Soko-Chefin Alexandra Klein: „Wir gehen brachial auf Haftbefehle“
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Soko-Chefin Alexandra Klein„Wir gehen brachial auf Haftbefehle“
Sie ist Hamburgs Vorkämpferin gegen Einbrecher: Alexandra Klein leitet Soko „Castle“. Im Interview spricht sie über Marotten der Kriminellen, die neue Methode „Zieh Fix“ und erklärt, was wirklich vor Diebstahl schützt.
„Die meisten wollen schnell rein und wieder raus.“
(Foto: Johannes Arlt für Handelsblatt)
HamburgSchon bei ihrem Spitznamen sollte man gewarnt sein: Die Kollegen von Kriminaloberrätin Alexandra Klein nennen ihre Chefin „Berti“, nach dem einstigen Fußballspieler und Bundestrainer Berti Vogts, der auf dem Spielfeld als ziemlicher Wadenbeißer galt. Sie nimmt’s als liebevolles Kompliment, was ebenfalls allerhand über die 45-Jährige verrät, die seit genau einem Jahr die Hamburger Soko „Castle“ anführt. Kleins Ziel: endlich die Aufklärungsquoten zu erhöhen bei Haus- und Wohnungseinbrüchen in der wohlhabenden Hansestadt. Nur zu einem Thema will sie sich nicht äußern: zu den Hilfssheriff-Plänen ihres Innenministers Thomas de Maizière. Das sei dann doch eher ein politisches Thema.
Frau Klein, sind Sie selbst schon mal bestohlen worden? Nein, aber die Einschläge rücken näher. In meiner Hamburger Nachbarschaft gibt es zurzeit eine sehr auffällige Serie von sogenannten Zieh-Fix-Einbrüchen.
Was ist das denn? Dabei wird der Zylinder im Türschloss mit einem Werkzeug gebrochen, und man muss ihn nur noch rausschubsen. Prompt habe ich bei meiner eigenen Wohnung sofort die Sicherungsmechanismen verbessert.
Stimmt es, dass Ihre rund 100-köpfige Soko jeden zweiten Fall aufklärt, den Sie übernehmen? Das kommt hin, ja.
Fragt sich nur, wann Sie eingreifen, denn von den mehr als 9 000 Einbrüchen allein in Hamburg landen ja nur rund 600 bei Ihnen. Wir fokussieren uns klar auf Serientäter. Von diesen Zieh-Fix-Delikten zum Beispiel wurde in nur drei Tagen eine zweistellige Zahl gemeldet. Da werden wir schnell aktiv und nehmen dann alle Fälle an uns. Und dann will ich auch schnell Erfolge sehen. Es kann nicht sein, dass die Täter uns da wochenlang an der Nase herumführen.
Wenn ich Opfer normaler Beschaffungskriminalität bin, kann ich also nicht mit der Premium-Hilfe Ihrer Soko-Kollegen rechnen? So ist das leider meist. Wir müssen uns konzentrieren.
Viele Bundesbürger fühlen sich nicht mehr sicher – empirisch belegbar oder eben nur ein Gefühl? Die Einbruchszahlen steigen, das kann man nicht wegdiskutieren. Wir wollen die Angst davor nicht schüren, sondern aufklären – als Ermittler und Medienpartner.
Regierung und Behörden neigen zu Appellen, Eigentum besser zu schützen. Wieso tun die eigentlich so, als sei das Aufgabe der Bürger – und nicht von Profis wie Ihnen? Bis zu einem gewissen Grad liegt die Sicherung des Eigentums in der Hand des Besitzers, finden Sie nicht? Sie schließen ja auch Ihr Fahrrad ab. Und es muss nicht immer eine Alarmanlage für Tausende von Euro sein. Lieber einmal zu oft 110 anrufen, wenn einem was auffällt. Oder einfach die Tür abschließen, wenn man das Haus verlässt. Das hilft schon.
Mittlerweile wird alle drei Minuten irgendwo in Deutschland eingebrochen. Was hat sich da verändert? Ich denke, dass die Zahl der reisenden Täter zugenommen hat. Nicht nur, weil weltweit die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet.
Das Verbrechen globalisiert sich? Es macht jedenfalls längst nicht mehr vor Staatsgrenzen halt, sondern ist extrem mobil.
Wird in Reichen-Vierteln mehr geklaut? Nein, denn dort sind die Sicherungsmaßnahmen ja meist auch schärfer. Insofern werden ärmere Bezirke ebenso heimgesucht, wo’s leichter geht und die Täter schon äußerlich weniger auffallen, zumal dort ja meist mehr Verkehr ist als in den stillen Alleen der Elbvororte. Es gibt in einer Stadt wie Hamburg einfach jede Menge Tatmöglichkeiten für jede Art von Einbrechern.
Vita Alexandra Klein
Eigentlich wollte sie schon immer Polizistin werden. Aber ihr Vater war dagegen – vielleicht weil er selbst Ordnungshüter war. Also machte die 1971 im holsteinischen Neustadt geborene Alexandra Klein zunächst eine Hotelfachlehre. Als sie ein Werbeposter der Polizei sah, wechselte sie 1994 dann doch. Nach Stationen bei mobilen und Sondereinsatzkommandos wurde der Kriminaloberrätin im vergangenen Jahr die Leitung der Soko „Castle“ übertragen.
Weil die Zahl der Einbrüche auch in Hamburg immer weiter anstieg, rief der dortige Polizeipräsident im vergangenen Jahr die Soko „Castle“ ins Leben. Die bis zu 100 Ermittler konzentrieren sich auf reisende Serientäter. Über 100 Haftbefehle wurden seit „Castle“-Gründung bereits erlassen. Der bisher größte Erfolg: die Festnahme eines Albaners, dem rund 180 Einbrüche angelastet werden.
