Sinan Selen Hetze im Netz gegen den designierten Vize des Verfassungsschutzes

Nach dem Jurastudium trat er in den Staatsdienst ein.
Berlin Personalien wie diese bleiben für gewöhnlich weit unterhalb der medialen Reizschwelle. Sinan Selen, zuletzt Sicherheitschef beim Touristikkonzern Tui, soll zum stellvertretenden Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz berufen werden. Ein allseits geschätzter Fachmann rückt in die Führungsspitze des Inlandsgeheimdiensts auf; wo soll das Problem sein?
Nüchtern betrachtet gibt es keins, was aber weder rechte noch linke Agitatoren davon abhält, Selens Ernennung zum Skandal zu erklären. Seit Wochen wird im Netz gegen Selen Stimmung gemacht – mit billigsten, fremdenfeindlichen Klischees.
Selen, 46, ist türkischer Abstammung. Er kam als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland. Nach dem Jurastudium trat er in den Staatsdienst ein. Beim Bundeskriminalamt spürte er Terroristen nach, später wechselte er zur Bundespolizei, war für den Personenschutz von Kanzler Gerhard Schröder zuständig.
Bevor er 2016 in die Wirtschaft ging, war Selen im Innenministerium als Referatsleiter für Terrorabwehr zuständig. Es sei wichtig, die Deutungshoheit der Extremisten über den Islam zu brechen, sagte er damals. Zudem knüpfte er als „Sherpa“ Kontakte zu türkischen Sicherheitsbehörden.
Verlorenes Vertrauen
Das genügt linken Stimmungsmachern schon, die Personalie als „Hiobsbotschaft“ zu deuten und Selen als künftigen Repressionsgehilfen der Türken in ihrem Kampf gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK hinzustellen.
Im Umgang mit Fakten noch genügsamer zeigt man sich in der AfD und in ihrem Umfeld. Montagen zeigen Selen mit einem Fes, einer osmanischen Kopfbedeckung. „Der Feind hört mit“, ist in rechten Online-Nischen zu lesen. „Ab sofort wissen Erdogan und die übrige islamische Welt alle Interna des deutschen Geheimdienstes.“
Dabei wäre die Ernennung eines Einwandererkindes für den Verfassungsschutz ein wichtiges Zeichen. Die Verwicklung von Informanten in die Mordserie der rechtsradikalen NSU-Terroristen hat das Ansehen des Inlandsgeheimdienstes schwer beschädigt. Auch die politischen Irrläufe des inzwischen abgetretenen Amtsleiters Hans-Georg Maaßen haben das Vertrauen in den Verfassungsschutz erschüttert.
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