. Die Bundeswehr hat allerdings weitere, herausragende Kompetenzfelder, die in besonders schwierigen Lagen einen Mehrwert für die Innere Sicherheit hätten. Ich nenne die Bereiche Verwaltung, Logistik, Stabsarbeit und Cybersicherheit. Auch da könnte die Bundeswehr im Notfall die Polizei unterstützen.

Was halten Sie von einer Impfpflicht für die Polizei? In Bayern beispielsweise sind 20 Prozent der Polizisten bislang nicht geimpft...
Ich kann für nicht geimpfte Polizisten kein Verständnis aufbringen. Über die wenigen medizinischen Ausnahmefälle rede ich dabei nicht. Ich fordere daher schon seit Anfang Dezember eine beamtenrechtliche Duldungspflicht, wie sie analog im Soldatengesetz geregelt ist, auch für die Polizeien von Bund und Ländern. Gesunderhaltung ist ohnehin schon eine Beamtenpflicht.

Geimpfte Beamte werden durch ungeimpfte belastet

Bei der sächsischen Polizei mit insgesamt 14.000 Beamten waren bereits im November nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft 400 Polizisten an Corona erkrankt und 600 in Quarantäne. Hinzu kamen 1500 Beamte, die an Langzeiterkrankungen leiden. Was geht da schief?
Das ist ein tragisches Bild. Die Fragen muss sich Innenminister Roland Wöller gefallen lassen. Er, wie alle seiner Amtskollegen, können die eigenen Beschäftigten nur bestmöglich schützen, wenn nahezu alle geimpft sind. So einfach ist das. Eine inkonsequente Linie geht zulasten der inneren Sicherheit. Und das bedeutet auch eine größere Belastung für die geimpften Beamten, weil sie womöglich die Arbeit der ungeimpften und damit stärker coronagefährdeten Kollegen übernehmen müssen.

Im August hatten laut Statista knapp 20 Prozent der Bürger Verständnis für die Coronademonstrationen in Berlin. Quelle: imago images/HärtelPRESS
Polizeikontrolle bei einer Demonstration in Chemnitz

Im August hatten laut Statista knapp 20 Prozent der Bürger Verständnis für die Coronademonstrationen in Berlin.

(Foto: imago images/HärtelPRESS)

Ein hohes gesundheitliches Risiko für die Polizei ist die Begleitung der vielen Demonstrationen von Impfgegnern und Coronaleugnern. Wären solche Einsätze den Polizisten im Fall einer Eskalation der Pandemie noch zuzumuten?
Zuzumuten sind sie heute schon nicht. Das ist eine rein versammlungs- und verfassungsrechtliche Fragestellung. So weit rechtlich zulässig, sollten diese Demos verhindert oder eingeschränkt werden. Sie spielen zudem - über das unmittelbare Infektionsrisiko vor Ort hinaus - im fortschreitenden Radikalisierungsprozess eine beträchtliche Rolle. Verschwörungsextremisten heizen sich gegenseitig auf. Die Gewaltbereitschaft steigt und der Rechtsextremismus blüht förmlich auf.

Sie kommen aus der Polizei in Nordrhein-Westfalen und sind Kriminalhauptkommissar. Was sagen Sie Beamtinnen und Beamten, die sich partout nicht impfen lassen wollen?
Ich habe keine Ungeimpften im Bekanntenkreis. Ich würde aber einfach ungeimpfte Polizisten darum bitten, die Schilderungen der Mülheimer Ärztin Carola Holzner aus ihrem Arbeitsalltag in der Notfall- und Intensivmedizin zu verfolgen. Sie veröffentlicht regelmäßig im Internet als „Doc Caro“. Aktuell schildert sie, wie ein 39-jähriger Mann verstarb, der die Impfung „verschusselt“ hatte. Sein Tod wäre so leicht zu verhindern gewesen.
Herr Fiedler, vielen Dank für das Interview.

Dieser Text ist zuerst im Tagesspiegel erschienen.

Mehr: Verdi kritisiert mangelnden Schutz von Journalisten auf Corona-Demos

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1 Kommentar zu "Sebastian Fiedler im Interview: Polizei in der Pandemie: „Müssen uns Gedanken machen, dass es zu einem Notstand kommt“"

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  • Aus den Reihen der SPD der Ruf nach Notstandsgesetzen mit Militäreinsatz?
    Das hatten wir doch schon mal. Dann wird es richtig chaotisch.

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