Die moderne Ökonomie des Verbrechens bedeutet demnach ganz schlicht: Es lohnt sich. Fünf Minuten Arbeit und 10 000 Euro in der Tasche – das ist jedenfalls die Hoffnung.
Länger halten sich die Täter nicht in Haus oder Wohnung auf? Jede Minute erhöht die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden. Die meisten wollen deshalb schnell rein und ebenso schnell wieder raus.
Was helfen dann Alarmanlagen? Auch mit denen dauert es, bis Polizei oder Wachdienst anrücken. Aber Lärm oder Scheinwerfer schrecken ab. Viele flüchten deshalb schon, bevor sie am Ziel sind. Rund 40 Prozent der Einbruchsversuche werden abgebrochen.
Gibt’s nicht auch Fachleute für Alarmanlagen? Die sind selten. Sie dürfen auch nicht denken, dass die Täter smarte Typen sind wie in irgendwelchen Gangsterfilmen, wo kunstvoll jede Laserfalle überwunden wird. Einbruch ist ein eher schlichtes und banales Geschäft, auch wenn es durchaus ein Leistungsgefälle bei den Tätern gibt. Manche sind gut ausgebildet, viele nicht. Am liebsten sind uns jene, die über ihren eigenen Narzissmus stolpern.
Inwiefern? Wir hatten schon einen, der Fotos von sich mit seiner Beute im Netz postete.
Spezialisieren sich die Täter? Sie agieren arbeitsteilig, ja. Kletterer spezialisieren sich darauf, an Fassaden zu höheren Stockwerken zu steigen, wo vielleicht ein Fenster gekippt ist. Sogenannte „Flipper“ öffnen sich mit einem Plastikstück aus PET-Flaschen spielend leicht unverschlossene Türen. Die einzige Gruppe, die Zusammenstöße mit ihren Opfern billigend in Kauf nimmt, sind die „Bohrer“, die meist nachts kommen. Die schieben Draht durch kleine Löcher, um im Innern die Klinken zu öffnen. Drinnen angekommen, nehmen sie gern Schmuck, Geld und Uhren von den Nachttischen der Schlafenden.
Welche Mängel Einbrecher anlocken – und was sie abschreckt
Schutz vor Beobachtern
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Die Deutschen machen es Einbrechern oft gefährlich einfach. Zum großen Teil ist die Sicherheitstechnik veraltet. Oft helfen Mieter und Hausbesitzer den Einbrechern sogar ungewollt: Hohe Hecken und dichte Bepflanzung etwa bieten optimalen Sichtschutz. (Quelle: Einbruch-Report 2016 des GDV)
Balkone, Gerüste, Geräteschuppen, Mülltonnen oder Carports – das sind wahre Ein- und Aufstiegshilfen für Einbrecher. So machen die Bewohner es Einbrechern besonders leicht.
Gekippte Fenster stellen für Einbrecher fast schon eine Einladung dar. So sparen sie sich die 15 Sekunden, die sie in der Regel brauchen, um ein Fenster aufzuhebeln.
Tagsüber dauerhaft heruntergelassene Rollläden? Für Einbrecher oft ein klares Zeichen, dass der Hausbesitzer verreist ist. Ohne Hochschiebesicherung schützen sie auch nicht davor, dass Fenster und Türen aufgebrochen werden.
(Foto: AP)
Die Schlüsselfalle
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Schusselig oder gutgläubig: Es kommt schon mal vor, dass Hausbesitzer ihre Schlüssel von außen stecken lassen, die Türe nicht abschließen oder gar offenstehen lassen. Größere Einladungen gibt es kaum
Auch sehr beliebt: Das alte Schlüssel-Versteckspiel. Leider finden auch Einbrecher die draußen versteckten Notfallschlüssel in Blumentöpfen und unter Fußmatten nur allzu leicht.
Gefahrenquelle Nummer 1 sind Balkon- und Terrassentüren: 40,7 Prozent aller Einbrecher schlagen hier zu. Was hier hilft: Beschläge mit Pilzkopfzangen, ein Stangenschloss und ein abschließbarer Griff.
Ein Albtraum … … und leider gar nicht so selten, dass die Leute in dem Moment aufwachen. Zwar kommt es dabei kaum zu Gewaltdelikten, aber die psychische Belastung ist natürlich enorm. Wie gesagt: Der Regelfall ist eher, dass ein Täter den Bewohnern aus dem Weg geht und auch nur wenige Minuten am Tatort ist. Für uns sind Einbrecher hilfreicher, die stundenlang alles durchsucht haben.
Warum? Umso eher können wir ihr Verhalten nachvollziehen und Muster erkennen. Jeder Mensch hat Marotten, auch Einbrecher. Manche nehmen gern Klamotten mit und können gute von schlechten Anzügen unterscheiden oder identifizieren sogar Marken-Imitate. Andere legen ihre Beute erst mal aufs Bett und differenzieren. Manche lassen dann die billige Casio-Uhr liegen, nehmen aber die teure Tag Heuer mit. Das verrät viel über den Täter.
Und Sie legen damit Profile an? Genau. Einer unserer immer noch gesuchten Täter trinkt zum Beispiel immer Limonade, wenn er welche findet. Oder stellen Sie sich vor, im Keller fehlt Wein. Da interessiert uns natürlich brennend die genaue Marke. Ein Drogensüchtiger nimmt dagegen wahllos mit, was er einstecken kann. Andererseits gibt es Täter, die gern Parfüm einstecken.
Warum denn das? Wussten wir lange auch nicht, bis uns ein Honorarkonsul erklärte, dass es dafür in Südamerika einen florierenden Schwarzmarkt gibt. So können wir allmählich die Herkunft mancher wiederholt auftretender Täter eingrenzen.
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